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»Horcht mal«, rief Shyleen plötzlich.

Torian blieb stehen und lauschte, und fast im selben Augenblick hörte auch er das leise, aber charakteristische Murmeln und Plätschern eines Wildwasserbaches.

»Das ist Wasser«, murmelte Garth, fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und verdrehte in genießerischer Vorfreude die Augen. »Scheint von dort zu kommen.« Er deutete nach rechts.

Noch schneller als bisher gingen sie weiter. Das Plätschern wurde lauter, und nach wenigen Minuten erreichten sie den Bach. Es war nur ein schmales Rinnsal, das sich sprudelnd seinen Weg über Wurzeln und Steine bahnte. Sie knieten am Rand nieder, löschten ihren ärgsten Durst und erfrischten sich etwas. Der schlechte Geschmack wich nicht aus Torians Mund, obwohl das Wasser köstlich war, und dazu eiskalt. Er spürte erst jetzt richtig, wie heiß es geworden war, selbst im Schatten des Waldes.

Garth seufzte. »Jetzt noch einen saftigen Braten und ...«

»Still!« zischte Torian und fuhr herum. Er hatte ein Rascheln in den Büschen hinter sich gehört, und anders als in der Nacht war er sich diesmal sicher, sich nichts eingebildet zu haben. Shyleens angespanntes Gesicht zeigte, daß auch ihr das fremde Geräusch nicht entgangen war.

»Was ist?« fragte Garth.

Torian schüttelte ärgerlich den Kopf. »Still«, zischte er. »Bitte, Garth.«

Diesmal antwortete Garth nicht mit einer Frotzelei. Er kannte den ernsten Unterton, der plötzlich in Torians Stimme war, zu genau. Auch er lauschte. Seine Hand kroch zum Stiel der gewaltigen Axt, die er in den Gürtel geschoben hatte, wie andere es mit einem Dolch tun mochten.

Nach ein paar Sekunden wiederholte sich das Rascheln. Torian glaubte für den Bruchteil einer Sekunde, eine aufrecht gehende, schlanke Gestalt in den Büschen gesehen zu haben. Aber sie war zu schnell verschwunden, als daß er sie deutlicher denn als huschenden Schemen hätte ausmachen können. Vielleicht nur ein Streich, den ihm seine Nerven spielten.

Irgendwo knackte ein Ast. In der Stille klang das Geräusch scharf und laut wie ein Peitschenhieb. Als er herumfuhr, schien es Torian erneut, den Umriß einer Gestalt zu erkennen.

Er bedeutete Garth, zurückzubleiben und sich ruhig zu verhalten, stand auf und trat mit gezücktem Schwert durch das struppige Unterholz. Das ungute Gefühl, mit dem er aufgewacht war, hatte ihn nicht getrogen, dachte er düster. Sie waren nicht allein; etwas ging um sie herum vor.

Er erreichte die Stelle, wo er die Gestalt gesehen hatte. Zögernd blickte er um sich, dann entdeckte er etwas Grünes, Funkelndes auf dem Boden und bückte sich danach.

Die Bewegung rettete ihm das Leben. Etwas Dunkles, sehr Massiges zischte durch die Luft, wo sich sein Kopf befunden hatte, wäre er einen Schritt weitergegangen, und irgend etwas Riesiges, scheinbar Formloses flog auf ihn zu.

Er warf sich zur Seite, konnte dem Hieb aber nicht mehr ganz ausweichen. Ein entsetzlicher Schmerz explodierte in seinem Nacken und ließ ihn nach vorne taumeln. Bunte Sterne zerplatzten vor seinen Augen. Er versuchte, sich herumzudrehen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Übermenschlich starke Finger, die sich irgendwie feucht anfühlten, rissen ihm das Schwert aus der Hand. Aus den Augenwinkeln nahm er ein säulenartiges, mit grünlichen Panzerschuppen statt Haut bedecktes Bein wahr, das in einem Fuß mit krallenartigen Zehen endete.

Torian versuchte noch einmal, sich auf den Rücken zu wälzen, oder wenigstens auf die Seite. Es mißlang ebenso kläglich wie beim ersten Mal. Der Fuß mit den entsetzlichen Krallen hob sich, näherte sich seinem Gesicht, ein halbes Dutzend gebogener, messerscharfer Dolche aus Horn – und verschwand.

Drei, vier Sekunden lang blieb Torian einfach reglos liegen. Er begriff nicht ganz, daß er noch lebte, und vor allem nicht, wieso. Er hörte leise, sich entfernende Schritte, dann das Brechen von Ästen, und im nächsten Moment kniete Garth neben ihm nieder und starrte ihn aus schreckgeweiteten Augen an.

