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Dafür schienen sich die Laa hier um so besser auszukennen, und sie verstanden es, sich nahezu lautlos zu bewegen. Mit traumwandlerischer Sicherheit fanden sie ihren Weg durch das Unterholz, nutzten schmale Pfade und Tierwechsel, die Torian allein bestimmt entgangen wären, und schafften es dabei, ihn weiterhin ständig zu allen Seiten hin abzuschirmen. Er schien der einzige zu sein, dem die Dunkelheit etwas ausmachte. Alle paar Schritte stolperte er über Wurzeln und Baumstümpfe; Zweige peitschten ihm ins Gesicht, Dornen zerrissen die Fetzen, die von seiner Kleidung noch übrig geblieben waren, und zerkratzten seine Haut.

Am liebsten hätte er Marodon gebeten, eine Fackel für ihn anzuzünden, doch ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, dem Laa seinen Wunsch begreiflich zu machen, hatte dieser sicherlich seine Gründe, im Dunkeln zu marschieren. Die fast greifbare Spannung und Furcht der Laa hatte sich bislang nicht gelegt, schien sich während der letzten Minuten sogar eher noch verstärkt zu haben. Immer noch hielten sie ihre Waffen kampfbereit, als rechneten sie jeden Moment mit einem Angriff.

Torian fragte sich, wovor sie solche Angst hatten. Vor den Echsen, oder vor noch etwas anderem, einem Feind, den er noch nicht kannte?

Die Nacht war von mannigfaltigen Geräuschen erfüllt, und nur die wenigsten gefielen ihm. Laub raschelte, der Wind wisperte in den Baumkronen, Zweige knackten. Es half Torian auch nicht viel, daß er sich einzureden versuchte, daß es sich dabei um nichts weiter als die ganz normalen Laute der Nacht und des Waldes handelte. Etwas von der Nervosität seiner Begleiter schien auf ihn abzufärben. Seine angespannten Nerven machten aus jedem Geräusch das leise Scharren von Waffen und das Tappen von krallenbewehrten Füßen, hinter jeder Bewegung eines Zweiges glaubte er das matte Schimmern von Horn zu entdecken, und wenn plötzlich ein Baumstamm oder ein besonders großer Busch vor ihm auftauchten, zuckte er erschrocken zusammen und wähnte sich im ersten Moment einem Echsenkrieger gegenüber.

Mehrmals war er nahe daran, Marodon wenigstens um ein Schwert zu bitten, doch etwas hielt ihn immer wieder davon ab. Er wußte nicht, wer die Laa waren, und was sie von ihm wollten, und sie konnten auch nicht viel mehr über ihn wissen, selbst wenn sich Shyleen und Garth in ihrem Dorf befanden. Wüßten sie mehr, würden sie seine Sprache wenigstens ansatzweise sprechen. Unter diesen Umständen wunderte es ihn ohnehin, daß sie ihm so freundlich gegenübertraten. Bevor er nicht mehr über sie erfahren hatte, wollte er sich möglichst zurückhalten. Die dreiste Bitte um ein Schwert, die nichts anderes bedeutete, als daß einer der Laa selbst auf eine Waffe verzichten müßte, könnte den Bogen ihres Entgegenkommens überspannen. Zumindest im Augenblick befanden sie sich ja nicht in direkter Gefahr, und es war unwichtig, ob er eine Waffe besaß oder nicht.

Nach einer Weile verlor er jedes Gefühl für die Zeit; stolperte einfach nur immer weiter vorwärts und wäre mehr als einmal gestürzt, wenn nicht einer der Laa ihn jeweils noch gerade rechtzeitig gepackt und festgehalten hätte. Es gelang ihm immer weniger, sich auf seine Umgebung zu konzentrieren.

Irgendwann öffnete sich der Wald vor ihm und machte einer großen Lichtung Platz, auf der sich zahllose Holz- und Lehmhütten mit strohgedeckten Dächern erhoben. Mit einer knappen Geste bedeutete Marodon ihnen, stehenzubleiben, und lauschte.

Auch Torian wachte aus seinem seltsamen Dämmerzustand zwischen Wachen und Schlafen und blindem Vorwärtstaumeln auf. Auch er vernahm jetzt gedämpfte Schreckensschreie.

Noch vorsichtiger als bisher gingen sie weiter, näherten sich dem Ursprungsort der Schreie.

Torian bemerkte die Bewegung im buchstäblich allerletzten Moment: ein rasches Huschen und Wogen, an einer Stelle schräg vor und neben sich, die einen Sekundenbruchteil zuvor noch absolut leer gewesen war. Etwas Gigantisches, Schwarzes schälte sich aus den Schatten, Mondlicht blitzte auf Stahl, und dann fühlte er sich gepackt und herumgewirbelt. Jemand schrie. Ein schlanker, in ein Kettenhemd gekleideter Mann tauchte vor ihm auf, das Gesicht vor Schrecken verzerrt, aber hoch aufgerichtet und mit weit ausgebreiteten Armen, wie um ihn zu beschützen.

