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Garth drehte sich um, grinste flüchtig und kam mit raschen Schritten hinter Torian her. »Das dürfte sie einen Moment aufhalten«, stellte er feixend fest.

»Ich hoffe, du hast niemanden umgebracht«, erwiderte Torian ernst. »Ich will keine Toten.«

»So?« Zwischen Garth’ Brauen entstand eine tiefe Falte. »Aber ich fürchte, sie«, sagte er mit einer Kopfbewegung nach unten. »Zwei, um genau zu sein. Ich hoffe, ein paar haben sich die Hälse gebrochen. Dann habe ich wenigstens eine kleine Befriedigung, wenn ich zur Hölle fahre.«

Torian widersprach nicht mehr. Er hatte es bisher absichtlich vermieden, einen der Krieger zu töten. Aber jetzt war nicht die Zeit, mit Garth darüber zu streiten. Das konnten sie später. Wenn sie überhaupt noch einmal Gelegenheit bekamen, miteinander zu streiten.

Rasch durchquerten sie den Gang, liefen die Treppe hinauf und standen nach gut zwei Dutzend Stufen vor einer weiteren Tür, Als Torian den Riegel zurückschob, erscholl unter ihnen ein dumpfes Poltern und Krachen. Garth zog eine Grimasse.

Die Tür führte auf einen-breiten, auf einer Seite von einer zinnengekrönten Brustwehr gesäumten Wehrgang hinaus, wie sie vermutet hatten. Aber Torian machte nur einen einzigen Schritt, ehe er abrupt stehenblieb, hörbar die Luft einsog und dann – sehr behutsam – sein Schwert zu Boden legte und die Hände weit vom Körper abspreizte. Garth folgte nach kurzem Zögern seinem Beispiel. Sie waren vom Regen in die Traufe geraten. Die Tür führte zwar auf die Mauerkrone hinaus, und soweit Torian erkennen konnte, war die Mauer an dieser Stelle nicht so hoch, daß ein Sprung in die Freiheit gänzlich unmöglich gewesen wäre; wenigstens für einen durchtrainierten Mann.

Aber es gab etwas, was entschieden dagegen sprach.

Die geschliffenen Metallspitzen eines halben Dutzends Pfeile, die auf ihn und Garth gerichtet waren.

Der Raum mußte tief unter der Erde liegen. Die Wände waren grau von Feuchtigkeit und Schimmelpilz, und an der Decke hatten Fackeln und Kohlefeuer ein Jahrhundert oder länger ihre Rußspuren hinterlassen. Die Luft war schlecht und roch nach Moder und Krankheit, und die fingerdicken Metallgitterstäbe, die die Kammer in zwei ungleiche Hälften unterteilten, waren von Rost zerfressen. Torian hatte versucht, sich den Weg zu merken, aber die schwarzgekleideten Krieger, von denen Garth und er hier heruntergeschleift worden waren, hatten sie durch ein wahres Labyrinth fensterloser Korridore und Treppen geführt, so daß er schon nach wenigen Augenblicken die Orientierung verloren hatte. Seit einiger Zeit hörte er das Rauschen von Wasser, sehr weit entfernt und gedämpft, aber trotzdem deutlich.

Sein Kopf dröhnte, und seine Arme schmerzten schon jetzt von der unbequemen Haltung, in der er an die Wand gefesselt war. Die Krieger hatten Garth und ihn kurzerhand niedergeschlagen, um jede weitere Möglichkeit zur Flucht von vornherein auszuschließen. Er hatte das Bewußtsein zwar nicht verloren, war aber halb betäubt gewesen und konnte sich nur noch unklar an Einzelheiten erinnern. Garth schien es nicht viel besser zu ergehen – sein von der Verletzung ohnehin geschwächter Körper baumelte schlaff an den eisernen Ringen, mit denen er an die Wand gekettet war. Seine Augen standen einen Spaltbreit offen, aber Torian bezweifelte, daß er viel von seiner Umgebung wahrnahm. Speichel lief über sein Kinn und tropfte auf seine Brust hinunter.

Torian bewegte vorsichtig den Kopf hin und her und richtete sich ein wenig auf, so daß sein Körper nicht mehr allein von den Ketten gehalten wurde und die scharfkantigen Eisenringe weniger schmerzhaft in seine Handgelenke schnitten. Prüfend hob er die Arme. Trotz der Sorgfalt, mit der sie gebunden worden waren, konnte er Arme und Beine ein wenig bewegen und sich so eine – wenigstens einigermaßen – bequeme Position suchen. Allerdings waren die Ketten zu kurz, als daß er sich hätte setzen oder wenigstens hinhocken können. Er würde aufrecht an der Wand stehen oder allerhöchstens lehnen müssen, eine wenig erholsame Haltung. Aber er hatte das Gefühl, daß sie nicht so lange hier sein würden, als daß dies zu einem Problem werden könnte.

Garth bewegte stöhnend den Kopf. Ein schmerzhaftes Zucken lief über seine Züge. Aber er reagierte nicht, als Torian seinen Namen rief, sondern sank nach wenigen Augenblicken wieder schlaff in sich zusammen.

