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Torian lächelte bei diesem Gedanken, sah sich nach Ayla um und schlenderte zu Shyleens Hütte hinüber, als er sie draußen nirgends entdeckte. Der Eingang war verschlossen, aber als Torian stehenblieb und lauschte, hörte er eindeutige Geräusche: Garth’ Stimme, Shyleens glockenhelles Lachen, und das Klappern und Klirren von Eßgeschirr, so daß er sicher war, nicht etwa zu stören oder gar in einem peinlichen Moment hineinzuplatzen.

Er räusperte sich übertrieben laut, trat mit gesenktem Kopf in die Hütte und erwiderte Garth’ fröhlichen Gruß mit erhobener Hand. Shyleen sah ihn nur an, aber vielleicht zum allerersten Mal überhaupt, seit er sie kannte, bemerkte er einen Ausdruck wirklicher Freundschaft in ihrem Blick. Es tat gut, dachte er, Freunde zu haben.

»Hallo, Torian«, begrüßte ihn Garth, lächelnd, in fast aufgeräumter Stimmung, und begleitete seine Worte mit einer einladenden Geste auf die dünne Bastmatte, die den Boden bedeckte. Torian dachte an Ayla, die jetzt vielleicht schon zurück sein und ihn vermissen mochte, folgte der Einladung aber dann trotzdem; immerhin brauchte er ja nicht lange zu bleiben. Er setzte sich und nahm einen Schluck von dem leichten Wein, den Shyleen ihm reichte.

»Wir planen gerade den morgigen Tag«, sagte Garth. Seine riesige Hand legte sich bei diesen Worten auf Shyleens Schulter, und Torian registrierte mit einem leisen Gefühl von Verwirrung, daß sich die Magierin wie selbstverständlich an Garth’ Seite kuschelte. Warum irritierte ihn dieser Anblick eigentlich so?

»Shyleen und ich wollen einen Ausflug in die Berge unternehmen«, fuhr Garth fort, als Torian nicht auf seine Worte reagierte. »Warum begleitest du uns nicht?«

»Morgen?« Erneut spürte Torian ein sonderbares Gefühl von Irritation, und erneut konnte er es sich nicht erklären. Irgend etwas Besonderes war morgen. Aber er hatte vergessen, was.

Garth nickte geschäftig. »Wieso nicht?« fragte er. »Wir sind bis zum Abend zurück. Immerhin«, fügte er mit einem fast verschmitzten Lächeln hinzu, »wollen wir ja das große Fest nicht verpassen, oder?«

»Was für ein ... Fest?« fragte Torian schleppend. Das Denken fiel ihm immer schwerer. Garth’ Worte waren falsch, falsch, falsch, aber er wußte einfach nicht, wieso.

»Was für ein Fest?« Garth schürzte die Lippen und lachte, ein bißchen zu laut und ein bißchen zu abfällig, als daß es echt klingen konnte. »Du machst Scherze, wie?« fragte er. »Shyleens Krönung natürlich.«

»Shyleens Krönung?« wiederholte Torian verwirrt. »Was für eine ... Krönung?« Seine Gedanken liefen immer schleppender ab. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren, hatte Mühe, Garth’ Worte überhaupt noch zu verstehen, geschweige denn, ihnen irgendeinen Sinn abzugewinnen. Er spürte nur, daß irgend etwas falsch war, irgend etwas ganz und gar nicht so lief, wie es sein sollte. Was war nur mit dem nächsten Tag?

Garth runzelte übertrieben geschauspielert die Stirn und legte den Kopf schräg. »Sag mal – ist das jetzt ein Scherz, oder hat man dir wirklich nichts gesagt?« fragte er.

»Was – gesagt? Ich weiß von nichts.« Er tauschte einen fast hilfesuchenden Blick mit Shyleen, aber auch in ihren Augen war nur eine leise Verwunderung zu erkennen; und der gleiche, mühsam unterdrückte Spott wie in Garth’ Blick.

