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»Seht nur, Pater.« Der Mann zeigte ihm seinen rechten Arm, entblößt vom Ellbogen bis zum Handgelenk. »Als ich heute morgen aufwachte, war dieser Arm entzündet. Vor fünf Tagen habe ich mich geschnitten.« Er zeigte auf eine feine, rosarote Linie, die auf halber Höhe immer noch undeutlich zu erkennen war. »Ich habe die Wunde nicht behandelt, und sie war infiziert. Die Haut wurde krank. Der Arzt Culpepper behandelte die Stelle mit Salben und Verbänden, aber sie wurde nicht besser.« Der Mann schaute in die Runde, und Athelstan sah, daß viele Gemeindemitglieder seine dramatische Geschichte mit aufgerissenen Augen und offenen Mäulern verfolgten.

»Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen, Pater. Das Jucken war so unerträglich.« Er fuhr sich mit der Zunge über die vollen Lippen. »Gestern hatten wir gehört, daß hier ein Heiliger gefunden worden sei.« Der Blick des Mannes wurde flehentlich. »Pater, ich war verzweifelt. Ich bin in Eure Kirche gegangen, habe mich an den Sarg gelehnt und um Hilfe gebetet.«

»Das stimmt.« Die junge Frau neben ihm ergriff das Wort. Sie wies auf einen Berg schmutziger Verbände vor der Kirchentür. »Mein Mann sagte, es gehe ihm besser. Der Schmerz und das Jucken hätten aufgehört.« Ihre lächelnden Augen schauten Athelstan beschwörend an. »Ich kann Euch nur erzählen, was passiert ist. Wir haben die Verbände abgemacht.« Sie deutete auf einen Wasserverkäufer, der die Straße hinuntereilte. »Ich habe eine Kanne Wasser gekauft und den Arm gewaschen. Und da war keine Entzündung, Pater. Die Haut war rein wie die eines Säuglings.« Ein Aufschrei des Erstaunens erhob sich nach ihrem Bericht. Athelstan betrachtete mißtrauisch den Arm des Mannes. »Ihr sagt, Ihr habt Euch an den Gemeindesarg gelehnt und ein Gebet gesprochen?«

Der Mann rollte den Mantelärmel herunter. »Es war so, wie ich gesagt habe, Pater. Ich war nicht mehr als zehn Minuten dort.«

»Ich habe gesehen, wie der Verband abgenommen wurde«, schrie Watkin. »Es ist wahr, Pater. Ein Wunder.« Die Leute bekreuzigten sich und schauten furchtsam zur Kirche hinüber.

»Pater«, rief Tab, der Kesselflicker, »was sollen wir jetzt machen?«

»Wir sollten den Mund halten, Tab, und einen kühlen Kopf bewahren. Kommt!« befahl Athelstan. »Alle in die Kirche! Pike, du gehst und holst den Arzt Culpepper. Sag ihm, ich bitte um Verzeihung, aber es ist wichtig, daß er sofort kommt.«

Die Gemeinde folgte Athelstan und dem Mann, der die Wunderheilung erfahren hatte, in die Kirche. Athelstan befahl allen, sich hinzusetzen und den Mund zu halten. Er ging wieder hinaus und lehnte sich an die Tür, während hinter ihm erneut aufgeregtes Getöse losbrach. Er hockte sich nieder und betrachtete den Haufen schmutziger Verbände: Sie waren mit dunklen Flecken übersät und stanken faulig. Athelstan untersuchte sie immer noch, als Pike mit dem verdrossen dreinblickenden Culpepper zurückkam. »Pater, was gibt es jetzt schon wieder?«

»Lieber Doktor, ich bitte um Entschuldigung, aber da ist ein Mann in der Kirche, einer Eurer Patienten. Er behauptet, er habe an einer Entzündung am Arm gelitten, und Ihr hättet die Stelle mit Salbe bestrichen und verbunden.« Culpepper zog sich den pelzverbrämten Mantel fester um die knochigen Schultern, und sein sonst humorvolles Gesicht wirkte jetzt gereizt und angespannt.

»Pater, ist das alles? Ich kann mich doch nicht an jede Verletzung erinnern!«

»Geht dort hinein«, bat Athelstan. »Geht hinein, schaut Euch den Mann an, untersucht seinen Arm, und dann kommt heraus und berichtet mir.«

Kopfschüttelnd und fluchend gehorchte Culpepper. Athelstan wartete draußen. Das Geplapper hinter ihm verstummte für eine Weile und brach dann erneut los, als Culpepper mit überraschter und bestürzter Miene aus der Kirche kam. »Nun?« fragte Pike, an Gesicht und Körper angespannt wie ein Windhund.

