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Stirnrunzelnd beugte Jennsen sich vor und versuchte in der Dunkelheit zu erkennen, wie die Schwester mit dem Vernähen der entsetzlichen Wunde des Kaisers begann. Dicht über ihn gebeugt, hörte Jennsen ihn ganz unvermittelt flüstern.

»Dort ist er.« Jennsen sah hoch. »Richard Rahl – dort steht er. Das ist er.«

Jennsen folgte Kaiser Jagangs Blick, das Messer fest umklammert. Im Korridor selbst war es dunkel, am hinteren Ende jedoch sah man einen undeutlichen Lichtschein, vor dem sich eine Gestalt als Silhouette abzeichnete, die sie beobachtete.

Die Gestalt hob ihre Arme, zwischen ihren ausgestreckten Händen erwachte ein Feuer zum Leben. Aber es war kein Feuer, wie man es normalerweise kannte, etwa aus einem offenen Kamin, sondern ein Feuer wie aus einem Traum. Es war da und auch wieder nicht, real – und gleichzeitig unwirklich. Jennsen glaubte im Grenzgebiet zweier Welten zu stehen.

Und doch war die tödliche Gefahr, die die flackernde Flamme darstellte, nur zu offenkundig. Der rotierende Feuerball zwischen den unbeweglichen Händen wurde größer und nahm ein beängstigend zielbewußtes Aussehen an. Jennsen wußte, daß sie Zeugin einer Demonstration tödlicher Entschlossenheit wurde.

Und dann schleuderte er dieses unerbittliche flammende Inferno in ihre Richtung.

Jagang hatte behauptet, es sei Richard Rahl, der dort am Ende des Korridors stand; sie dagegen sah nichts weiter als die Umrisse einer Gestalt, aus deren Händen dieses entsetzliche Feuer auf sie zugeschossen kam. Obwohl die Flamme die Wände beleuchtete, blieb ihr Erzeuger merkwürdigerweise nach wie vor im Dunkeln.

Der sengende Feuerball nahm an Umfang zu, als er mit stetig wachsender Geschwindigkeit auf sie zuraste. Die flüssigen blauen und gelben Flammen schienen vor beseelter Entschlossenheit zu brennen.

Und doch war es auf seltsame Weise auch ein Nichts.

»Zauberfeuer!«, kreischte die Schwester und sprang auf. »Gütiger Schöpfer, nein!«

Die Schwester stürzte sich in den dunklen Gang, den heranrasenden Flammen entgegen, riß in ungezügelter Hingabe die Arme in die Luft, die Handflächen dem heranschießenden Feuer entgegengestreckt, so als wollte sie einen magischen Schild zu ihrem Schutz errichten. Der immer weiter anschwellende Feuerball schoß auf sie zu, beleuchtete im Vorüberheulen Wände, Decke und Trümmer.

Mit erschütternder Wucht prallte der Feuerball gegen sie, so daß sie sich vor einem strahlend hell aufflackernden gelben Licht als gleißend heller Schattenriß abzeichnete. Einen Herzschlag später hatte die Flamme sie gänzlich umschlossen, ihren Aufschrei erstickt und sie in einem einzigen blendenden Auflodern verzehrt. Eine bläulich schimmernde Hitzewand flimmerte kurz auf als die Flamme einen Moment lang wirbelnd in der Luft stand; dann verpuffte sie, und zurück blieb nur ein winziges Rauchwölkchen und der Geruch verbrannten Fleisches.

Jennsen starrte mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen auf die Stelle, wo soeben ein Menschenleben vernichtet worden war.

Lord Rahl erzeugte derweil einen weiteren Ball des fürchterlichen Zauberfeuers, beschwor ihn mit seinen Händen, zu wachsen und sich auszudehnen. Und wieder schleuderte er ihn mit gestreckten Händen nach vorn. Der tosende, wallende Feuerball kam heulend auf sie zugeschossen, schwoll im Näherkommen an, ließ im Vorüberfliegen erneut die Wände aufleuchten, bis der brennende Tod schließlich von einer Wand zur anderen, vorn Boden bis zur Decke reichte und keinen Platz mehr ließ, um sich zu verstecken.

Während der Tod Jennsen und Kaiser Jagang unter gewaltigem Höllenlärm zu ereilen drohte, machte Lord Rahl Anstalten, sich zu entfernen und sie ihrem Schicksal zu überlassen.

49

Diese Waffe war nur zu einem einzigen Zweck erschaffen worden, um zu töten. Dies war todbringende Magie, die Magie des Lord Rahl.

Und diesmal gab es keine Schwester des Lichts, die sich ihr in den Weg geworfen hätte.

Die Magie des Lord Rahclass="underline" Sie existierte, und gleichzeitig auch wieder nicht.