»Sie machen unsere kleine Shyleen zu ihrer Königin«, erklärte Garth. »Heute Morgen war eine Abordnung der Ältesten hier, während du...« Er grinste anzüglich. »... nun ja, mit Ayla beschäftigt warst.«

»Ihrer Königin«, echote Torian dümmlich. »Wieso? Sie sind doch bislang sehr gut ohne ...«

Garth grinste und drohte ihm spielerisch mit dem Zeigefinger. »Jetzt beschwer dich nicht«, sagte er. »Immerhin hast du die Stelle als Obergott nicht haben wollen, oder? Und wieso auch nicht? Sie ist eine Magierin.« Er zuckte mit den Achseln, als wäre dies nicht allein Begründung genug. »Die Laa brauchen einen Führer«, fuhr er fort, ehe Torian irgend etwas einwenden konnte. »Sie brauchen ihn schon lange.«

»Aber sie —«

»Sie sind ein gutes Volk«, fiel ihm Shyleen ins Wort. »Aber sie werden den Krieg gegen die Echsen verlieren, wenn sie niemanden finden, der ihnen hilft.«

»Und du bist dieser jemand’?« vergewisserte sich Torian.

Shyleen nickte. »Warum nicht? Mit Garth’ und deiner Hilfe sollte es uns gelingen, diese Schuppengesichter zum Teufel zu jagen, oder?«

Echsen? dachte Torian. Der Schleier, der sich über seine Erinnerungen gelegt zu haben schien, riß ein ganz kleines Stück auf. Es gab diese Echsenkrieger. Er hatte nicht mehr an sie gedacht, hatte sie schlichtweg vergessen. Aber da war noch etwas, etwas, das mit den Echsen eng verbunden war. Mühsam versuchte er, sich zu erinnern.

»Und ... der Tempel?« fragte er zögernd. Es kostete ihn Mühe, die Worte auszusprechen. Es war, als wollte ihn irgend etwas daran hindern, es zu tun.

»Tempel?« Shyleen sah ihn einen Moment lang irritiert an; und für die gleiche, unendlich kurze Zeitspanne hatte Torian das Gefühl, daß sie nicht einmal wußte, wovon er eigentlich sprach. Dann lächelte sie flüchtig und nervös und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sicher, der Tempel«, ging sie auf seine Frage sein. »Wir finden ihn. Sobald wir mit diesen Echsen fertig sind. Es wird nicht lange dauern.«

Nicht lange dauern ?! dachte er entsetzt. Aber sie –

Etwas fuhr wie ein unsichtbarer, stählerner Besen in seinen Kopf und wischte den Gedanken beiseite, und plötzlich kam er sich selbst lächerlich und dumm vor. Natürlich hatte Shyleen recht – sie hatten so viele Mühen auf sich genommen, so viele Gefahren überlebt und so viele Strapazen durchlitten, um den Tempel der Unsterblichkeit zu finden, daß es wirklich keine Rolle mehr spielte, ob sie ihn ein paar Tage früher oder später aufsuchten. Bei allen Göttern, die Unsterblichkeit wartete auf sie – spielte es da irgendeine Rolle, ob sie jetzt oder in einer Woche oder in einem Monat ans Ziel gelangten?

Er lächelte. »Natürlich«, sagte er. »Ich begleite euch gerne, morgen. Aber jetzt entschuldigt mich – Ayla wartet sicher schon.«

Garth grinste breit. »Laß dich nicht aufhalten. Wir beide vertreiben uns die Zeit schon allein. Morgen bei Sonnenaufgang. Und bring einen guten Wein mit, damit wir unterwegs nicht verdursten.«

»Das werde ich«, versprach Torian.

Ohne ein weiteres Wort verließ er die Hütte.Wie er befürchtet hatte, wartete Ayla bereits auf ihn. Torians schlechtes Gewissen rührte sich spürbar, als ihm klar wurde, daß das Mädchen in Sorge um ihn gewesen sein mußte, schließlich hatte er ihr weder gesagt, wohin er ging, noch, wie lange er ausblieb. Aber sie verlor kein Wort über seine Abwesenheit, und auch in ihrem Blick war nicht einmal die Spur irgendeines Vorwurfes, als sie aufsah und ihn anlächelte.