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»Beiß die Zähne zusammen«, sagte er. »Es wird weh tun.«

Torian kam nicht dazu zu protestieren. Bagain nahm eine Handvoll grauer Brennmoos-Stränge aus seinem Bündel, preßte sie ohne ein weiteres Wort auf die Wunde und grinste, als Torian mit Mühe ein Stöhnen unterdrückte.

»Du bist ein verdammter Sadist, Bagain«, preßte Torian zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Bagain nickte. »Sicher. Einen Spaß muß der Mensch doch haben, oder?«

»Warum quälst du mich eigentlich noch?« protestierte Torian. »In ein paar Stunden ist doch sowieso alles vorbei. Glaubst du, es spielt eine Rolle, ob ich mit einem entzündeten Bein zur Hölle fahre oder nicht?«

Bagain ignorierte seine Worte, nahm eine Rolle weißen Tuches aus seinem Sack und begann, Torians Bein rasch und geschickt zu verbinden. Abschließend streifte er das zerschnittene Hosenbein herunter, riß ein Stück des Saumes ein und knotete die Enden zusammen. Es sah alles andere als gut aus, aber es würde halten. »Besser jetzt?« fragte er, als er fertig war.

Torian funkelte ihn wütend an. Das Brennmoos schmerzte höllisch. Sein Bein prickelte bis über das Knie hinauf, und wahrscheinlich würde er vor Schmerzen schreien, wenn er jetzt versuchte, aufzustehen und es zu belasten. Aber er wußte, daß das Brennmoos helfen würde. Es würde das Gift aus der Wunde ziehen, und mit etwas Glück würde er am nächsten Morgen kaum noch etwas von der Wunde spüren.

»Danke«, murmelte er. »Es geht.«

Bagain nickte, beugte sich abermals über sein Bündel und förderte einen fast leeren Weinschlauch zutage. »Trink einen Schluck«, bot er ihm an. »Er wird dir guttun.«

Torian wollte instinktiv nach dem Schlauch greifen, führte die Bewegung aber nicht zu Ende.

»Nimm ruhig«, sagte Bagain mit einer auffordernden Geste. »Nur keine Hemmungen. Ich glaube nicht, daß ich das Zeug noch brauche.«

Torian zögerte noch einen Moment, griff aber dann nach dem Schlauch und nahm einen tiefen, gierigen Zug. Der Wein war warm und schmeckte widerlich, aber er löschte wenigstens den schlimmsten Durst. Er trank viel, viel mehr, als er gedurft hätte, und auf dem Boden des Schlauches plätscherten nur noch wenige Schlucke, als er ihn Bagain zurückreichte.

»Wie viele leben noch?« fragte er leise.

Bagains Gesichtsausdruck verdüsterte sich. »Elf«, antwonete er. »Mit uns.«

»Elf«, wiederholte Torian düster. Er hatte es gewußt. Trotzdem taten Bagains Worte weh. »Elf von fünfhundert. Dieser verdammte Narr Donderoin.«

»Donderoin ist tot«, versetzte Bagain. »Und es nutzt nicht viel, ihn zum Teufel zu wünschen.«

»Ich hoffe, er ist dort«, knurrte Torian.

Bagain ignorierte seine Worte. »Donderoin ist tot«, wiederholte er. »Aber wir leben. Und ich habe vor, diesen Zustand noch eine ganze Weile beizubehalten.«

Torian starrte ihn an, lachte rauh und sah sich demonstrativ in der Höhle um. »Ach ja?« spottete er. »Willst du dich durch die Felsen hindurchgraben, oder glaubst du, die Tremonen lassen uns laufen, wenn wir sie nur recht herzlich darum bitten?«

Bagain blieb ernst. »Wir sitzen in der Falle, Torian«, erklärte er. Seine Stimme war plötzlich sehr leise, und Torian begriff, daß er absichtlich flüsterte, damit die anderen seine Worte nicht verstanden. Man mußte den Männern nicht unbedingt auch noch sagen, daß sie eigentlich schon tot waren. Auch wenn sie es wahrscheinlich schon längst wußten.

»Wir sitzen in der Falle«, stellte Bagain noch einmal fest. »Wenn sie versuchen sollten, uns hier oben anzugreifen, werden sie sich blutige Köpfe holen, aber so dumm sind sie nicht.«

»Warum auch?« murmelte Torian. »Sie brauchen nur abzuwarten. Die Sonne wird die Arbeit für sie tun.«

»Vielleicht«, antwortete Bagain ernst.

»Vielleicht?« Torian setzte sich etwas bequemer hin und sah den Hauptmann scharf an. »Wie meinst du das?«

»Du hast völlig recht«, antwortete Bagain. »Wir werden verrecken wie die Ratten, wenn wir hierbleiben. Aber wir haben noch eine Chance. Vielleicht, heißt das.«

Torian schwieg weiter. Bagain wollte etwas von ihm, etwas ganz Bestimmtes sogar. Und er kannte den Hauptmann gut genug, um zu wissen, daß er es am schnellsten erfahren würde, wenn er den Mund hielt und ihn reden ließ.

