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Jennsen kratzte müßig mit dem Daumennagel am Leder der Zügel, während sie die schwarz gekleideten Gestalten beobachtete. »Die vielen Soldaten machen den Männern Angst«, meinte sie zu Sebastian. »Deswegen weigern sie sich, mit uns zu sprechen.«

»Wie kommst du darauf?«

»Ich sehe doch, wie sie immer wieder die Köpfe vorstrecken und zu uns herübersehen. Sie versuchen herauszufinden, ob sie den Ärger der Soldaten auf sich ziehen, wenn sie uns irgendwas erzählen.«

Sie konnte der kleinen Schar von Händlern durchaus nachempfinden, wie sie sich fühlen mußten, den forschenden Blicken so vieler barbarischer Soldaten hoch zu Roß auf ihren riesigen Kavalleriepferden ausgesetzt zu sein – welches Gefühl es sein mußte, von solch finsteren, unter einer Schicht von Leder- und Kettenrüstungen verborgenen, waffenstrotzenden Gestalten beobachtet zu werden. Die schwarzgewandeten Männer mit ihren Packeseln waren Händler, keine Soldaten, und sie waren den Umgang mit Soldaten auch nicht gewöhnt. Sie hatten Angst um ihre Sicherheit und befürchteten, diese Krieger könnten sie auf ein falsches Wort hin hier draußen in der Wüste einfach abschlachten. Trotz ihrer krassen zahlenmäßigen Unterlegenheit schienen die Händler gleichzeitig aber nicht bereit, sich einschüchtern zu lassen, um keinen Präzedenzfall für den künftigen Umgang mit ihnen zu schaffen. In dem soeben stattfindenden Palaver versuchten sie offenbar abzuwägen, welches Verhalten sich günstiger auf ihre Sicherheit auswirken mochte.

Sebastian stieß sich von der Mauer ab. »Vielleicht hast du Recht. Ich werde hineingehen und allein mit ihnen sprechen – und zwar in ihrem Haus und nicht hier draußen, unter den Blicken der Armee.«

»Ich begleite dich«, sagte sie.

»Was mag bloß los sein? Was meint Ihr?«, Schwester Perdita war herbeigeeilt und wollte von Sebastian Näheres wissen.

Sebastian tat ihre Besorgnis mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. »Ich glaube, sie wollen einfach handeln. Da sind sie in ihrem Element. Sie zu zwingen könnte sich für uns als nachteilig erweisen.«

»Ich werde zu ihnen gehen und dafür sorgen, daß sie es sich anders überlegen«, erwiderte die Schwester in unmißverständlich düsterer Absicht.

»Nein«, widersprach Sebastian. »Dies ist nicht der richtige Augenblick, um einen einfachen Vorgang unnötig zu komplizieren. Falls nötig, können wir den Druck auf sie jederzeit erhöhen. Laßt Jennsen und mich einfach vorher hinübergehen und mit ihnen sprechen.«

Jennsen ließ die düster dreinblickende Schwester Perdita stehen und blieb, Rusty hinter sich herziehend, dicht an Sebastians Seite. Die zweite Überraschung ihrer Reise, außer der eintausend Mann starken Eskorte, war Schwester Perditas Entschluß gewesen, sie zu begleiten. Begründet hatte sie ihn damit, daß Jennsen zusätzliche Hilfe benötigen könnte, um bis zu Lord Rahl vorzudringen.

Jene Nacht im Wald mit Schwester Perdita und den sieben anderen Schwestern hatte alles verändert. Jennsen hatte sich auf einen Handel eingelassen, demzufolge ein selbstbestimmtes Leben nach Richard Rahls Ermordung für sie nicht mehr in Frage kam, dessen war sie sich bewußt, aber wenigstens würden alle anderen Menschen wieder ihr eigenes Leben leben können, und die Welt wäre erlöst von ihrem Halbbruder und seiner Tyrannei.

Und sie würde ihre Rache bekommen. Das Wissen, daß ihrem Mörder endlich Gerechtigkeit widerfahren war, würde ihrer Mutter, der man sogar eine anständige Beerdigung versagt hatte, endlich ihren Frieden geben.

Jennsen und Sebastian führten Rusty und Pete auf eine kleine Nebenkoppel, wo bereits das Pferd der Schwester wartete. Die beiden Tiere waren dankbar für den Schatten und den Wassertrog.

Nachdem sie das kleine, wackelige Koppelgatter geschlossen hatte, folgte Jennsen Sebastian in den Schatten vor dem Eingang des niedrigen, gedrungenen Gebäudes. Das Geschnatter der hallenden Männerstimmen im einzigen Raum verstummte. Sämtliche Männer waren in die traditionellen schwarzen Burnusse der nomadischen, diesen Teil der Welt bevölkernden Kaufleute gehüllt.

»Laßt uns jetzt allein«, sagte der Anführer, als er Sebastian und Jennsen eintreten sah, und komplimentierte seine Gefährten mit einer Handbewegung aus dem Raum.

