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»Das grenzt fast an Selbstmord«, murmelte er. »Ich habe Flüsse schon auf sicherere Art überquert.«

»Siehst du hier eine? Wenn du unbedingt willst, kannst du ja auch schwimmen«, gab Shyleen zurück und wandte sich dann an Garth: »Geh du zuerst. Wenn die Brücke dein Gewicht trägt, wird sie uns wohl auch aushallen.«

»Und wenn nicht, bekomme ich nasse Füße«, brummte der Dieb. »Versprecht mir, wenigstens einen schönen Grabstein aufzustellen: Hier ruht Garth, die Hand. Er opferte sich für seine Freunde.«

»Und darunter schreiben wir: Er war zu fett für diese Brücke«, fügte Torian grinsend hinzu. »Versprochen. Halt dich an den Seilen fest. Wenn sie an einer Stelle reißen, kannst du dich mit ein bißchen Glück noch zum anderen Ufer schwingen.«

Garth musterte ihn von oben nach unten. »Habe ich dich gerade wirklich als Freund bezeichnet?« Er schüttelte den Kopf und wandte sich wieder der Brücke zu. Beide Hände fest um die Sicherheitsleinen zu beiden Seiten geklammert, trat er vorsichtig auf die schwankende Konstruktion hinaus. Vor jedem Schritt prüfte er sorgsam die Bretter vor sich mit dem Fuß. »Stabiler, als sie aussehen«, rief er und blickte über die Schulter zu ihnen zurück. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schrecken. »Paßt auf, hinter Euch!«

Torian fuhr herum. Für Sekunden hatte er nur auf den Dieb geachtet und alles andere um sich herum vergessen. Nun schien der Waldrand hinter ihnen lebendig zu werden.

Mehr als ein Dutzend der geschuppten Gestalten, die er zuvor schon gesehen hatte, kamen aus dem Gebüsch gestürmt. Es zeigte sich nun, daß die gefundene Schuppe wirklich kein Teil einer Uniform war. Bei den Wesen vor ihnen handelte es sich um Echsen, aufrecht gehende Titanen, von denen jeder einzelne Torian um mindestens drei Haupteslängen überragte. Sie waren von Kopf bis zu den stämmigen, im Vergleich zum übrigen Körper zu kurz geratenen Beinen mit den grünlichen Schuppen gepanzert. Sie schwangen gewaltige Krummschwerter, doch im Vergleich zu ihren Besitzern wirkten die Waffen fast harmlos. Die ovalen Schädel der Echsen bestanden fast zur Hälfte aus einem geschlitzten Maul mit mörderischen Zähnen, die aussahen, als ob sie einem Menschen mühelos mit einem Biß den Arm abtrennen konnten. Ihre muskelbepackten Körper schienen die ledernen, mit unzähligen dolchartigen Dornen gespickten Riemenpanzer sprengen zu wollen, in die sie hineingezwängt waren.

»Die Brücke!« keuchte Shyleen. »Wir müssen über die Brücke, und sie hinter uns zerstören!«

Mühsam schüttelte Torian die Lähmung ab, mit der ihn der Anblick der gewaltigen Echsen erfüllte, und rannte hinter ihr auf die Brücke hinaus. Ihnen blieb fast keine Zeit, erst die Festigkeit der Bretter zu prüfen. Sie konnten nur darauf hoffen, daß das Schicksal es wenigstens einmal ein bißchen gut mit ihnen meinte, statt dauernd nur nach ihnen zu beißen, wenn sie versuchten, einen Zipfel vom Glück zu packen.

Natürlich war es nicht so, im Gegenteil, diesmal tat der Biß besonders weh.

Garth hatte fast das andere Ufer erreicht, als Shyleen aufschrie und so plötzlich stehenblieb, daß Torian es erst zu spät merkte und gegen sie prallte. Die Brücke begann zu schwanken; er rutschte ab und konnte sich erst im letzten Moment an einer der Sicherheitsleinen festhalten. Die scharfe Bemerkung blieb ihm im Halse stecken, als sein Blick auf das gegenüberliegende Ufer fiel – und auf das zweite Dutzend Echsenkrieger, das auch dort aus dem Wald getreten war und auf sie wartete.

Aus, schoß es ihm durch den Sinn. So also sah sein Ende aus. Vor und hinter ihm erwartete ihn der Tod in Form von Krumm-Schwertern und nadelspitzen Krokodilzähnen, und vier Meter unter ihm das tosende Wasser, das nur darauf wartete, ihn zu packen und gegen die Felswände der Schlucht zu schmettern. Das glorreiche Ende eines großen Helden, dachte er in einem Anflug von Galgenhumor. Er hätte wissen müssen, daß sich das Schicksal auf Dauer nicht ungestraft in die Suppe spucken lassen würde.

