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»Sieht ziemlich einladend aus«, kommentierte Shyleen. »Hier läßt es sich eine Weile aushaken.« Sie runzelte die Stirn und blickte erst Garth, dann Torian unsicher an. »Vielleicht ein bißchen zu einladend«, fügte sie hinzu, allerdings sehr leise und mehr zu sich gewandt.

Garth schnitt eine Grimasse und ignorierte ihren letzten Satz. »Wenn ich mal ein gemütliches Plätzchen fürs Alter suche, komme ich hierher zurück«, sagte er. »Vorausgesetzt, es gibt hier irgendwo ein paar reiche Händler, die ich beklauen kann.«

»Voraussetzung ist erstmal, daß wir hier überhaupt wieder herauskommen«, entgegnete Torian ärgerlich. Garth’ spöttische Art ging ihm auf die Nerven. Der für Humor zuständige Teil seines Bewußtseins war irgendwo in der Höhle zurückgeblieben. »Und zwar möglichst, nachdem wir den Tempel der verbotenen Träume gefunden haben.« Noch einmal ließ er seinen Blick durch das paradiesisch anmutende Tal schweifen. »Shyleen hat recht. Für meinen Geschmack sieht mir das alles schon eine Spur zu harmlos und idyllisch aus.«

»Miesmacher«, knurrte Garth. »Du hast eine wirklich reizende Art, einen aufzumuntern.«

»Ich denke nur realistisch. Der Weg zum Tempel soll mindestens ebenso mit Fallen gespickt sein, wie die Straße der Ungeheuer. Entweder hat uns das Tor ganz woanders hin geschleudert, oder diese Idylle ist ungefähr so echt wie dein Versprechen, gut auf einen Geldbeutel aufzupassen, den man dir anvertraut.«

Garth verzog beleidigt sein Gesicht. »Jetzt tust du mir Unrecht«, schmollte er. »Ich schwöre bei der Unschuld meiner Mutter, daß mir noch nie etwas gestohlen worden ist.«

»Soll ich euch beiden vielleicht ein paar Bauklötzchen bringen?« fragte Shyleen scharf.

Garth grinste, sagte aber nichts mehr, sondern trat auf ein paar Büsche zu, die dicke rote Beeren trugen. Er pflückte eine Handvoll. »Ich weiß, sie könnten giftig sein«, kam er Torians Warnung zuvor. »Aber vergiftet werden geht schneller als verhungern.«

»Na wunderbar, ein Versuchskaninchen haben wir schon mal«, bemerkte Shyleen spöttisch. »Wenn du in einer halben Stunde noch nicht tot umgefallen bist, können wir es wohl auch wagen.«

»Darauf würde ich mich nicht verlassen«, erklärte der Dieb kauend. »Mein Magen verträgt nämlich einiges mehr als eurer, ihr halben Portionen.«

Er pflückte eine weitere Handvoll Beeren und stopfte sie der ersten hinterher, und Torian fügte hastig hinzu: »Außerdem sind in einer halben Stunde wahrscheinlich schon keine Beeren mehr da.«

Garth nickte. »Die Dinger schmecken gut.«

»Überredet«, seufzte Shyleen, und nach kurzem Zögern griff auch Torian zu. Er hatte das Gefühl, seit einer halben Ewigkeit nichts mehr gegessen zu haben, und sein Magen knurrte immer stärker. Die Beeren schmeckten wirklich; ein wenig säuerlich zwar, aber sie waren durchaus genießbar. Nicht weit entfernt entdeckten sie auch einen kleinen Bach, an dem sie ihren Durst stillen konnten.

Anschließend ließen sie sich ins Gras sinken, um zu rasten. Torian verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte zu den Wolken hinauf. Sie hatten keinen Anhaltspunkt, wo der Tempel der verbotenen Träume lag, mußten sich also blindlings auf die Suche machen. So riesig in seinen Ausmaßen, wie das Tal war, würden sie wahrscheinlich Wochen brauchen, es zu Fuß zu durchqueren. Und auch das nur, wenn sie nicht angegriffen oder aufgehalten wurden, überlegte er. Und immer vorausgesetzt, daß das Tor sie überhaupt an den richtigen Ort geschleudert hatte. Aber nach den Erlebnissen im Berg war er beinahe sicher, daß sie hier richtig waren.

Er hob den Kopf ein wenig. Das grüne Blätterdach des Waldes erschien ihm mit einem Mal wie ein undurchdringlicher Vorhang, der ihnen den Blick auf alles verwehrte, was darunter lag und möglicherweise nur darauf wartete, daß ein paar Narren der Kreatur im Stollen entkamen. Aber es würde sie mindestens zusätzliche vier oder fünf Tage kosten, den Wald zu umgehen.

»Woran denkst du?« drang Garth’ Stimme in seine Gedanken.

