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Jagang zuckte mit den Schultern. »Völlig sicher kann ich natürlich nicht sein, andererseits liefere ich mir schon durch die gesamten Midlands einen harten Kampf mit ihr. In der Vergangenheit stand sie mehrfach vor der Wahl und konnte sich entscheiden, so hart das bisweilen auch gewesen sein mag. Wir haben ihre Armee unmittelbar vor Wintereinbruch nach Aydindril hineingedrängt und anschließend gewissermaßen vor ihrer Haustür abgewartet. Jetzt haben sie und ihre Armee keine Alternativen und wegen der Berge ringsum auf allen Seiten auch keine Fluchtmöglichkeiten mehr. Selbst sie muß wissen, daß irgendwann der Augenblick kommt, da man sich einer Situation stellen muß. Ich denke, der Moment ist gekommen, da sie sich endlich entscheiden wird, Widerstand zu leisten und zu kämpfen.«

Sebastian spießte einen Fleischhappen auf. »Das klingt zu einfach.«

»Natürlich tut es das«, gab Jagang ihm Recht. »Genau aus diesem Grund muß ich die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß sie sich so entschieden hat.«

»Möglicherweise hat sie sich in die Berge zurückgezogen und nur gerade so viele Truppen zurückgelassen, um die Kundschafter und Patrouillen auszuschalten und Euch, wie Jennsen es andeutete, mit Blindheit zu schlagen.«

Jagang zuckte mit den Achseln. »Mag sein. Diese Frau ist vollkommen unberechenbar. Aber allmählich gehen ihr die Rückzugsmöglichkeiten aus, und früher oder später wird sie mit dem Rücken zur Wand stehen. Das mag vielleicht nicht ihrem Plan entsprechen, andererseits aber vielleicht doch.«

Jennsen war sich gar nicht bewußt gewesen, daß die Alte Welt solche Fortschritte beim Bekämpfen des Feindes gemacht hatte. Und auch Sebastian war sehr lange fort gewesen. Die Dinge standen für die Alte Welt nicht annähernd so aussichtslos, wie sie vermutet hatte. Trotzdem erschien ihr ein Risiko sehr groß, das nur auf vagen Mutmaßungen basierte.

»Und Ihr seid tatsächlich bereit, Eure Männer, in der Hoffnung, daß sie sich tatsächlich dort befindet, in einer solchen Schlacht aufs Spiel zu setzen?«

»Spiel?« Der Gedanke schien Jagang zu erheitern. »Begreift Ihr nicht? In Wahrheit ist es gar kein Spiel. Wir haben in beiden Fällen nicht das Geringste zu verlieren. In beiden Fällen wird uns Aydindril in die Hände fallen, wodurch wir endgültig einen Keil durch die Midlands treiben und damit die gesamte Neue Welt zweiteilen. Teile und herrsche, lautet das Motto des Triumphes.«

Sebastian leckte sein blutiges Messer ab. »Ihr seid mit ihrer Taktik besser vertraut als ich und könnt daher eher vorhersagen, wie ihr nächster Schritt aussehen wird. Aber wie Ihr bereits sagtet, ob sie nun beschließt, an der Seite ihres Volkes zu stehen und Widerstand zu leisten, oder ob sie es seinem Schicksal überläßt – die Stadt Aydindril und damit den Sitz der Macht in den Midlands werden wir in jedem Fall einnehmen.«

Der Kaiser starrte blicklos in die Ferne. »Dieses Weibsstück hat Hunderttausende von meinen Männern umgebracht, stets ist es ihr gelungen, mir einen Schritt voraus zu sein und sich meinem Zugriff zu entziehen, aber dabei ist sie der Wand mit dem Rücken immer näher gekommen – und zwar dieser Wand.« Er blickte auf, erfüllt von kalter Wut. »Gebe der Schöpfer, daß ich sie endlich zu fassen kriege.« Seine Knöchel am Griff des Messers waren weiß, seine Stimme die eines tödlichen Schwurs. »Ich werde sie in meine Gewalt bringen, und dann werde ich die Rechnung begleichen, eigenhändig.«

Sebastian versuchte den Ausdruck in den dämmrigen Augen des Kaisers einzuschätzen. »Dann stehen wir womöglich kurz vor dem endgültigen Sieg – zumindest in den Midlands. Wenn wir die Midlands erst einmal erobert haben, ist das Schicksal D’Haras unabwendbar besiegelt.« Er hielt sein Messer in die Höhe. »Und wenn sich die Mutter Konfessor in der Stadt aufhält, könnte dasselbe auch auf Lord Rahl zutreffen.«

Jennsen, der die wildesten Gedanken durch den Kopf gingen, ließ den Blick von Sebastian zum Kaiser wandern. »Wollt Ihr damit sagen, Ihr glaubt, daß ihr Gemahl, Lord Rahl, ebenfalls dort ist?«

Jagang grinste teuflisch. »Genau so ist es, junge Frau.«

Jennsen spürte, wie es sie beim Anblick des mörderischen Ausdrucks in seinen Augen eiskalt überlief. Sie dankte den Gütigen Seelen, daß sie auf Seiten dieses Mannes stand und nicht auf Seiten seiner Feinde. Trotzdem mußte sie noch die entscheidende Information loswerden, die Tom ihr anvertraut hatte. Sie spürte einen sorgenvollen Stich und wünschte sich, ein anderer als Tom hatte ihr die Bestätigung geliefert, obwohl genau genommen Sebastian ihr zum ersten Mal davon erzählt hatte.

