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Schließlich zügelte Torian sein Pferd und wartete, bis Garth zu ihm aufgeschlossen hatte. »Dieses Gehöft«, fragte er, »was für Leute wohnen da?«

Garth zuckte mit den Achseln. Er sah Torian an, aber sein Blick blieb verschleiert. »Wir sind nur daran vorbeigezogen«, murmelte er. »Ein kleiner Hof; ein paar bestellte Felder und etwas Viehzeug. Nichts Besonderes, aber alles sah recht ordentlich aus.« Er lächelte matt. »Nichts, was sich zu stehlen lohnte.«

Torian ignorierte den letzten Satz. »Sind wir hier schon auf tremonischem Gebiet?«

Garth nickte und schüttelte gleich darauf den Kopf.

»Aha«, sagte Torian. »Sehr präzise.«

»Verdammt, ich weiß es nicht«, fauchte Garth. »So genau wurde die Grenze nie gezogen. Das ist ein karger Landstrich, und die wenigen Höfe werfen gerade genug zum Überleben ab. Es lohnt sich nicht einmal, hier Steuern einzutreiben. Meinst du, in Tidore hätte man nichts Besseres zu tun, als sich darum zu kümmern?«

»Ich will nur wissen, wie man uns empfängt. Immerhin tragen wir tremonische Uniformen.«

Garth machte eine wegwerfende Handbewegung. Sein Gesicht drückte aus, wie überflüssig ihm diese Fragen vorkamen.

»Wahrscheinlich werden sie sie nicht einmal erkennen«, sagte er unwillig. »Wir sind hier am Ende der Welt, vergiß das nicht. Es sollte mich wundern, wenn es sich schon bis hierher herumgesprochen hätte, daß Krieg herrscht.« Der Gedanke schien ihm wieder etwas Mut zu machen, denn sein Gesicht hellte sich auf. »Etwas Besseres kann uns überhaupt nicht passieren«, behauptete er. »Man wird uns nicht gerade begeistert empfangen, aber die Gesetze der Gastfreundschaft gelten auch hier. Los – komm. Ich glaube, ich kann unseren Mittagsbraten schon riechen.«

Er trieb sein Pferd an, aber das Tier war vollends am Ende seiner Kräfte. Es bewegte sich kaum schneller als zuvor, so daß Torian keine Mühe hatte, zu ihm aufzuschließen.

Mißtrauisch sah er sich weiter um, während er neben und ein kleines Stück hinter dem Dieb einherritt. Dieser Wald gefiel ihm nicht: er wirkte krank und irgendwie... verdorben, ohne daß er das Gefühl genauer in Worte fassen konnte. Die Stämme der weit auseinanderstehenden Bäume waren glatt und sahen hart aus, als wären sie schon längst versteinert, der Boden war geborsten wie zusammengebrannter Wüstensand, und nirgends regte sich eine Spur von Leben: kein Vogel, keine Tiere, nicht einmal ein Spinnennetz. Vielleicht war er einfach nur zu mißtrauisch – aber nach all dem Pech, das sie in letzter Zeit gehabt hatten, fiel es ihm schwer, noch an einen Zufall zu glauben, der sie erst den Bach und jetzt auch noch das Gehöft hatte finden lassen.

Natürlich mußte jede Pechsträhne irgendwann zu Ende gehen, und ein bißchen Glück hatten sie sich sicherlich verdient- aber auch dieser Gedanke vermochte sein Mißtrauen nicht völlig zu besänftigen.

Garth hatte sich nicht geirrt. Es dauerte nicht lange, bis das Gehöft vor ihnen auftauchte.

Sie hielten an. Torian hob den Arm, um die Augen mit der Rechten zu beschatten, und spähte mißtrauisch auf die Ansammlung ärmlicher Scheunen und Ställe, die sich um das Hauptgebäude gruppierten. Alles war sehr schäbig, nicht besonders sauber und einige Nummern kleiner, als er erwartet hatte, selbst nach Garth’ Worten, aber auch sehr friedlich und scheinbar von der Welt vergessen. »Es ist kein Mensch zu sehen«, sagte Torian. Er spielte nervös mit den Zügeln. »Weder auf dem Hof noch auf den Feldern. Schlafen die alle, oder haben deine Leute ihnen vielleicht doch einen Besuch abgestattet, den du vergessen hast?«

Garth starrte ihn wütend an. »Es waren nicht meine Leute«, fauchte er. »Und was hier los ist, weiß ich so wenig wie du. Wahrscheinlich«, fügte er gehässig hinzu, »haben sie dich gesehen und verkriechen sich jetzt vor Angst.« Er schnaubte. »Jetzt hör schon auf, Gespenster zu sehen.«

»Mir gefällt das nicht«, erwiderte Torian stur, lenkte sein Pferd aber dennoch den Hügel hinab. Wahrscheinlich hatte Garth recht, und man hatte sie schon längst entdeckt. Und es war ohnehin zu spät zum Umkehren.

»Irgend etwas stimmt da nicht«, murmelte er. Erwartungsgemäß bekam er keine Antwort. Er legte die Hand auf den Schwertknauf, wagte aber nicht, die Waffe zu ziehen. Schließlich kamen sie als Gäste, und es machte nicht unbedingt den besten Eindruck, wenn sie mit dem Schwert in der Hand um eine Mahlzeit und eine Unterkunft baten.