»Daran, was uns in diesem Tal noch alles erwartet«, antwortete er. »Und wie wir hier wieder herauskommen, falls es uns tatsächlich gelingt, den Tempel lebend zu erreichen.«

»Das wird sich dann schon finden.«

Torian schüttelte bedächtig den Kopf, riß einen Grashalm aus und kaute darauf herum. »Ich glaube nicht, daß es etwas zu finden gibt«, meinte er nach einer Weile. Er deutete in den wogenden Dunst, der das gegenüberliegende Ende des Tales verschlungen hatte. »Wenn die Berge dort nicht anders aussehen als hier, werden wir schon fliegen lernen müssen. Kelysar hatte recht. Man braucht Flügel, um auf normalem Wege herein oder hinaus zu kommen. Jemand hat sich ziemlich große Mühe gegeben, das Tal nach außen abzuschirmen.«

»Wer sagt dir, daß es ein Tal ist?« fragte Garth ruhig.

»Wovon sprecht ihr eigentlich?« mischte sich Shyleen ein.

»Davon, daß hier irgend etwas nicht stimmt«, antwortete To-rian. »Diese Berge sind ... unheimlich.« Es kommt mir beinahe vor, als hätte sie jemand gemacht, fügte er in Gedanken hinzu. Aber das sprach er lieber nicht laut aus.

Einige Sekunden herrschte Schweigen.

»Die Berge sehen nicht nur so aus«, fuhr er nach einer Weile fort. »Sie sind eine Mauer.«

»Vielleicht war das Tor der einzige Zugang«, fügte Garth düster hinzu. »Und genial, wie wir nun mal sind, haben wir es geschafft, es hinter uns zu schließen und den Schlüssel zu verlieren.« Seine Stimme nahm einen spöttischen Tonfall an. »Bei dem Glück, das wir in den letzten Wochen hatten, wäre es ja auch mal an der Zeit für ein bißchen Pech. Wir finden den Tempel der verbotenen Träume, lösen das Geheimnis des ewigen Lebens und bleiben für alle Zeit in diesem Tal gefangen. Wäre doch wunderbar, oder? Einfach wunderbar.«

»Ich finde das gar nicht komisch«, fauchte Shyleen. »Irgendwann sorge ich einmal dafür, daß dir die blöden Spaße ein für allemal vergehen.«

»Bei den Dämonen«, stieß der Dieb mit gespieltem Schrecken hervor. »Dann wäre ich ja arbeitslos.«

Torian hörte nicht länger hin. In letzter Zeit benahm sich Garth Shyleen gegenüber wie ein zu groß geratenes Kind. Die Liebe ließ eben selbst erwachsene Männer zu Narren werden, dabei hatte diese Liebe, die er ihr gegenüber insgeheim empfand, keinerlei Aussicht auf Erwiderung. Das Schlimmste war, daß er das genau wußte und seine wahren Gefühle hinter Spott und dummen Bemerkungen zu verbergen versuchte. Wahrscheinlich hatte auch Shyleen sein Verhalten längst durchschaut und gab sich ihm gegenüber deshalb besonders abweisend. Während ihrer Ausbildung zur Tempelpriesterin der Schwarzen Magier mußte man ihr irgendwann das Herz herausgeschnitten und es durch einen Kaktus ersetzt haben. Aber vielleicht lag es auch nicht an der Ausbildung, sondern einfach an ihrem Alter. Ihr hübscher, jugendlicher Körper täuschte leicht darüber hinweg, daß der Altersunterschied zu Garth die unbedeutende Kleinigkeit von mehr als dreihundertfünfzig Jahren betrug. Für sie war Garth ein Kind. Und Torian auch.

Torian seufzte. Als ob sie noch nicht genügend Probleme hätten!

Er stand auf, ging noch einmal zum Bach hinüber und trank einige Schlucke. »Gehen wir weiter«, schlug er vor, als er zurückkehrte. Er warf einen besorgten Blick zur Sonne hinauf, die den höchsten Punkt ihrer Bahn längst überschritten hatte und sich den Berggipfeln näherte. »Es wird bald dunkel, dann müssen wir ohnehin wieder rasten. Bis dahin sollten wir versuchen, den Wald zu erreichen.«

Niemand widersprach ihm. Und so machten sie sich umgehend an den Abstieg. Da es keinen Weg gab, nicht einmal einen Trampelpfad, dem sie folgen konnten, stapften sie einfach in direkter Linie durch das mehr als kniehohe Gras auf den Wald zu. Der Boden war uneben und ließ das Gehen schwer werden. Immer wieder stolperten sie über Erdbuckel oder blieben an Dornenranken hängen, die im Gras verborgen lagen. Nervös führte sich Torian vor Augen, daß auch Schlangen oder andere gefährliche Kleintiere unter der dichten Bewachsung lauern konnten. Er bedeutete Shyleen und Garth, hinter ihm zu bleiben, und stocherte vor jedem Schritt mit dem Schwert im Gras vor seinen Füßen. Eine Art der Fortbewegung, die vielleicht sicher war, aber ganz bestimmt nicht schnell.