»Lord Rahl kann unmöglich hier in Aydindril sein.« Die beiden Männer sahen sie verdutzt an. »Lord Rahl befindet sich tief unten im Süden.«

Jagang runzelte die Stirn. »Unten im Süden?«

»Er befindet sich in der Alten Welt.«

»Bist du ganz sicher?«, fragte Sebastian.

Jennsen sah ihn verwirrt an. »Das hast du mir doch selbst gesagt, daß er seine Eroberungsarmee in die Alte Welt geführt hat.«

Ein Ausdruck des Erinnerns hellte Sebastians Miene auf. »Ja, natürlich, Jenn, aber das war lange, bevor ich dich kennen gelernt habe – ich hatte noch nicht einmal unsere Truppen verlassen, als mir diese Berichte zu Ohren kamen. Das liegt schon sehr lange zurück.«

»Aber ich weiß, daß er auch danach noch in der Alten Welt war.«

»Was wollt Ihr damit sagen?«, knurrte Jagang mit schnarrender Stimme.

Jennsen räusperte sich ... »Die Bande. Das d’Haranische Volk spürt die Bande, die es mit Lord Rahl verbindet...«

»Und Ihr fühlt diese Bande auch?«, fiel ihr Jagang ins Wort.

»Nun, das nicht; bei mir sind sie nicht stark genug ausgeprägt. Aber während unseres Aufenthalts im Palast des Volkes bin ich Menschen begegnet, die behaupteten, Lord Rahl sei tief unten im Süden, in der Alten Welt.«

Der Kaiser dachte über ihre Worte nach, während er zu einer Frau hinüberschaute, die mit Platten voller Obst, Zuckerwerk und Nüssen eingetreten war. Sie machte sich an einem abseits stehenden Beistelltisch zu schaffen, da sie offenbar nicht näher kommen und den Kaiser und seine Gaste stören wollte.

»Aber Jenn das hast du doch schon letzten Winter gehört, als wir noch im Palast waren. Hat es dir seitdem jemand bestätigt, der diese Bande ebenfalls spürt?«

Jennsen schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«

»Sollte die Mutter Konfessor tatsächlich die Absicht haben, in Aydindril Widerstand zu leisten«, meinte Sebastian nachdenklich, »dann wäre es möglich, denn im letzten Bericht aus dem Süden hieß es, er sei nach Norden gezogen, um der Mutter Konfessor beizustehen.«

Jagang schob seinen Oberkörper tief über das vor ihm liegende, blutige Stück Fleisch. »Das ist typisch für sie, verrucht bis zum bitteren Ende. Ich befasse mich mittlerweile schon sehr lange mit den beiden und weiß aus Erfahrung, daß sie die geringste Gelegenheit auf ein Zusammensein wahrnehmen, sobald sie sich ihnen bietet – und sei es im Tod.«

Die tiefere Bedeutung seiner Worte war geradezu Schwindel erregend. »Das heißt ... wir könnten sie in unsere Gewalt bekommen«, meinte Jennsen leise, fast so, als spräche sie zu sich selbst. »Und Lord Rahl auch. Der Alptraum könnte schon bald ein Ende haben. Es könnte sein, daß wir alle am Vorabend unseres endgültigen Triumphes stehen.«

Jagang trommelte mit den Fingern auf den Tisch, lehnte sich zurück und ließ den Blick vom einen zum anderen wandern. »Es fällt mir zwar äußerst schwer zu glauben, daß Richard Rahl auch in der Stadt sein soll, aber nach allem, was ich über ihn weiß, könnte er sich durchaus entschlossen haben, ihr eher beizustehen und gemeinsam mit ihr in den Tod zu gehen, als zuzusehen, wie ihm alles, Stück für gottverdammtes Stück, entgleitet.«

Die Vorstellung, die beiden könnten Seite an Seite ihr Ende erwarten, versetzte Jennsen völlig unerwartet einen schmerzhaften Stich, denn es entsprach absolut nicht dem Wesen eines Lord Rahl, etwas für eine Frau zu empfinden, und schon gar nicht, ihr im Augenblick ihrer Niederlage im Krieg um ihre Heimat oder gar ihres eigenen Todes beizustehen. Ein Lord Rahl wäre eher um seine eigene Heimat und sein eigenes Leben besorgt.