Aber die Unruhe blieb, während sie sich dem Gut näherten. Torian kam das Gehöft seltsam tot vor, obwohl er gleichzeitig spürte, daß die Stille ringsum täuschte: Er fühlte sich aus zahllosen Augen angestarrt, und da war etwas Lauerndes... Aber nicht einmal, als sie ihre Pferde in der Mitte des Hofes zügelten und abstiegen, zeigte sich ein Mensch.

Garth bildete mit den Händen einen Trichter vor dem Mund. »Ist hier jemand?« schrie er.

Weder Torian noch er selbst hatten mit einer Antwort gerechnet, aber sie bekamen sie.

Allerdings auf andere Art als erwartet.

Ein Pfeil zischte heran und bohrte sich kaum eine Handbreit vor ihren Füßen in den Boden, wo er wippend steckenblieb.

Torian reagierte trotz seiner Erschöpfung mit der Schnelligkeit eines Mannes, dem das Kämpfen und Überleben zum Beruf geworden war. Der Pfeil war aus dem halboffenen Tor der Scheune zu seiner Rechten abgeschossen worden. Er fuhr herum, rannte los, überwand die letzten Schritte mit einem gewaltigen Hechtsprung und kam im toten Winkel dicht neben dem Tor wieder auf die Beine. Noch in derselben Bewegung zog er sein Schwert und wirbelte mit einem Schrei um den Torpfosten herum. Nach dem grellen Sonnenlicht draußen war er im ersten Moment fast blind, aber er erkannte seinen Gegner immerhin als verschwommenen Schatten, der gerade einen neuen Pfeil an die Sehne legte.

Der Mann war nicht schnell genug. Torian schmetterte ihm mit einem Tritt den Bogen aus der Hand, drehte sein Schwert herum und traf ihn mit dem Knauf an der Brust. Der Mann wurde zurückgeschleudert und stürzte mit einem Schmerzensschrei zu Boden. Torian riß sein Schwert hoch und fuhr abermals herum, als er neben sich eine Bewegung wahrnahm. Metall blitzte. Irgend etwas traf seine hochgerissene Waffe, prallte davon ab und riß einen armlangen Splitter aus dem Türpfosten. Torian fluchte, sprang zurück – und stolperte über den Mann, den er gerade niedergeschlagen hatte. Diesmal entkam er dem Tod nur um Haaresbreite. Ein Speer zischte auf ihn herab, hinterließ einen blutigen Kratzer in seiner Wange und fuhr eine Handbreit tief in den Boden, dann traf ein Stiefel seine Seite und trieb ihm die Luft aus den Lungen. Torian wälzte sich herum, sprang in die Höhe und dann blindlings tiefer in die Scheune hinein. Ein weiteres Wurfgeschoß zischte dort durch die Luft, wo er gewesen wäre, hätte er sich nicht zur Seite geworfen. Er fiel und prallte sehr schmerzhaft auf, aber der Satz verschaffte ihm auch die Sekundenbruchteile, die er brauchte. Mit einem gellenden Schrei sprang er wieder hoch, packte sein Schwert mit beiden Händen, wirbelte herum – und ließ die Waffe wieder sinken. Angesichts des guten halben Dutzends metallener Pfeilspitzen, die auf ihn gerichtet waren, blieb ihm wohl kaum etwas anderes übrig ??? Die Haltung der Männer verriet Torian, daß sie nicht schießen würden. Nicht, wenn er sie nicht dazu reizte. Sie waren zu sechst oder siebent, aber er spürte, daß sie mindestens ebensoviel Angst vor ihm hatten wie er vor ihnen, trotz ihrer Überzahl und ihrer Bögen, denen er mit seinem Schwert kaum Paroli bieten konnte. Aber sie waren keine Krieger. Sie hatten Angst vor ihm, und es gab keinen gefährlicheren Gegner als einen, der Angst hatte, denn sie machte ihn unberechenbar.

Sehr vorsichtig senkte er sein Schwert vollends und hob die Hände. Die Männer rührten sich nicht, aber auf dem einen oder anderen Gesicht machte sich so etwas wie vorsichtige Erleichterung breit, und die Pfeilspitzen deuteten jetzt nicht mehr alle auf sein Gesicht.

Torian nutzte die verstreichende Zeit, um die Männer genauer zu mustern. Es handelte sich hauptsächlich um junge, kräftige Burschen, deren Muskeln von der harten Arbeit auf den Feldern gestählt waren. Nicht alle waren mit Bögen bewaffnet, einer hielt ein rostiges Schwert, ein anderer auch nur einen Knüppel und ein dritter gar eine Mistgabel in Händen. Sie trugen einfache, verschlissene Kleidung. Der Mann mit dem Schwert starrte nur so vor Schmutz, und auch die anderen waren nicht unbedingt sauber. Ihre Gesichter waren nicht einmal unsympathisch, sondern von der schlichten Einfältigkeit der Menschen, die nie so etwas wie Bildung genossen hatten – sie allerdings auch nicht vermißten. Aber etwas an ihren Gesichtern störte Torian. Sie wirkten irgendwie unfertig, fast maskenhaft starr, und irgendwie... ausdruckslos, trotz der Furcht, die er in den Augen der Männer las.