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Das donnernde Getrappel der Soldatenstiefel hallte drinnen durch die große Eingangshalle. Hohe, zwischen Pfeiler aus poliertem weißem Marmor eingelassene Fenster aus blaßblauem Glas warfen Lichtbalken über den Marmorboden, wo der Sturmtrupp vorüberhastete, auf dem Weg in die oberen Stockwerke, wo sie die Mutter Konfessor und Lord Rahl gesehen hatten, die erste Treppenflucht hinauf.

Der Umstand, daß sie im Begriff war, einen Menschen zu töten, war für Jennsen von untergeordneter Bedeutung. Als sie die Treppen hinaufhastete, beschäftigte sie nur ein einziger Gedanke, der Schrecken, den Lord Rahl in ihr Leben und das Leben anderer gebracht hatte. Durchdrungen von gerechtem Zorn, war sie entschlossen, dem ein für alle Mal ein Ende zu machen.

Sebastian, der neben ihr herrannte, hatte sein Schwert gezückt. Unmittelbar vor ihr lief angeführt von Kaiser Jagang selbst, ein Dutzend der hünenhaften Rohlinge. Hinter ihnen befanden sich Hunderte weiterer Soldaten dieses unbarmherzigen Sturmtrupps, alle fest entschlossen, dem Feind mit gnadenloser Härte zu begegnen. Zwischen ihr und den weiter hinten stürmenden Soldaten eilten, bis auf ihre Gabe unbewaffnet, Schwestern des Lichts die Stufen hinauf.

Sich in einer dichten Traube auf dem blank polierten Eichenboden zusammendrängend, machte der gesamte Trupp am oberen Ende der Treppenflucht halt. Kaiser Jagang warf nach beiden Seiten einen Blick in den Flur.

Eine der Schwestern zwängte sich völlig außer Atem durch die Männer nach vorn. »Exzellenz! Das ist doch völlig sinnlos!«

Seine einzige Antwort darauf war ein wütendes Funkeln, während er verschnaufte, bevor er den Blick auf der Suche nach seiner Beute abermals umherschweifen ließ.

»Exzellenz«, beharrte die Schwester, wenn auch bereits etwas ruhiger »warum sollten zwei Menschen, die für ihre Ziele von so entscheidender Bedeutung sind, allein in diesem Palast zurückbleiben? Ohne auch nur einen Posten, der vor ihrer Tür Wache hält? Das ergibt doch keinen Sinn.«

So sehr Jennsen sich wünschte, Lord Rahl vor ihr Messer zu bekommen, sie mußte ihr Recht geben. Das ergab wirklich keinen Sinn.

»Wer sagt denn, daß sie allein sind?«, erwiderte Jagang. »Spürt Ihr den Einsatz irgendwelcher magischen Kräfte?«

Natürlich hatte der Kaiser Recht. Durchaus denkbar, daß sie hinter irgendeiner Tür eine eintausend Schwerter starke Überraschung erwartete. Doch die Wahrscheinlichkeit schien sehr gering; logischer war, daß eine eventuell vorhandene Schutztruppe ihr Vordringen bis in den Palast gar nicht erst zugelassen hätte.

»Nein«, antwortete die Schwester. »Ich spüre keinerlei magische Kräfte; aber das heißt nicht, daß ihr Einsatz nicht jeden Augenblick angeordnet werden könnte. Ihr bringt Euch unnötig in Gefahr, Exzellenz. Es ist ... gefährlich, Jagd auf solche Leute zu machen, wenn so vieles an der ganzen Situation keinen Sinn ergibt.«

Sie konnte sich gerade noch zurückhalten, es als töricht zu bezeichnen. Jagang, der der Schwester offenbar kaum zugehört hatte, während sie auf ihn einredete, gab seinen Männern ein Zeichen, woraufhin sie in Gruppen zu jeweils einem Dutzend in alle Richtungen in die Flure davonstürmten. Ein Fingerschnippen, begleitet von einem kurzen Wink, teilte jeder Gruppe eine Schwester zu.

»Ihr denkt wie ein Armeeoffizier, der noch grün hinter den Ohren ist«, meinte Jagang. »Die Mutter Konfessor ist weit durchtriebener und zehnmal so gerissen, wie Ihr glaubt. Sie ist nicht so dumm, in diesen einfachen Begriffen zu denken. Ihr habt doch selbst schon einiges mitbekommen, was sie sich geleistet hat. Diesmal kommt sie mir nicht ungestraft davon.«

»Aber warum sollten sie und Lord Rahl dann ganz allein hier zurückbleiben?«, fragte Jennsen, als sie sah, daß die Schwester sich nicht mehr traute, den Mund aufzumachen. »Welche Gründe könnten sie haben, sich so verwundbar zu machen?«

»Wo könnte man sich besser verstecken als in einer verlassenen Stadt?«, erwiderte Jagang. »Oder in einem menschenleeren Palast? Jeder Posten wäre doch sofort bereit, sie an uns zu verraten.«

