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Während Oba sich mühsam wieder aufrappelte, sah er Clovis über ein Feuer am Straßenrand hinwegsetzen, über dem Streifen aufgespießten Fleisches gegrillt wurden, und zwischen angepflockten Pferden verschwinden. Für einen Buckligen war er ziemlich flink auf den Beinen. Aber Oba war groß und kräftig – und schnell war auch er; auf seine Leichtfüßigkeit hatte er sich schon immer etwas eingebildet. In hohem Bogen setzte er über das Grillfeuer hinweg und rannte zwischen die Pferde, um sein Opfer nicht aus den Augen zu verlieren.

Die rücksichtslos zwischen ihnen rennenden Männer ließen die Pferde scheuen; einige Tiere gerieten in Panik und bäumten sich auf, rissen ihre Leinen los und sprengten auf und davon. Plötzlich warf sich der Mann, der sie bewachte, Oba in den Weg und überhäufte ihn mit Flüchen und Beschimpfungen. Sein Augenmerk ausschließlich auf den Burschen gerichtet, den er verfolgte, wischte Oba den aufgebrachten Mann mit einer Handbewegung aus dem Weg. Immer mehr Pferde bäumten sich auf, während Oba ohne innezuhalten dem Dieb hinterherjagte.

Im Grunde brauchte Oba sein Geld nicht unbedingt zurück, schließlich war er jetzt vermögend. Aber hier ging es nicht um Geld, hier ging es um ein Verbrechen, um Verrat. Oba hatte den Mann bezahlt und ihm vertraut – und war im Gegenzug betrogen worden.

Schlimmer noch, er war für dumm verkauft worden. Seine Mutter hatte ihm stets eingeredet, er sei dumm. Oba der Einfaltspinsel, hatte sie ihn immer genannt. Oba würde nicht zulassen, daß ihn jemals wieder jemand zum Narren hielt; und er würde nicht zulassen, daß seine selbstgefällige Mutter Recht behielt.

Obas triumphale Rückkehr aus dem Sumpf, reicher denn je zuvor, war schließlich nicht Clovis’ Verdienst. Nein, die hatte er allein sich selbst zu verdanken. Gerade als er glaubte, wieder bettelarm zu sein, hatte er das Geheimnis eines Schatzes lüften können, der ihm letzten Endes aus einer ganzen Reihe von Gründen zustand.

Clovis hatte das alles ausgeheckt und ihn im Glauben, er sei tot, zurückgelassen. Er hatte ihn umbringen wollen. Daß Oba überlebt hatte, war ebenfalls nicht Clovis’ Verdienst. Wenn man es sich recht überlegte, war der Mann ein Mörder, ein Totschläger. Eigentlich wäre das Volk D’Haras Oba zu Dank verpflichtet, wenn er diesen gemeinen, kleinen Verbrecher einer schnellen gerechten Strafe zuführte.

Clovis flitzte um einen Eckstand herum, an dem Hunderte aus Schafshorn hergestellte Gegenstände feilgeboten wurden. Wegen seines größeren Gewichts schoß Oba über die Ecke hinaus und rutschte beim Versuch, den Körper herumzureißen, im Pferdemist weg, doch dank einer gewaltigen Kraftanstrengung und ebenso großen Geschicks gelang es ihm, sein Gleichgewicht zu wahren und sich auf den Beinen zu halten. Als Clovis sich spöttisch grinsend umdrehte, offenbar in der sicheren Erwartung, Oba im Morast zu sehen, mußte er mit Entsetzen feststellen, daß Obas massiger Körper in höchstem Tempo auf ihn zugeschossen kam.

Clovis, offenbar von der erschreckenden Erkenntnis getrieben, daß ihn die Gerechtigkeit zu ereilen drohte, stürzte sich in die nächstbeste provisorische Gasse. Mittlerweile war Oba unmittelbar hinter ihm, packte die flatternden Lumpen an der Schulter und riß Clovis herum, so daß der Kerl ins Straucheln geriet. Unbeholfen mit den Armen rudernd, versuchte er sich auf den Beinen zu halten und gleichzeitig zu entwischen.

Clovis’ Augen weiteten sich, erst vor Überraschung, dann wegen des Drucks der sich wie ein Schraubstock um seine Kehle schließenden Hand. Ob es ein Schrei war oder eine flehentliche Bitte, die er hervorzustoßen versuchte – an Obas eisenharten Fingern drang nichts vorbei.

Oba schleifte den um sich tretenden, sich windenden kleinen Dieb zwischen zwei Wagen. Der schmale Zwischengang lag wegen der Segeltuchplanen über den Wagen im Schatten. Am hinteren Ende des engen Zwischenraums stand ein Stapel Kisten. Oba blockierte die schmale Öffnung zwischen den zwei Ladeflächen mit seinem Rücken und sperrte damit alle neugierigen Blicke ebenso sicher aus wie eine Zellentür.

