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»Das ist eines der herzlich wenigen Dinge, die ich in dieser Angelegenheit mit Sicherheit weiß. Ich weiß weiterhin aus den Prophezeiungen, daß Ihr derjenige seid, dem es bestimmt ist, zu gehen; Ihr müßt es allerdings aus freien Stücken tun. Ich fordere Euch hiermit auf, eben dies zu tun.«

Friedrich schüttelte den Kopf, etwas entschiedener diesmal. »Ich bin nicht der Richtige dafür, begreift es doch. Ich fürchte, das alles interessiert mich mittlerweile einfach nicht mehr.«

Nathan zog einen Gegenstand unter seiner Pelerine hervor. Als er ihn Friedrich hinhielt, sah dieser, daß es sich um ein kleines Buch handelte.

»Nehmt dies«, forderte ihn der Zauberer auf die Stimme plötzlich voller Autorität.

Friedrich gehorchte und strich mit den Fingern über den uralten Ledereinband, während er den in Goldbuchstaben aufgeprägten Text studierte. Auf dem Einband standen vier Worte in einer Sprache, die Friedrich noch nie zuvor gesehen hatte.

»Dieses Buch stammt aus der Zeit des Großen Krieges vor Tausenden von Jahren«, erläuterte Nathan. »Ich habe es erst kürzlich im Palast des Volkes entdeckt, nach einer eiligen Suche unter den Tausenden von Bänden, die es dort gibt. Anschließend bin ich sofort hierher geeilt. Ich hatte noch keine Zeit, es zu übersetzen, daher weiß ich nicht, was drin steht.«

»Es ist vollständig in einer fremden Sprache verfaßt.«

Nathan nickte. »In Hoch-D’Haran. einer Sprache, die ich geholfen habe Richard beizubringen. Es ist lebenswichtig, daß er dieses Buch bekommt.«

»Richard?«

»Lord Rahl.«

Die Art, wie er die beiden Worte aussprach, ließen Friedrich frösteln. »Wenn Ihr es nicht gelesen habt, woher wißt Ihr dann überhaupt, daß es das richtige Buch ist?«

»Das sagt mir der Titel vorn auf dem Einband.«

Friedrich strich mit den Fingern sacht über die unverständlichen Worte. Die Goldauflage war nach all der Zeit noch immer makellos. »Darf ich Euch fragen, wie der Titel des Buches lautet?«

»Die Säulen der Schöpfung.«

41

Oba schlug die Augen auf, doch aus einem unerfindlichen Grund schien das nichts zu nützen; er konnte nichts sehen. Die Bestürzung darüber ließ ihn am ganzen Körper erstarren. Er lag auf dem Rücken, auf einer Art rauhem, kaltem Steinboden. Es war ihm ein absolutes Rätsel, wo er sich befand oder wie er dorthin gekommen war, seine erste und vernehmlichste Sorge aber galt der Tatsache, daß er offenbar erblindet war. Am ganzen Körper zitternd versuchte Oba, blinzelnd sein Sehvermögen zurückzugewinnen, doch es half nichts.

Ein noch weit schlimmerer Gedanke ließ ihn endgültig in Panik geraten, er überlegte, ob er womöglich wieder in seinem Verschlag eingesperrt war.

Oba hatte Angst, sich zu bewegen und dadurch seinen Verdacht zu bestätigen. Wie sie es angestellt hatten, war ihm schleierhaft, aber die Vorstellung, daß diese drei hinterhältigen Weiber – die widerwärtigen Hexenschwestern und seine geisteskranke Mutter – es irgendwie geschafft hatten, ihn wieder in das düstere Gefängnis seiner Kindheit zu sperren, ließ ihn schier verzweifeln. Vermutlich hatten sie sich aus ihrem Grab heraus verschworen und zugeschlagen, als er schlief.

Angesichts seiner ausweglosen Lage wie gelähmt, war Oba außer Stande, seine Gedanken zu ordnen.

Dann vernahm er plötzlich einen Laut. Er richtete seine Augen auf das Geräusch und nahm eine Bewegung wahr. Als sich die Umrisse langsam aus der Dunkelheit schälten, wurde ihm klar, daß es nur irgendein dunkler Raum war und doch nicht sein Verschlag. Eine Woge der Erleichterung überkam ihn, gefolgt von Verdruß. Was hatte er nur gedacht? Er war Oba Rahl, der Unbesiegbare. Wie konnte er das nur vergessen? Ganz in der Nähe hustete jemand. Aus einer anderen Richtung kam eine brummige Männerstimme, er solle die Klappe halten. Die Muskeln angespannt, verharrte Oba regungslos wie ein Berglöwe. Bemüht, seine Sinne wiederzuerlangen, ließ er den Blick vorsichtig durch den dunklen Raum wandern. Er war keineswegs, wie anfangs befürchtet, vollständig dunkel. Durch eine quadratische Öffnung in der Wand ihm gegenüber drang ein schwacher Lichtschein, möglicherweise von einer flackernden Kerze. In der Öffnung waren zwei senkrechte schwarze Linien zu erkennen.