»Tiere«, keuchte Shyleen. »Verdammt, ich lasse mich nicht einfach von ein paar Riesensalamandern abschlachten. Bevor ich mich lebend von diesen Kreaturen fangen lasse, stürze ich mich lieber in den Fluß.«

»Ich glaube, in ein paar Minuten wird dir ziemlich egal sein, wer dich umgebracht hat«, gab Torian zurück. Er war plötzlich ganz ruhig. Es gab keine Hoffnung mehr, diesmal konnte sie höchstens ein Wunder retten, vielleicht die Hand eines freundlichen Gottes, die sie hochhob und irgendwo anders sanft wieder absetzte. Aber er glaubte weder an Götter, noch an Wunder.

»Außerdem sind es keine Tiere. Schau dir ihre Kleidung und die Waffen an. Diese Wesen besitzen Intelligenz.«

»Vielleicht wollen sie uns gar nicht umbringen, und wir können uns irgendwie mit ihnen verständigen.«

»Der letzte Ausweg, wie«, höhnte Torian. »Wenn man mit Gewalt nicht weiterkommt, könnte man es ja mal friedlich versuchen. Bitte sehr, frag sie, ob sie so freundlich wären, uns den Weg freizugeben. Vielleicht geleiten sie uns ja sogar —«

Er brach ab und wäre um ein Haar wieder gestürzt. Erneut geriet die Brücke in Schwingung, als eine der Echsen hinter ihm auf die Planken trat. Es war ein besonders großes und muskulöses Exemplar seiner Art. Auf seinem Lederwams prangte ein Dreieck mit einem stilisierten Auge. Langsam kam der Echsenkrieger mit gezogenem Schwert näher. Hinter ihm drängten weitere heran. Tückische Reptilienaugen musterten Torian.

Er wich einen Schritt zurück und suchte mit den Füßen halbwegs sicheren Stand. Kampflos würde er sich nicht ergeben. Jetzt bedauerte er, den Knüppel nach dem Kampf mit Garth nicht wieder aufgehoben zu haben, obwohl er nur zu gut wußte, daß ihm die jämmerliche Waffe gegen diesen Gegner ohnehin nichts nützen würde.

Zwei Schritte vor ihm blieb die Echse stehen. Einige Sekunden lang starrte sie ihn nur an, dann streckte sie den in messerscharfen Klauen endenden freien Arm nach Torians Gesicht aus, führte die Bewegung aber nicht zu Ende. Krachend brach eines der Bretter unter ihrem Gewicht aus der Halterung. Einen Moment wankte die Echse und kämpfte um ihr Gleichgewicht.

Torian erkannte seine Chance. So gut es der schwankende Boden erlaubte, stieß er sich ab. Noch im Sprung schnellte er die Beine nach vorne und trat mit aller Kraft nach dem Kopf der Echse, der einzigen Stelle ihres Oberkörpers, die nicht von dem dornengespickten Harnisch geschützt war.

Es war, als hätte er gegen einen Felsen getreten.

Ein grauenhafter Schmerz zuckte durch seinen Fuß. Jedem anderen Gegner hätte der Tritt das Genick gebrochen, aber der Echsenkrieger wankte nicht einmal. Dafür wurde Torian von der Wucht seines Angriffs zurückgeschleudert, über das Halteseil hinweg. Die Klauenhand schoß vor und bekam sein Leinengewand an der Schulter zu fassen. Wie Messer schnitten die Krallen in Torians Haut. Schmerz und panische Angst überfluteten sein Bewußtsein, löschten sein Denken aus. Er warf sich herum und schlug blindlings um sich.

Knirschend riß der Stoff, und nur ein Fetzen blieb zwischen den Krallen hängen. Torian versuchte, das Halteseil zu packen, aber er war zu langsam und streifte es nur mit den Fingerspitzen. Mit einem Schrei stürzte er in die Tiefe und krümmte seinen Körper instinktiv zusammen.

Wer auch immer behauptet hatte, Wasser hätte keine Balken, hatte gelogen. Eine Titanenfaust schien Torian zu treffen und ihm sämtliche Knochen gleichzeitig zu brechen. Durch die schiere Wucht seines Sturzes verwandelte sich die Wasseroberfläche in eine Glasscheibe, die beim Aufprall unter ihm zerbarst. Eisiges Wasser schlug über ihm zusammen; dann riß ihn die gleiche Titanenfaust mit sich fort. Ein Wasserschwall drang in seinen Mund und seine Nase und ließ ihn würgen.

Wie ein Stein sank er in die Tiefe und verschwendete nur einen flüchtigen Gedanken daran, daß der Fluß tiefer als erwartet war, und allein dieser Umstand ihm zumindest für ein paar Sekunden das Leben rettete. Dann aber spürte Torian den entsetzlichen Wasserdruck wie einen stählernen Reif um seine Brust und wollte schreien, bekam aber nur einen Mundvoll Wasser. Ein ungeheurer Sog packte ihn, wirbelte ihn herum, schleuderte ihn wieder in die Höhe und schnippte ihn wie ein lästiges Insekt einen halben Meter aus dem Fluß heraus.