Torian sah ihn besorgt an. Die Männer hatten sie nicht heftig genug geschlagen, um sie ernsthaft zu verletzen; offensichtlich hatten sie großen Wert darauf gelegt, Garth und ihn lebend in die Hände zu bekommen. Aber der Dieb war schon vorher am Ende seiner Kraft gewesen. Das Geräusch harter Schritte drang in Torians Gedanken. Müde hob er den Kopf und blickte an den Soldaten, die jenseits des Gitters Aufstellung genommen hatten, vorbei. Ein Mann kam den Gang entlang, in mattes Schwarz und reißende Stacheln gekleidet wie die Krieger, denen sie bisher begegnet waren, aber barhäuptig und ohne sichtbare Bewaffnung. Auf seinem Brustpanzer schimmerte ein goldener, sechszackiger Stern, in dessen Zentrum ein stilisiertes Auge eingraviert war. Mit raschen Schritten näherte er sich der Zelle, blieb dicht vor den Gitterstäben stehen und musterte Garth und Torian einen Moment lang abschätzend. Auf seinen Zügen war nicht die geringste Regung abzulesen, aber der Blick seiner dunklen, tief in den Höhlen liegenden Augen war hart. Hinter ihm näherte sich ein zweiter Mann, anders als er, nicht mit einer Rüstung, sondern einem grauen, bodenlangen Gewand bekleidet. Torian hatte das flüchtige Gefühl, sein Gesicht schon einmal gesehen zu haben. Aber der Gedanke entschlüpfte ihm, ehe er sich darüber sicher war.

»Aufschließen«, befahl der Schwarzgekleidete knapp. Einer der Krieger zog einen schweren, eisernen Schlüssel unter seinem Umhang hervor, entriegelte das Schloß und öffnete die schmale Tür, die in das Gitter eingelassen war. Die Hast, mit der er dem Befehl nachkam, ließ darauf schließen, daß es sich bei dem Neuankömmling um eine sehr hochgestellte Persönlichkeit handeln mußte.

Der Mann näherte sich zuerst Garth, betrachtete ihn für die Dauer eines Atemzuges und trat dann auf Torian zu. Zwei seiner Soldaten begleiteten ihn wie stumme, tödliche Schatten.

»Sprichst du unsere Sprache?« fragte er knapp.

Torian rang sich ein gequältes Lächeln ab, obwohl ihm im Moment eher zum Heulen zumute war. »Nein«, antwortete er. »Aber du meine.«

Die linke Augenbraue des Mannes rutschte ein Stück nach oben. Seine Hand machte eine rasche, kaum sichtbare Bewegung.

Torian spannte sich, aber er nahm dem Hieb dadurch kaum etwas von seiner Wucht. Die behandschuhte Faust des Kriegers traf ihn mit grausamer Kraft am Mund, warf seinen Kopf zurück und gegen die Wand und ließ seine Unterlippe aufplatzen. Torian stöhnte. Vor seinen Augen tanzten plötzlich feuerfarbene Kreise.

»Verstehst du mich jetzt besser?« fragte der Mann ruhig.

Torian nickte schwach. »Ich... spreche deine Sprache«, stöhnte er.

Wieder hob einer der Krieger die Hand, aber der Mann hielt ihn mit einer raschen, befehlenden Geste zurück.

»Hüte deine Zunge, Garianer«, zischte der Krieger, der ihn geschlagen hatte. »Wenn du mit General Worn sprichst, hast du ihn mit Hoheit oder General anzureden.«

»Jawohl... Hoheit«, preßte Torian hervor. Er war nahe daran, nun wirklich das Bewußtsein zu verlieren, aber er wußte, daß das unter Umständen sein Todesurteil sein konnte. Worn schien kein sehr geduldiger oder nachsichtiger Mensch zu sein. Torian traute ihm durchaus zu, Garth und ihn kurzerhand aufhängen zu lassen, wenn er keine Antworten von ihnen bekam. Oder die falschen. »Dann ist es gut«, Worn nickte. »Ich glaube, du bist ein ganz vernünftiger Mann. Wie ist dein Name?«

»Tor... Torian«, würgte Torian hervor. Er war kein Feigling, aber es war sinnlos, sich weiter von Worns Begleitern schlagen zu lassen. Sie würden ihn so oder so zum Reden zwingen, das wußte er. Er hatte immer zu den Männern gehört, die ihre Grenzen kannten.

»Torian«, wiederholte er halblaut. In seinem Mund war plötzlich bittere Galle, und er hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Prüfend fuhr er mit der Zungenspitze über seine Zähne. Sie schmerzten, waren aber nicht locker. Worns Männer schienen genau zu wissen, wie sie zuzuschlagen hatten. »Torian«, richtete Worn das Wort an ihn. »Gut, Torian. Ich will es kurz machen. Du weißt, daß wir nicht viel Zeit haben. Eure Truppen stehen vor der Stadt und werden wahrscheinlich noch im Laufe des Tages angreifen. Wenn du Wert darauf legst, dann noch am Leben zu sein, solltest du reden.«