Hinter seinem Rücken hörte Oba in der morgenfrischen Luft vorübereilende Marktbesucher lachend und schwatzend ihren Geschäften nachgehen. Andere, etwas weiter entfernt, stritten und verhandelten mit Händlern über den Preis irgendwelcher Waren. Pferde trappelten vorüber, begleitet vom leisen Klirren ihres Zaumzeugs, Hausierer liefen die Straßen auf und ab, priesen in hohem, leierndem Singsang die Vorzüge ihrer Waren an und versuchten damit Käufer anzulocken.

Einzig Clovis gab keinen Laut von sich, wenn auch nicht ganz freiwillig. Der Straßenhändler hatte seinen verlogenen kleinen Mund weit aufgerissen, so als wollte er durchaus etwas sagen. Als Oba ihn mühelos von den Füßen hob und seine Augen ängstlich von einer Seite auf die andere rollten, war es zweifellos ein Hilferuf, der sich vergeblich einen Weg nach draußen suchte. Da er mit den Füßen nur ins Leere trat, versuchte er die kräftigen, um seinen Hals liegenden Finger zu lösen. Als er verzweifelt an der eisernen Faust der Gerechtigkeit zerrte, knickten seine schmutzigen Fingernägel ab, und seine Augen wurden so groß wie die Goldmünzen, die er Oba gestohlen hatte.

Mit einer Hand stemmte Oba ihn gegen eine der schweren Holzkisten im Hintergrund und durchwühlte seine Taschen, ohne jedoch fündig zu werden. Clovis deutete verzweifelt auf seine Brust. Oba ertastete eine Wölbung unter mehreren Schichten zerfetzter Lumpen, riß das Hemd auf und sah seinen altbekannten dicken Geldbeutel an einer Lederschnur um den Hals des Diebes hängen. Er zerrte daran, so daß sich die Schnur in den Hals des Mannes grub, bis das Leder schließlich riß.

Oba verstaute den Beutel wieder sicher in seiner Hosentasche. Clovis bemühte sich zu lächeln, eine reumütige Miene aufzusetzen, so als wollte er sagen, jetzt seien sie doch wieder quitt.

Nicht mit Oba! Sein Kopf hämmerte vor unbändigem Zorn. Als er dem kleinen Kerl seine Faust in den Unterleib rammte, lief Clovis violett an. Oba verpaßte ihm einen wuchtigen Schlag in seine dreckige kleine Visage und fühlte, wie Knochen brachen. Dann ließ er seinen Ellbogen gegen den verlogenen, hinterhältigen Mund vorschnellen und schlug ihm sämtliche Schneidezähne aus. Unter wütendem Geknurr versetzte Oba dem kleinen heimtückischen Kerl in schneller Folge drei weitere Schläge. Jeder Schlag warf Clovis’ Kopf in den Nacken, bei jedem Aufprall seines Hinterkopfs hinterließ sein fettiges Haar einen Blutfleck auf den Kisten.

Oba war wie von Sinnen. Er hatte die Schmach über sich ergehen lassen müssen, zum wehrlosen Opfer eines Diebes zu werden, der ihn für tot erklärt und zurückgelassen hatte. Er war von einer Riesenschlange angegriffen worden und wäre fast ertrunken. Althea hatte ihn verhöhnt und getäuscht und obendrein auch noch ohne seine Erlaubnis in sein Innerstes geblickt. Sie hatte ihn um seine Antworten betrogen, hatte ihn für seinen Versuch verdammt, etwas aus sich zu machen, und dann war sie auch noch gestorben, bevor er sie hatte umbringen können. Und er hatte einen langen Leidensweg in Lumpen durch die Azrith-Ebene hinter sich – er, Oba Rahl, praktisch ein Angehöriger des Herrscherhauses. Diese Schmach!

Er war wütend, und das völlig zu Recht. Und er konnte kaum glauben, das Ziel seines gerechten Zorns endlich vor sich zu haben. Unter wütenden Flüchen ließ er dem mörderischen kleinen Gauner Gerechtigkeit widerfahren.

Der Schweiß lief Oba in Strömen über das Gesicht. Keuchend drosch er unentwegt drauflos; seine Arme fühlten sich an, als wären sie aus Blei. Als seine Kräfte nachzulassen begannen, wurde das Hämmern in seinem Kopf ebenso heftig wie das Hämmern seiner Fäuste. Es bereitete ihm zusehends Mühe, sich auf das Ziel seines Zorns zu konzentrieren.

Der Boden war blutdurchtränkt. Was einstmals den Gauner Clovis ausgemacht hatte, war schon längst nicht einmal mehr entfernt zu erkennen. Sein Unterkiefer hing zertrümmert und vollständig ausgerenkt seitlich herab, eine Augenhöhle war komplett eingedrückt, mit den Knien hatte Oba ihm das Brustbein gebrochen ...