Der Arzt schaute Athelstan betreten an. »Es stimmt, Pater. Vor einigen Tagen kam Raymond D'Arques mit einer schrecklichen Hautentzündung zu mir. Ich habe sie sorgfältig untersucht, eine Salbe daraufgestrichen, den Arm verbunden und eine Gebühr kassiert.«

»Der Arm hatte die Fäule?«

»Eindeutig, Pater. Ein pilzartiger Ausschlag, der die Haut rauh machte und furchtbares Jucken verursachte.«

»Und der ist jetzt geheilt?«

»Ihr habt es gesehen, Pater. Und ich auch.«

»Könnte eine solche Infektion durch die Salbe geheilt worden sein, die Ihr daraufgestrichen habt?«

»Das bezweifle ich, Pater. Nicht in so kurzer Zeit. Solche Infektionen - ich habe sie schon oft gesehen - brauchen Wochen, ja Monate, bis sie abheilen. Aber die Haut ist jetzt gesund und frisch.«

Athelstan trat gegen den kleinen Haufen Verbandstoff. »Und das hier ist von Euch?«

Der Arzt hob die Verbände auf, ohne sich zu besinnen, und schnupperte aufmerksam daran. »Ja, Pater, und wenn Ihr sie nicht braucht - er braucht sie sicher nicht mehr -, nehme ich sie mit und verwende sie noch einmal.« Der Arzt trat dicht an Athelstan heran. »Ich kann es nicht erklären, Pater, und Ihr könnt es auch nicht. Und wieso sollte Gott in St. Erconwald keine Wunder wirken?« Er machte auf dem Absatz kehrt und stapfte die Straße hinunter.

Athelstan sah Pike an. »Was weißt du über diesen Raymond D'Arques?«

»Ein braver Mann, Pater. Er und seine Frau Margot leben an der Dog Leg Lane. Er hat ein ziemlich großes Haus beim Skinner's Yard.«

Athelstan lehnte sich an die Wand. Die Dog Leg Lane lag gerade noch innerhalb seines Pfarrbezirks. »Ich sehe sie aber nie in der Kirche«, brummte er. »Ah«, antwortete Pike, »weil er und seine junge Frau wohlhabend sind und nach St. Swithin gehen. Sie sind gute, fromme Menschen, Pater, und geben regelmäßig den Armen. Er ist ein anständiger Handwerker, beliebt und geachtet. Fragt den alten Bladdersniff. Der kennt jedermanns Geschäft.« Athelstan seufzte und kehrte in die Kirche zurück, wo seine aufgeregten Pfarrkinder Raymond D'Arques und seine Frau umdrängten. Der Mann winkte die anderen zur Seite und kam auf ihn zu.

»Pater«, flüsterte er, »es tut mir leid. Mein Arm war krank, und ich kam her, um zu beten. Ich kann nur Gott und Euch danken. Bitte nehmt dies.« Er drückte Athelstan eine Silbermünze in die Hand.

Der Priester trat zurück. »Nein, nein, das kann ich nicht.«

»Pater, Ihr müßt. Es ist mein Opfer. Wenn die Kirche es nicht will, gebt es den Armen.« D'Arques schloß Athelstans Finger um das Geld. »Bitte, Pater, ich werde Euch keine weiteren Ungelegenheiten machen. Margot«, rief er über die Schulter, »wir haben diesen armen Priester lange genug gestört.«

Er ging davon. Seine Frau lächelte Athelstan zu, berührte sanft seine Hand und schlüpfte lautlos zur Tür hinaus, ihrem Mann hinterher.

»Tja, Pater!« Watkin, der Mistsammler, baute sich mit verschränkten Armen und gespreizten Beinen vor seinem Pfarrer auf. »Tja, Pater«, wiederholte er, »nun haben wir unser Wunder. Die Heilung ist der Beweis: Wir haben einen Heiligen hier in St. Erconwald.«

Athelstan sah, wie die Augen des Mistsammlers beim Gedanken an den zu erwartenden Profit glitzerten. »Wallfahrten werden stattfinden«, rief der Sakristan. »St. Erconwald wird berühmt. Ihr könnt uns nicht hindern«, fügte er trotzig hinzu. »Ihr kennt das Kirchenrecht. Das Kirchenschiff gehört dem Volk. Dies ist unsere Kirche.« Er deutete mit dickem Finger auf das Querschiff. »Das ist unser Sarg, unser Skelett und unser Heiliger. Und wer anderer Meinung ist, kann sich gleich verpissen.« Ein Beifallschor begrüßte seine Worte. Athelstan schaute seine Gemeinde an. Wenn doch nur Benedicta da wäre, um die Wogen zu glätten! Athelstan erkannte die gefährliche Mischung aus religiösem Eifer und Profitgier, die in den anderen erwacht war. Tab, der Kesselflicker, würde jetzt in seine Werkstatt gehen und feine Amulette, Bildnisse und Kreuze zurechthämmern, und binnen eines Tages würde er damit handeln. Der Tuchwalker Amasias würde mit einem »E« bestickte Tücher feilbieten und behaupten, sie hätten die Überreste des Heiligen berührt. Der Maler Huddle würde Skizzen auf Pergament anfertigen. Pike würde seine Frau Brot und Zuckerwerk backen lassen und in unheiliger Allianz mit Watkin den Pilgern und Neugierigen einen Wegezoll abnehmen. Eine Woge des Bedauerns durchströmte Athelstan, aber er sah ein, daß dies nicht die Zeit für kühle Logik oder unverblümte Wahrheiten war.