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ich zu lösen versuchen.«

»Ich bin auch wegen eines Rätsels hier«, sagte der Prior und sah Athelstan an. »Sir John hat dir vielleicht schon erzählt, was sich in Blackfriars zugetragen hat. Jetzt ist noch Schlimmeres geschehen.« Er stellte seinen Becher hin. »Bruder Bruno ist auf geheimnisvolle Weise gestorben. Alcuin, der Sakristan, ist immer noch verschwunden. Roger, der Subsakristan … du erinnerst dich vielleicht an ihn, Bruder?« Athelstan nickte.

»Nun, er brabbelt Unsinn. Die Inquisitoren glauben, es ist Ketzerei im Spiel. Und jetzt…« Mit den Fingerspitzen schob er seinen Weinbecher hin und her. »Bruder Callixtus, der Bibliothekar, arbeitete gestern noch spät abends im Scriptorium - Gott weiß, warum. Er suchte etwas in den oberen Regalen. Nun, die Leiter rutschte weg, er stürzte ab und zerschmetterte sich das Hirn auf dem Steinboden.«

»Gott schenke ihm die ewige Ruhe«, murmelte Athelstan und bekreuzigte sich.

Er kannte alle Namen, die Pater Anselm genannt hatte, aber die Gesichter dieser Männer waren verschwommen und undeutlich. Einige hatte er vom Sehen gekannt, als er noch in Blackfriars gelebt hatte. Andere, wie Henry von Winchester und die beiden Inquisitoren, waren Gäste aus anderen Häusern. Athelstan stützte sich auf den Tisch und überlegte schnell. Wenn der Pater Prior eine Woche früher gekommen wäre, hätte er Athelstan in große Bestürzung versetzt, aber vielleicht wirkte Gott ja auf geheimnisvollen Wegen? Vielleicht wäre jetzt ein kurzer Aufenthalt fern von St. Erconwald das beste für ihn? Er schaute den Prior an.

»Was, glaubt Ihr, geht vor in Blackfriars?« Pater Prior starrte in seinen Becher. »Gott sei mein Zeuge«, flüsterte er. »Ich glaube, wir haben einen Sohn Kains in unserer Mitte, einen Mörder. Ich möchte, daß du und Sir John die Sache untersucht. Ich möchte, daß ihr sofort mitkommt.«

»Und St. Erconwald?« fragte Athelstan. Cranston beugte sich vor und tätschelte ihm die Hand. »Zerbrich dir nicht die Rübe deswegen, Pfaffe. Was da draußen vorgeht, könnte man als Landfriedensbruch bezeichnen. Ich schicke ein paar stämmige Wachtmeister mit einer Verfügung der Gemeindebehörden her, die die Kirche für jedermann schließen, mit Ausnahme der Arbeiter.« Athelstan nickte rasch. »Ja, ja«, meinte er, »das wäre am besten. Und nun, Pater Prior, erzählt mir genau, was in Blackfriars vorgeht.«

Er schloß die Augen und lauschte aufmerksam Pater Anselms Schilderung der Ereignisse der letzten Tage. »Also«, schloß Athelstan. »Wir haben eine Sitzung des Inneren Kapitels in Blackfriars, wo Henry von Winchester seine theologische Abhandlung gegen die Brüder Peter und Niall verteidigt, während unsere Freunde von der Inquisition dabeisitzen, um Ketzereien aufzuspüren.«

»Ja.«

»Und währenddessen sterben Bruder Bruno und Bruder Callixtus, Alcuin verschwindet, und Ihr scheint mir sehr besorgt über das Gebrabbel eines Schwachsinnigen zu sein.« Der Prior rieb sich die Augen. »Ich bin besorgt, weil Bruder Rogers Gebrabbel nach Alcuins Verschwinden begann. Weißt du, es heißt, Alcuin sei in die Kirche gegangen, um am Leichnam Bruder Brunos zu beten. Er verschloß die Tür hinter sich, weil er allein sein wollte. Das tat er oft. Bruder Roger klopfte an, aber weil niemand aufmachte, benutzte er einen zweiten Schlüssel, um hineinzukommen. Von Alcuin war keine Spur.« Der Prior verschränkte die Finger ineinander. »Aus irgendeinem Grund scheint Alcuins Verschwinden Bruder Rogers Verstand noch tiefer in die Finsternis gestoßen zu haben.« Er stand auf. »Du mußt kommen, Athelstan. Sir John wird sich um die Kirche kümmern. Ich ziehe es vor, dich zu bitten, aber wenn nötig, werde ich es dir als dein Ordensoberer auch befehlen.«

»Ich komme«, sagte Athelstan. Er stand auf und streckte sich. »Ein Urlaub von St. Erconwald wird wirklich erholsam sein. Pater Prior, geht nur zurück nach Blackfriars. Sir John und ich werden bald nachkommen. Ich möchte, daß Ihr die Mitglieder des Generalkapitels zusammenruft. Ich muß sie zusammen befragen.«

Pater Prior nickte, rückte den Gürtel seiner Kutte zurecht, und Athelstan sah ihm nach, wie er zu seinem Pferd ging, das bei der Kirchentreppe angebunden war. »Ach, Sir John?« Er drehte sich um. »Der Brief wegen Benedictas Ehemann. Er ist weg?«

»Wie ein abgeschossener Pfeil.«

»Gut.«

Athelstan ging hinaus auf den Vorhof und sah ein paar Kinder auf der Treppe spielen.