»Es... war kein Zufall, daß wir ausgerechnet in dieses Tal gekommen sind«, fuhr Bagain nach einer Weile fort. Sein Blick wich dem Torians aus. »Donderoin hat seine Gründe gehabt, die Warnungen des Spähers und des Orakels zu mißachten. Er hat es nicht gerne getan, glaube mir.«

»Warum hat er es dann überhaupt getan?« fragte Torian lauernd. »Weil er es mußte. Wir hatten eindeutige Befehle von den Generälen in Scrooth, Torian. Dieses Tal ist ein Treffpunkt.«

»Ein Treffpunkt? Für wen?«

»Für uns – und dreihundertfünfzig Bogenschützen aus Lacom, die von Norden her die Berge überschreiten und hier zu uns stoßen sollten.«

»Die... Berge überschreiten?« wiederholte Torian ungläubig. »Jetzt? Im Hochsommer?!«

Bagain nickte knapp. »Ja«, sagte er. »Niemand außer Donderoin und uns Hauptleuten hat es gewußt, aber die Späher haben im letzten Jahr einen Paß entdeckt, der auch während der heißesten Sommermonate noch begehbar ist. Diese dreihundertfünfzig Männer sind erst der Anfang, Torian. Eine Art Test, wenn du so willst. Wenn es ihnen gelingt, die Berge auf diesem Wege zu überschreiten, dann haben wir in Zukunft eine Möglichkeit, den tremonischen Hunden in die Flanke zu fallen, ohne daß sie überhaupt wissen, wo wir herkommen.«

Torian war beeindruckt. Wenn Bagains Worte wahr waren – und er hatte keinen Grund, daran zu zweifeln –, dann konnte die Entdeckung des Passes durchaus den Verlauf des gesamten Krieges ändern. Tremon war nicht wirklich stärker als Scrooth. Es hatte einfach das bessere Gelände auf seiner Seite. Die Berge lagen wie eine natürliche Barriere zwischen Scrooth und seinen südlichen Provinzen. Tremons Heere konnten praktisch nach Belieben über die südlichen Städte herfallen, während die Truppen aus Scrooth gezwungen waren, wochenlange Gewaltmärsche in Kauf zu nehmen.

»Morgen bei Sonnenuntergang«, vermutete er.

Bagain nickte, sagte aber nichts mehr, sondern blickte ihn nur ernst an.

»Dreihundertfünfzig Mann«, fuhr Torian fort. »Die Tremoner werden laufen wie die Hasen, wenn sie sie sehen. Das könnte unsere Rettung sein.«

Bagain nickte erneut, schwieg aber noch immer, und Torian sprach, etwas leiser, weiter: »Aber wir halten nicht bis zum nächsten Sonnenuntergang durch.«

Wieder nickte der Hauptmann, ohne etwas zu sagen.

»Das heißt, jemand müßte ihnen entgegengehen und sie zur Eile antreiben.«

»Mit etwas Glück könnten sie bei Sonnenaufgang hier sein«, kalkulierte Bagain.

»Ein Selbstmordkommando«, fuhr Torian unbeeindruckt fort. »Das Tal wimmelt von Kriegern. Aus dieser Falle entkommt nicht einmal eine Maus, ohne mit Pfeilen gespickt zu werden.«

»Vielleicht«, murmelte Bagain. »Aber ein fähiger Mann könnte es schaffen. Es ist gefährlich, aber nicht vollkommen unmöglich.«

»Gefährlich?« Torian lachte sehr leise und ohne jeden Humor. »Weißt du, was sie mit Gefangenen machen, Bagain?«

Bagain nickte unbeeindruckt. »Ich weiß es. Und ich weiß auch, daß es fast unmöglich ist. Aber nur fast. Ein fähiger Mann könnte durch ihre Reihen schlüpfen. Trotzdem kann ich es niemandem befehlen. Deshalb brauche ich einen Freiwilligen.«

Torian zog eine Grimasse und setzte sich etwas weiter auf. »Ich vermute, du denkst dabei an einen ganz bestimmten Mann.«

Bagain nickte. »Ja.«

»Zufällig hat dieser Mann aber eine Pfeilwunde am Bein.«

»Du weißt ganz genau, daß du der einzige bist, der es überhaupt schaffen könnte«, erklärte Bagain leise. »Keiner von uns wäre fähig dazu.«

»Und ich auch nicht«, antwortete Torian zornig. »Verdammt, Bagain, das Tal wimmelt von Kriegern. Es ist vollkommen unmöglich, dort hinauszukommen. Und ich habe keine Lust, mich ein paar Tage lang zu Tode foltern zu lassen.«