»Was ist passiert?«

»Das siehst du doch«, beantwortete Shyleen hinter ihm seine Frage. Ihre Stimme klang fast zornig. »Dieser verdammte Narr ist direkt in einen Hinterhalt gelaufen! Wir hätten noch ein paar Sekunden warten sollen, dann wären wir ihn vielleicht auch los.«

Torian ignorierte ihre Feindseligkeit einfach. Vielleicht war er auch zu verblüfft, um sie wirklich zu begreifen. Was er begriff, das war, daß sich Shyleen irrte, und zwar gründlich. Der Unbekannte hatte ihn nicht töten wollen. Er hatte Zeit und Gelegenheit genug gehabt, es zu tun.

Benommen setzte er sich auf und faßte Garth’ hilfreich ausgestreckte Hand. Der Dieb zog ihn unsanft auf die Füße und sah ihn prüfend an. »Alles in Ordnung mit dir?« fragte er noch einmal.

Torian nickte, und Garth machte eine Geste auf den Wald. »Hast du etwas gesehen?«

»Eine Art... Kralle«, murmelte Torian verstört.

»Kralle?«

Torian zuckte mit den Achseln und bedauerte die Bewegung sofort wieder, denn das Schwindelgefühl in seinem Kopf meldete sich prompt zurück. »Ich ... weiß nicht, was es war, aber... es war kein Mensch.«

»Wie sollte auch ausgerechnet ein Mensch hierherkommen?« fragte Shyleen giftig. »Jedenfalls ist das Schwert weg. Gut gemacht, Torian Carr Conn.«

»Ich bin ohnehin nicht davon überzeugt, daß es uns gegen diese Wesen etwas genutzt hätte«, erwiderte Torian.

»Wie meinst du das?«

Torian öffnete die Faust und zeigte Shyleen das Ding, das er gefunden hatte. Es war eine grünliche, handtellergroße Hornschuppe, die sich hart wie Stahl anfühlte. Und wenn er den Schmerz zwischen seinen Schulterblättern bedachte, dann war sie es vermutlich auch.

»Was ist das?« fragte Garth verblüfft.

»Ich habe das Ding hier gefunden. Es gehört zu der Uniform dieses Wesens. Zumindest die Beine waren damit gepanzert.«

Er vermied es, seinen Verdacht auszusprechen, aber auch Shyleen erkannte, daß es noch eine zweite Möglichkeit gab. Sie wurde eine Spur blasser.

»Zur Uniform – oder einem natürlichen Panzerkleid, wie es beispielsweise Echsen tragen«, murmelte sie und nahm ihm die Schuppe aus der Hand. »Scheint wirklich hart genug, um einem Schwerthieb zu widerstehen.«

»Lassen wir es lieber nicht darauf ankommen«, empfahl Torian. »Verschwinden wir von hier, bevor sie zurückkommen.«

»Und vielleicht noch ihre Verwandtschaft mitbringen«, fügte Garth düster hinzu. Shyleen schien etwas sagen zu wollen, beließ es aber dann bei einem ebenso zornigen wie hochmütigen Blick und drehte sich abrupt um.

Noch vorsichtiger als bisher drangen sie weiter vor. Immer wieder hielten sie an und lauschten, aber alles blieb ruhig. Vielleicht war es den seltsamen Schuppenwesen wirklich nur um das Schwert gegangen, dachte Torian. Gleichzeitig spürte er, daß das ganz bestimmt nicht der einzige Grund für diesen Angriff gewesen war. Falls es sich überhaupt um einen Angriff gehandelt hatte. Vielleicht war dieses ... Ding einfach nur genauso erschrocken gewesen wie er, und hatte einfach aus einem Reflex heraus zugeschlagen.

Shyleen ging zunächst an der Spitze, Torian hatte den gefährlichen Posten am Schluß ihrer kleinen Kolonne übernommen. Wenn sie überhaupt noch da waren, dann befanden sich die Echsenwesen hinter ihnen und würden auch aus dieser Richtung angreifen. Nach dem Verlust des Schwertes hatte sich Torian mit einem armlangen, ziemlich harten Knüppel bewaffnet; eine erbärmliche Waffe gegen ein Wesen mit einem solchen Fuß, wie er ihn gesehen hatte, aber besser als gar keine. Immerhin vermittelte ihm das Stück Holz das Gefühl, nicht ganz wehrlos zu sein.

Garth verringerte etwas sein Tempo, bis sie sich auf gleicher Höhe befanden. »Was hältst du davon?« fragte er. »Warum genügt es diesen Schuppenmonstern, uns zu entwaffnen?«