»Crim! Crim! Lauf so schnell du kannst zu Mistress Benedictas Haus und sag ihr, sie soll herkommen, bitte.« Er kehrte in die Küche zurück, wo Cranston sich schon wieder Wein nachschenkte. »Seht Euch vor, Sir John«, warnte er. »Ihr werdet Euren Verstand heute nachmittag noch brauchen.«

»Verflucht, ich brauche aber etwas zu trinken«, blaffte Cranston erbost. »Vor allem, wenn ich den Tag mit einer Meute miefiger Mönche verbringen soll.«

»Ordnungsliebende Ordensbrüder trifft es wohl eher«, erwiderte Athelstan scherzend.

Cranston rülpste.

»Lady Maude und den Kindern geht es gut?«

»Aye, aber ich werde in Blackfriars wohnen«, antwortete der Coroner. »Ich glaube, Lady Maude hat Wind bekommen von meiner blöden Wette. Du weißt ja, wie sie ist, Athelstan.« Cranston blies die Wangen auf. »Lady Maude meckert nicht, aber ich kann diese langen, traurigen Blicke nicht aushalten. Bruder« - er schaute Athelstan flehentlich an -, »das Problem muß gelöst werden.«

Athelstan wandte ihm den Rücken zu, damit Cranston nicht die Verzweiflung in seinem Gesicht sehen konnte. »Skelette, mysteriöse Todesfälle und ein Meuchelmörder im Kloster!« Athelstan schloß die Augen. »Oh, gütiger Gott, hilf uns!«

Er machte sich in der Küche zu schaffen, bis es an der Tür klopfte.

»Herein!« rief er.

Benedicta trat ein; ihr schönes Gesicht war jetzt ernst und besorgt. Sie nickte Cranston zu.

»Was ist passiert, Bruder? Warum schickt Ihr nach mir?« Athelstan führte sie zu einem Schemel und setzte sich dann neben sie.

»Benedicta, der Brief ist unterwegs, aber wir müssen auf Antwort warten. Ich muß die Pfarrei für eine Weile verlassen und nach Blackfriars gehen.« Sanft berührte er ihr Handgelenk. Cranston hustete verlegen und schaute weg. »Hör zu, Benedicta«, fuhr Athelstan fort. »Wenn ich fort bin, berufst du für heute abend eine Gemeinderatssitzung ein.« Er nahm seinen Schlüsselring vom Gürtel. »Ihr könnt euch hier treffen. Du mußt versuchen, sie zur Vernunft zu bringen. Kümmere dich um die Kirche. Beaufsichtige die Arbeiter; sie müßten in ein paar Tagen fertig sein. Füttere Bonaventura. Und, um Gottes willen, behalte Cecily im Auge.« Er grinste.

»Sie ist für Watkin und Pike noch wichtiger als dieses Skelett.«

Benedicta nahm die Schlüssel. »Seht Euch vor, Pater«, sagte sie leise. »Ihr werdet uns fehlen.« Und sie verschwand so lautlos, wie sie gekommen war.

»Ein braves Weib, das«, sagte Cranston spöttisch. »Ein wahrhaft gesundes Weib.« Taumelnd kam er auf die Beine, und sein mächtiger Wanst schwankte, während er seinen benebelten Verstand darauf konzentrierte, den Stopfen wieder in den Weinschlauch zu bringen. »Jetzt ein gutes Schläfchen«, brummte er, »und mir geht's wieder bestens.« Athelstan räumte eilig die Becher ab. Er wechselte die Kutte, wusch sich und holte seinen verschlissenen Sattel mit den Ledertaschen für Schreibtablett, Pergament, Federn und Tintenhorn herunter. Dann sattelte er den widerstrebenden Philomel, für den ein idealer Tag des Schlummerns zwischen den Mahlzeiten auf diese Weise abrupt zu Ende ging. Binnen einer Stunde führte Cranston, der abwechselnd schnarchend, rülpsend und furzend im Sattel saß, seinen »geliebten Schreiber«, wie er Athelstan nannte, hinunter zur London Bridge.

FÜNF

Sie mußten sich mühsam den Weg auf die andere Seite bahnen, denn die Karren, mit denen die Feldfrüchte zu den Märkten geliefert worden waren, verließen jetzt die Stadt, bevor die Abendglocke geläutet wurde. Auf dem Fischmarkt in der Bridge Street stank es nach ranzigen Heringen. Athelstan sah ein paar der faulen Fische, die die Händler immer noch loszuschlagen versuchten, und gelobte sich stillschweigend, vor den Fischpasteten, die in den Garküchen und Schenken serviert wurden, auf der Hut zu sein. An einem so schönen Tag war ganz London auf der Straße. Die Reichen in Kleidern aus rotbrauner Atlasseide drängten sich Schulter an Schulter mit Straßenjungen, deren dünne Leiber von schmutzigen, zerfetzten Lumpen nur notdürftig bedeckt waren. Ein Schar Prostituierter mit frisch geschorenen Schädeln wurde von einem Dudelsackpfeifer zu dem runden Gebäude namens »Tun« in der Cheapside geführt, wo sie zur Schau gestellt werden würden. Die beiden bogen nach links in die Ropery ein, wo die Verkaufsstände mit Schnüren, Seilen, Tauen und Zwirnen aller Art behängt waren, manche bunt gefärbt, andere in rostbraunen Rollen, die von Maurern und Bauhandwerkern gekauft wurden. Lehrjungen liefen umher und hielten Ausschau nach Kundschaft; sie griffen sogar in das Zaumzeug der Pferde, aber ein Blick auf den rotgesichtigen Cranston und den dunkel verhüllten Priester genügte, und sie wandten sich ab.