Und genau das tat er auch.

Der stählerne Blitz, in den sich das niedersausende Krummschwert des Angreifers verwandelte, und der mit tödlicher Zielsicherheit auf Torian zuschoß, traf den Laa vor ihm, der nicht einmal den – wahrscheinlich ohnehin sinnlosen – Versuch machte, seine eigene Waffe zum Schutz hochzureißen. Sein Mund war zu einem stummen Todesschrei geöffnet, als er starb.

Diesmal überwand Torian seine Schrecksekunde beinahe augenblicklich. Noch bevor der Echsenkrieger Zeit zu einem weiteren Hieb fand, ließ sich Torian fallen, rollte zweimal um seine eigene Achse und packte das Schwert des Toten. Noch aus der Bewegung schlug er nach den geschuppten Beinen. Der Schlag hätte ihm die Waffe fast aus der Hand geprellt. Die Klinge fraß sich ein kleines Stück in eine der Panzerschuppen, prallte dann ab, ohne sie durchschlagen zu haben, und hinterließ nicht mehr als eine kaum sichtbare Kerbe.

Ein brennender Schmerz zuckte durch Torians Arm. Er sprang zurück, sah durch einen Schleier der Benommenheit, wie sich die Laa gemeinsam auf die Echse stürzten und sie durch ihre erdrückende Übermacht nach kurzem Kampf töteten, und kam wieder auf die Beine.

Der Echsenkrieger war nicht der einzige. Sie kamen an zerstörten Hütten vorbei und erreichten einen kleinen Platz, der von Fackeln erhellt wurde. Und überall erblickten sie plötzlich Echsen und Laa, die den gepanzerten Titanen verzweifelten Widerstand entgegensetzten. Es war mehr ein Schlachten als ein echter Kampf. Die Laa mußten völlig überrascht worden sein.

Ein Stück vor sich erkannte Torian einen der Angreifer mit einer reglosen Gestalt auf den Armen.

Shyleen.

Blindlings stürmte er vorwärts, wich reaktionsschnell einem Schwerthieb aus, den er im letzten Moment aus den Augenwinkeln sah, und dann hatte er sein Ziel erreicht. Er packte das Schwert mit beiden Händen und schlug aus vollem Lauf zu.

Diesmal war der Hieb hart genug, und durch seine Last fand der Echsenkrieger keine Gelegenheit, ihm auszuweichen, oder ihn mit seinem eigenen Schwert zu parieren. Mit einem trockenen Knacken zerbrachen seine Panzerplatten.

Hastig beugte sich Torian zu Shyleen herab. Erleichtert stellte er fest, daß sie noch lebte und nur ohnmächtig geworden war, dann mußte er sich einem weiteren Gegner zuwenden.

Der Kampf war ein einziger Alptraum. Ohne die Hilfe seiner Begleiter hätte er nicht einmal die ersten zwei Minuten überlebt. Die Laa trugen mit Abstand die Hauptlast dieses Kampfes. Sie wüteten schrecklich unter den Angreifern, aber für jede getötete Echse blieben selbst zwei oder drei von ihnen liegen, und längst schon wunderte sich Torian, daß er nicht selbst auch dazugehörte.

Obwohl die Laa einen lebenden Schutzwall um ihn bildeten, wurde er trotzdem ununterbrochen getroffen. Klauen, die hart und scharf wie Stahl waren, rissen seine Kleider auf und fügten ihm tiefe, blutende Wunden zu, Schwertklingen hieben nach ihm, ein paarmal begriff er selbst nicht, wie er es immer wieder im letzten Moment schaffte, ihnen auszuweichen. Es war, als hielte ein besonders aufmerksamer Schutzengel die unsichtbare Hand über ihn. Blindlings schlug er um sich. Die meisten seiner Hiebe glitten wirkungslos an den hornigen Panzerschuppen ab, nur selten gelang es ihm, eine der Echsen wirklich zu verletzen.

Aber schließlich verebbte der Kampf rings um ihn herum, und plötzlich war nur noch ein einziger Echsenkrieger übrig. Sein Schwert war zerbrochen, und er zog sich – nun mit deutlichen Anzeichen von Angst – bis zur Wand einer zerstörten Hütte zurück und schlug mit seinen Klauen nach allem, was sich ihm zu nähern wagte. Eine ganze Salve von Pfeilen traf ihn, aber nur drei oder vier durchschlugen die stahlharten Panzerschuppen. Der Gigant wankte, riß die Geschosse wütend aus seinem anscheinend nahezu schmerzunempfindlichen Körper und hieb mit schier unerschöpflicher Kraft nach den Laa, die ihn mit ihren Speeren festzunageln versuchten.