Die Männer, deren Augen hinter Schlitzen im schwarzen Stoff hervorlugten, mit dem sie jetzt wieder Mund und Nase bedeckten, gingen nickend nach draußen. Die Fältchen um ihre entblößten Augen ließen vermuten, daß sie Jennsen unter ihrem Gesichtsschutz voller Sympathie zulächelten, aber ganz sicher war sie diesbezüglich nicht. In Anbetracht dessen, was auf dem Spiel stand, erwiderte sie ihr Lächeln.

Die stehende Luft im Raum trieb einem den Schweiß aus den Poren, aber wenigstens verschaffte ihnen der Schatten ein wenig Linderung. Der eine Mann, der im Raum zurückgeblieben war, hatte die losen Stoffbahnen nicht wieder vor sein Gesicht geschlungen und zeigte somit sein lächelndes, wettergegerbtes Gesicht.

»Bitte«, forderte er Jennsen auf, »tretet ein. Ihr seht aus, als wäre Euch hitzig zumute.«

»Hitzig?«, fragte sie.

»Heiß«, verbesserte er sich. »Ihr seid für diese Gegend nicht angemessen gekleidet.« Er schlurfte hinüber zu den Regalen aus großen Holzplanken an der Seite des Raumes und kam mit einem der dort aufbewahrten schwarzen Stoffbündel zurück. »Bitte, zieht dies an.« Er hielt es ihr mehrmals hin und drängte sie, es anzunehmen. »Ihr werdet Euch augenblicklich besser fühlen. Es schützt Euch vor der Sonne und verhindert, daß Euer Schweiß verdunstet und Ihr austrocknet wie ein Stein.«

Jennsen verneigte abermals ihr Haupt vor dem kleinen drahtigen Mann und bedankte sich mit einem Lächeln. »Vielen Dank.«

»Nun?«, fragte Sebastian und ließ seinen Rucksack erschöpft von den Schultern gleiten. »Ist es Euch gelungen, etwas aus den anderen Männern herauszubringen?«

Die schwarzgekleidete Gestalt zögerte einen Moment und überspielte dies mit einem Räuspern. »Sie sprachen davon, Ihr wäret möglicherweise bereit...«

Sebastian verdrehte ungeduldig die Augen, als er begriff, worauf der Mann hinauswollte, und kramte in seiner Tasche, bis er eine Silbermünze ans Tageslicht förderte. »Bitte nehmt dies als Zeichen meiner Wertschätzung für die Mühen, die Eure Männer auf sich genommen haben.«

Der Mann nahm sie respektvoll entgegen, trotzdem war nicht zu übersehen, daß eine Silbermünze nicht ganz dem erhofften Lohn entsprach. Offenbar zögerte er aber, rundheraus zu sagen, daß er den Betrag für unzureichend hielt. Für Jennsen war es völlig unbegreiflich, daß Sebastian in einem solchen Augenblick zu feilschen begann. Sie nahm eine schwere Goldmünze aus ihrer Tasche und schnippte sie dem Mann einfach zu, ohne Sebastian zu fragen, ob dies in Ordnung sei. Der Mann fing das Goldstück mitten in der Luft auf und öffnete seine Faust gerade weit genug, um sich mit einem flüchtigen Blick von ihrem Wert zu überzeugen. Er grinste sie anerkennend an. Sebastian warf ihr einen mißbilligenden Blick zu.

»Ich habe für das Geld keine Verwendung«, sagte sie, bevor er dazu kam, ihr Vorhaltungen zu machen. »Außerdem, hast du nicht selbst gesagt, man muß den Feind mit seinen eigenen Waffen schlagen?«

Sebastian enthielt sich einer Bemerkung und wandte sich wieder dem Mann zu. »Was ist nun?«

»Gestern, am späten Nachmittag«, erwiderte der Mann schließlich etwas entgegenkommender, »erspähten unsere Leute zwei Personen, die auf dem Weg hinunter zu den Säulen der Schöpfung waren.« Er ging hinüber zu einem kleinen, unverhängten Fenster neben den Regalen, auf denen sich neben diversen Vorräten auch zwei weitere schwarze Burnusse stapelten, und wies in die entsprechende Richtung. »Dort hinunter. Es gibt eine Art Pfad.«

»Haben Eure Männer mit ihnen gesprochen?«, fragte Jennsen und trat ungeduldig einen Schritt vor. »Wissen Eure Männer, wer diese Leute waren?«

Der Blick des Mannes wanderte zögernd von ihr zu Sebastian; offenbar war ihm nicht ganz wohl dabei, auf solche direkten Fragen einer Frau zu antworten, auch wenn sie es gewesen war, die ihn dafür bezahlt hatte. Sebastian warf ihr einen Blick zu, der besagte, sie solle die Sache ihm überlassen. Jennsen schlenderte wieder zur Tür, um einen Blick nach draußen zu werfen und so zu tun, als ginge sie das Ganze nichts an, damit ihr Gefährte sich die nötigen Antworten beschaffen konnte.