Obas Kopf hämmerte noch immer, aber im Vergleich zu vorher ging es ihm bereits erheblich besser. Dann fiel ihm wieder ein, wie krank er sich gefühlt hatte. In der Rückschau wurde ihm bewußt, daß er überhaupt nicht begriffen hatte, wie krank er tatsächlich war. Als Junge hatte er einmal Fieber gehabt; vermutlich war es etwas ganz Ähnliches gewesen, ein Fieber. Wahrscheinlich hatte er es sich während seines Besuches bei dieser schauderhaften Sumpfhexe Althea eingefangen.

Oba richtete sich auf. aber davon wurde ihm schwindelig, also ließ er sich nach hinten gegen die Wand sinken. Sie war aus rauhem Stein, genau wie der Fußboden. Er rieb seine kalten, steifen Beine, streckte den Rücken. Dann rieb er sich die Augen und versuchte, den noch immer vorhandenen Nebel aus seinem Kopf zu vertreiben. Er sah Ratten, die mit zuckenden Barthaaren am Mauerrand entlang schnupperten. Trotz des widerlichen Gestanks in diesem Loch verspürte Oba einen Bärenhunger. Es stank nach Urin und Schlimmerem.

»Sieh an, der große Ochse ist aufgewacht«, meinte jemand auf der anderen Seite des Raumes. Die tiefe Stimme hatte einen spöttischen Unterton.

Oba linste hoch und erblickte Männer, die ihn anstarrten. Insgesamt befanden sich außer ihm fünf Mann in dem Raum. Sie schienen ein ziemlich heruntergekommener Haufen zu sein. Der Mann, der gesprochen hatte, drüben in der rechten Ecke, war der Einzige außer Oba, der saß. Sein freudloses Grinsen zeigte, daß sein ihm noch verbliebenes Gebiß kaum krummer und schiefer hätte sein können.

Oba ließ den Blick über die vier anderen stehenden, ihn anstarrenden Männer schweifen. »Ihr seht ja alle aus wie Verbrecher«, stellte er fest.

Schallendes Gelächter hallte durch den Raum.

»Wir wurden alle zu Unrecht verurteilt«, meinte der Mann in der Ecke.

»Genau«, pflichtete ein anderer ihm bei. »Wir gingen einfach unseres Weges, als die Wachen uns aufgriffen und völlig grundlos in dieses Loch warfen. Sie haben uns eingesperrt wie gemeine Verbrecher.«

Wieder ertönte Gelächter.

Oba glaubte nicht, daß es ihm gefiel, mit Verbrechern in einem Raum eingesperrt zu sein, denn er fühlte sich zu sehr an seinen Verschlag erinnert. Eine oberflächliche Überprüfung bestätigte seinen Verdacht. Sein Geld war weg. Eine Ratte auf der anderen Seite der Zelle beäugte ihn unter dem Türspalt hervor aus ihren kleinen knopfartigen Rattenaugen.

Oba hob den Blick von der Ratte zu der Öffnung, durch die der schwache Lichtschein fiel, und sah, daß die beiden Linien Gitterstäbe waren.

»Wo sind wir?«

»Im Palastgefängnis, du Hornochse«, meinte Krummzahn. »Oder findest du etwa, das sieht aus wie ein vernünftiges Bordell?«

Die anderen lachten über seinen Scherz. »Vielleicht die Sorte, die er besucht«, meinte einer, woraufhin das Gelächter lauter wurde. Drüben, auf der anderen Seite, beäugte ihn eine weitere Ratte.

»Ich habe Hunger. Wann bekommt man hier was zu essen?«, erkundigte sich Oba.

»Sieh an, er hat Hunger«, meinte einer der Stehenden höhnisch. Er spie angewidert aus. »Sie geben uns nur zu essen, wenn ihnen der Sinn danach steht. Gut möglich, daß du vorher verhungerst.«

Ein anderer Mann hockte sich vor ihn hin. »Wie heißt du?«

»Oba.«

»Was hast du angestellt, daß sie dich hier eingesperrt haben, Oba? Einer alten Jungfer ihre Jungfräulichkeit geraubt?«

Die anderen fielen in sein schallendes Gelächter ein.

Oba fand den Mann nicht witzig. »Ich habe nichts Unrechtes getan«, sagte er. Er mochte diese Männer nicht.

»Dann bist du also unschuldig, ja?«

»Ich weiß nicht, warum man mich hier eingesperrt hat.«

»Wir haben was anderes gehört«, meinte der Mann, der vor ihm kauerte.

»Allerdings«, pflichtete ihm der Hüter der Ecke bei. »Wir haben gehört, wie die Wachen sich unterhalten haben, du sollst einen Mann mit bloßen Händen totgeschlagen haben.«