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DS Vermögen Sie Trost aus Literatur zu ziehen? Sich sogar über den Tod zu trösten?

RMB Literatur ist die Luft, die ich atme. Was nicht bedeutet, dass sie mich mit meinem Tod versöhnt. Sie versöhnt mich vielleicht mit Ihrem Tod. Ich persönlich wäre gern unsterblich.

DS Es gibt ja nicht mehr nur eine Wirklichkeit, aus der Romane entstehen, also die primäre Erfahrung der Endlichkeit, von Liebe oder Natur. Längst ist da eine zweite, eine virtuelle Wirklichkeit hinzugetreten, der Schriftsteller hört Radio oder sieht fern. Welche Rolle spielt diese Medien-Wirklichkeit für Ihr Schreiben? RMB Gar keine. Ich sehe nicht fern, außer den Wetterbericht (ich bin Farmerin, nicht zu vergessen) und Football (den ich liebe). Leider kann ich nicht allzu oft Football gucken, weil ich nicht selten sogar im Dunkeln draußen bin und arbeite. Ansonsten meide ich das Fernsehen. Radio höre ich nur, wenn ich in meinem Transporter sitze, und dann meistens den Klassiksender; allerdings lasse ich mich ab und zu verleiten, Country-Musik zu hören: Die vielen Leiden und Schwierigkeiten lassen einem das eigene Leben in einem viel milderen Licht erscheinen. (Ich nehme an, dass die Leser Country-Musik gehört haben. Ich nehme außerdem an, vielleicht unfairerweise, dass sie sie nicht ausstehen können.)

Mein Schreiben kommt aus dem, was ich sehe, fühle, berühre, höre, rieche und schmecke und was ich bei anderen wachsamen Geschöpfen beobachte. Ich schließe die Pflanzenwelt mit ein; denn dort gibt es zweifellos eine Intelligenz, die wir nicht verstehen. Wenn ein lebendiger Organismus sich anpasst, ist er intelligent. Das ist mein Credo.

DS InDie Sandburg taucht am Ende auch der Vietnamkrieg auf. Wie ist Ihre Haltung dazu?

RAAB Meine Generation ist in Vietnam gestorben. Wir wurden belogen, wurden hintergangen, als wir heimkehrten, und ich möchte wissen, ob es irgendeinen unter uns gibt, der je wieder einer Regierungsmacht vertraut. Ich hoffe nicht. Man muss die Augen weit offen halten.

DS Was hat Sie bewogen, nach so langer Zeit eine Geschichte über vertraute Gestalten zu schreiben - Julia, Louise und Nickel?

RAAB Sie sind in meinem Herzen lebendig. Sie fehlen mir so sehr. Es gibt Zeiten, da würde ich alles darum geben, um Mutter und ihre Schwester zu hören, wie sie sich gegenseitig zur Weißglut bringen.

Manchmal denke ich, meine Romane sind Partys. Sie sind alle eingeladen mitzufeiern.