»Aber warum sollten sie sich ausgerechnet hier verstecken?«

»Weil sie wissen, daß ihre Sache gefährdet ist. Sie sind Feiglinge, die sich der Gefangennahme entziehen wollen.« Einen Daumen in den Gürtel gehakt, unterzog Jagang die Anordnung der Flure ringsumher einer genauen Prüfung. »Dies ist also ihr Zuhause. Letzten Endes denken sie doch nur daran, ihre eigene Haut zu retten, ihre Mitmenschen sind ihnen völlig gleichgültig.«

Jennsen konnte sich nicht enthalten, weiter nachzuhaken, obwohl Sebastian sie zurückzog und zu bedrängen versuchte, still zu sein. Sie deutete mit einer flüchtigen Geste auf die riesigen Fensterflächen. »Warum lassen sie dann zu, daß man sie sieht? Wenn sie tatsächlich vorhätten, sich zu verstecken, warum sollten sie sich dann zu erkennen geben?«

»Weil sie von Natur aus bösartig sind!« Er sah sie aus seinen Furcht erregenden Augen an. »Sie wollten sehen, wie ich Bruder Narevs Überreste finde. Sie wollten sehen, wie ich ihre frevlerische und abscheuliche Metzelei an einem großen Mann entdecke. Einem so abartigen Vergnügen konnten sie einfach nicht widerstehen.«

»Aber...«

»Gehen wir!«, rief er seinen Männern zu.

Während der Kaiser sich mit entschlossenen Schritten entfernte, hielt Jennsen Sebastian in einem Anflug von Verzweiflung am Arm fest. »Glaubst du wirklich, sie könnten es sein? Du bist doch Stratege – findest du wirklich, daß irgendwas an dieser Geschichte logisch klingt?«

Er merkte sich, welche Richtung der Kaiser, gefolgt von einem riesigen Trupp ihm nacheilender Soldaten, einschlug, dann sah er sie wütend an.

»Du hast es auf Richard Rahl abgesehen, Jennsen. Dies könnte deine Chance sein.«

»Aber mir leuchtet einfach nicht ein, wieso ...«

»Widersprich mir nicht! Für wen hältst du dich eigentlich, daß du ständig alles besser weißt!«

»Sebastian, ich ...«

»Ich kann nicht auf alles eine Antwort wissen! Deswegen sind wir ja schließlich hier!«

Jennsen schluckte, weil sich ihr die Kehle zusammenzuschnüren drohte. »Ich bin doch nur besorgt um dich, Sebastian, und um Kaiser Jagang. Ich möchte nicht, daß Eure Köpfe auch auf einer Lanze enden.«

»Im Krieg gilt das Gebot des Handelns, und zwar nicht erst nach reiflicher Überlegung, sondern sobald man seine Chance erkannt hat. So ist das eben im Krieg – es kommt sehr häufig vor daß Menschen unsinnige oder scheinbar verrückte Dinge tun. Vielleicht ist den beiden schlicht ein dummer Fehler unterlaufen, und die Fehler seines Feindes muß man nutzen. Oftmals geht der als Sieger aus einem Krieg hervor, der auf Teufel komm raus attackiert und jeden Vorteil sofort zu nutzen weiß. Man hat nicht immer Zeit sich alles vorher ganz genau zurechtzulegen.«

»Sebastian, ich wollte doch nur...«

Er packte sie am Kleid und zog sie zu sich heran. Sein gerötetes Gesicht war wutverzerrt. »Hast du wirklich die Absicht, deine vielleicht einzige Chance, den Tod deiner Mutter zu rächen, ungenutzt verstreichen zu lassen? Wie würdest du dich fühlen, wenn Richard Rahl tatsächlich so verrückt gewesen wäre, hier zu bleiben? Oder sich einen Plan ausgeheckt hat von dem wir uns nicht mal einen Begriff machen können? Und du stehst hier herum und redest nur!«

Jennsen war wie gelähmt.

»Da sind sie«, ertönte ein Ruf ganz hinten aus dem Flur. Es war die Stimme Jagangs. Sie erblickte ihn, mit seinem Schwert auf etwas zeigend, inmitten einer fernen Traube seiner Soldaten, die sich gerade unter Geschiebe und Gestoße anschickte, um eine Ecke zu biegen. »Faßt sie! Ergreift sie endlich!«

Sebastian packte sie beim Arm, wirbelte sie herum und stieß sie vor sich her in den Flur. Jennsen fand ihr Gleichgewicht wieder und rannte wie entfesselt los. Sie schämte sich, daß sie Leuten widersprochen hatte, die sich mit Kriegsangelegenheiten auskannten. Für wen hielt sie sich überhaupt? Sie war ein Niemand. Große, bedeutende Männer hatten ihr eine Chance gegeben, und sie blieb an der Schwelle zu wahrer Größe stehen und wollte nichts als reden. Sie kam sich vor wie eine Närrin.