Im letzten Augenblick vor dem unvermeidlichen Zusammenprall wußte Jennsen plötzlich, was sie zu tun hatte, Sie warf sich über Kaiser Jagang. Bevor der Feuerball sie erfaßte, deckte sie ihn im Winkel zwischen Fußboden und Wand mit ihrem Körper ab und beschützte ihn wie ein kleines Kind.

Selbst bei fest geschlossenen Lidern konnte sie das gleißend helle Licht wahrnehmen. Ringsherum hörte sie nichts als das schreckliche Geheul der sie umtosenden Flammen.

Und doch spürte Jennsen nichts.

Sie hörte, wie der Feuerball über sie hinwegbrauste und unter gewaltigem Getöse durch den Gang raste – und riskierte einen Blick. Die glühende Feuerkugel schoß am Ende des Flures mit explosionsartigem Krachen durch eine Mauer, zerfiel zu einem flüssigen Flammenregen und ließ einen Hagel aus glimmenden Holzsplittern auf die tief unten gelegene Rasenfläche niedergehen.

Ohne die Wand war es im Flur erheblich heller. Jennsen stützte sich auf.

»Kaiser Jagang – lebt Ihr noch?«, erkundigte sie sich zaghaft.

»Das habe ich Euch zu verdanken ...« Er klang verdutzt. »Was habt Ihr nur getan? Wie ist es möglich, daß Ihr nicht...«

»Still«, zischte sie mit Nachdruck. »Bleibt unten, sonst sieht er Euch womöglich noch.«

Sie durfte keine Zeit verlieren, diesem Geschehen mußte endlich ein Ende gemacht werden. Jennsen sprang auf und lief, ihr Messer in der Hand, los, den Gang hinunter. Jetzt endlich konnte sie den Mann im trüben Licht am Ende des Korridors erkennen. Er war stehen geblieben, hatte sich umgedreht und starrte sie verwundert an. Noch während sie auf ihn zuraste, wurde ihr klar, daß dies unmöglich ihr Halbbruder sein konnte. Dieser Mann war alt, kaum mehr als ein Knochengerippe in einem dunklen kastanienbraunen und schwarzen Gewand mit silbernem Besatz an den Ärmelaufschlägen. Sein welliges, weißes Haar stand ihm in wilder Unordnung vom Kopf ab, was seiner Ausstrahlung von Autorität jedoch absolut keinen Abbruch tat.

Dennoch machte er ein schockiertes Gesicht, als er sie auf ihn zurennen sah, so als könnte er kaum glauben, als wäre es ihm völlig unbegreiflich, daß sie sein Zauberfeuer unversehrt überstanden hatte. Sie war für ihn eine Lücke in der Welt. Deutlich konnte sie sehen, wie diese Erkenntnis allmählich in seinen haselbraunen Augen aufleuchtete.

Trotz seines freundlichen Äußeren hatte dieser Mann unzählige Menschen getötet. Dieser Mann handelte auf Anordnung des Lord Rahl, er war ein Zauberer, ein Ungeheuer in Menschengestalt. Sie mußte ihm Einhalt gebieten.

Jennsen hob ihr Messer. Beim Vorwärtsstürmen hörte sie sich einen wütenden Schrei ausstoßen, ganz ähnlich den Schlachtrufen, die sie bei den Soldaten gehört hatte. Jetzt begriff sie, welche Bewandtnis es mit diesen Schreien hatte. Sie wollte sein Blut.

»Nicht ...«, rief ihr der alte Mann entgegen. »Du weißt doch überhaupt nicht, was du tust. Für so was haben wir jetzt wirklich keine Zeit! Bleib stehen! Ich kann meine Zeit nicht vertrödeln! Laß mich doch ...«

Kurz bevor sie ihn erreichte, streckte er ihr eine Hand entgegen, wenn auch niedriger als vorher; diesmal schossen keine Flammen daraus hervor.

Was immer er tat, bewirkte, daß die Trümmer unter ihren Füßen plötzlich in Bewegung gerieten, so als hätte er dem gesamten Flur einen mächtigen Stoß versetzt. Bevor sie sich mit einem Sprung in Sicherheit bringen konnte, blieb sie mit einem Fuß in den Trümmern hängen und landete krachend auf dem Boden. Sie schlug hart mit dem Gesicht auf und hätte um ein Haar das Bewußtsein verloren. Ihr Gesicht tat so entsetzlich weh, daß ihr schwindelig wurde.

Jennsen horchte auf die Stimme, die ihr einredete, aufzustehen und weiterzulaufen, doch erst nach einer Weile war sie wieder so weit, daß sie sich hochstemmen konnte. Ihr Bein steckte in einem Gewirr aus Trümmerteilen fest. Schließlich gelang es ihr, ein Brett zur Seite zu stemmen, so daß ein Spalt entstand, durch den sie ihren Fuß herausziehen konnte. Glücklicherweise hatte ihr Stiefel verhindert, daß das gesplitterte Holz ihr Bein aufschlitzen konnte.