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Als ihre Schritte von den Felswänden widerhallten, konnte sie sich der Faszination der glatt geschliffenen, welligen Oberfläche der Säulen nicht entziehen, die aussahen, als wäre das Gestein, Steinen in einem Flußbett gleich, ausgewaschen worden. Die verschiedenen Schichten der senkrechten Felsformationen wiesen offenbar eine unterschiedliche Dichte auf, so daß sie verschieden stark ausgewaschen waren und die Oberfläche dieser Felsentürme demzufolge horizontal geriffelt war. An einigen Stellen balancierten gewaltige Teile dieser Säulen über äußerst schmalen Hälsen.

Die ganze Zeit über, während sie sich mit schweren Schritten durch das scharfkantige Geröll auf dem Talgrund schleppte, lastete die Hitze auf ihr wie ein erdrückendes Gewicht. Zwischen den Säulen warf das Licht gespenstische Schatten, wodurch im Hintergrund zwischen den Felstürmen vollkommen düstere Stellen entstanden. Dann wieder schien das Licht hinter den Felsen hervorzuleuchten. Als sie den Kopf hob, war es, als blickte sie vom tiefsten Grund der Welt nach oben, um zu sehen, wie der Fels, vom Wetterleuchten in den Wolken gelegentlich in grünes Licht getaucht, sich um Erlösung flehend in den Himmel reckte.

Schwester Perdita, den flatternden, schwarzen Burnus hinter sich, schwebte wie ein Todesengel durch dieses Felsenlabyrinth. Inmitten dieser stummen Wächter der Schöpfungskraft war selbst Sebastians Anwesenheit für Jennsen kein Trost mehr.

Ein Blitz zuckte in weitem Bogen über ihre Köpfe und die Spitzen der Felsentürme hinweg, als hatte er es auf den Wald aus Stein abgesehen. Der darauf folgende Donner ließ das Tal so heftig erbeben, daß bröckelndes Gestein auf sie herniederrieselte und sie Reißaus nehmen mußten, um nicht gesteinigt zu werden. Da und dort erblickte Jennsen Stellen, an denen schon vor langer Zeit einige dieser gewaltigen Säulen in sich zusammengebrochen waren; jetzt lagen sie da wie gefallene Riesen. In Hohlwegen – entstanden dort, wo die gewaltigen Felsbrocken durch Erosion hervorgerufene Spalten überbrückten – kamen sie an manchen Stellen unter kolossalen, quer über dem Weg liegenden Felsen hindurch. Sie hoffte, daß keiner der über das gesamte sichtbare Firmament schießenden Blitze auf die Idee kam, in eine der steinernen Säulen unmittelbar über ihnen einzuschlagen und sie unter ihrem unvorstellbar großen Gewicht zu begraben.

Als Jennsen sich langsam zu fragen begann, ob sie sich in dieser Enge zwischen den himmelwärts strebenden Felsen endgültig verlaufen hatten, erblickte sie zwischen den Felstürmen eine Öffnung, hinter der sich die ungeheure Weite des restlichen Talgrunds offenbarte. Sie bahnten sich einen gewundenen Weg zwischen den eng beieinander stehenden Steinsäulen hindurch und gelangten schließlich in offeneres Gelände, wo die Steinsäulen nicht mehr so dicht standen, sondern eher frei stehenden Monumenten ähnelten.

Der den steinernen Wald inzwischen fast ohne Unterlaß mit seinem Krachen, Grollen und Beben überziehende Donner nahm allmählich beängstigende Ausmaße an. Mittlerweile hing der Himmel so tief, daß die wallenden Wolkengebirge die umliegenden Felswände streiften. Weit hinten, ganz am anderen Ende des Tales, verbreitete das dunkelste von ihnen ein nahezu anhaltendes Staccato aus Flackern und gelegentlich erschreckend hellen Blitzen, die augenblicklich Unmengen von markerschütternden Donnerschlägen erzeugten.

Sie hatte gerade eine mächtige Steinsäule passiert, als Jennsen in der Ferne zu ihrer Verblüffung einen Wagen erspähte, der sich einen Weg durch den Talgrund bahnte.

Als sie sich umdrehte und Sebastian auf den Wagen aufmerksam machen wollte, stand plötzlich der hünenhafte Fremde hinter ihnen.

Ihr Blick erfaßte sein schwarzes Hemd, seinen schwarzen, an den Seiten offenen Waffenrock, verziert mit uralten Symbolen, die sich auf einem breiten, goldenen Streifen ganz um den eckig zugeschnittenen Saum schlängelten. Ein breiter Ledergürtel mit an beiden Seiten angebrachten Ledertaschen raffte den Waffenrock an der Taille. Die kleinen, goldbesetzten Taschen am Gürtel wiesen silberne Embleme aus ineinander verketteten Ringen auf, die denen auf den breiten, ledergepolsterten silbernen Armreifen an jedem Handgelenk entsprachen. Hosen und Stiefel waren schwarz; als Kontrast dazu lag ein scheinbar ganz aus Gold gewebtes Cape um seine breiten Schultern.

Außer dem Messer an seinem Gürtel trug er keine Waffe, aber die brauchte er auch nicht, um als Verkörperung drohender Gefahr zu wirken.

Ein einziger Blick in seine grauen Augen genügte, um Jennsen augenblicklich und unwiderruflich die Gewißheit zu geben, daß sie die Raubvogelaugen Richard Rahls vor sich hatte.

Es war, als legte sich die Angst wie eine Hand um ihr Herz und drückte zu. Jennsen zog ihr Messer und hielt es so fest umklammert, daß sich ihre Knöchel um das Heft weiß verfärbten. Sie spürte deutlich, wie das kunstvoll ziselierte »R« ihr jetzt, da Lord Rahl leibhaftig vor ihr stand, in Handfläche und Finger schnitt.

Sebastian fuhr herum, erblickte ihn ebenfalls und stellte sich eilig hinter Jennsen.

Diese stand, von ihren widerstrebenden Gefühlen hin und her gerissen, wie erstarrt vor ihrem Bruder.

»Jenn«, raunte ihr Sebastian von hinten zu, »sei unbesorgt. Du kannst es tun. Deine Mutter beobachtet dich; laß sie jetzt nicht im Stich.«

Richard Rahl maß sie mit forschendem Blick; Sebastian oder gar die noch weiter hinten wartende Schwester Perdita schien er überhaupt nicht wahrzunehmen. Jennsen, ebenfalls blind für die beiden anderen, starrte ihren Bruder an.

»Wo ist Kahlan?«, brach Richard schließlich das Schweigen.

Seine Stimme war völlig anders, als sie erwartet hatte. Sie war gebieterisch, gewiß, aber gleichzeitig noch sehr viel mehr; eine Vielzahl von Gefühlen schwang darin mit, angefangen bei kalter Wut, über unerschütterliche Entschlossenheit bis hin zu Verzweiflung. Dieselbe unverfälschte und grausame Entschlossenheit spiegelte sich in seinen Augen wider.

Jennsen konnte den Blick nicht von ihm lassen. »Wer ist Kahlan?«

»Die Mutter Konfessor. Meine Gemahlin.«

Jennsen war unfähig, sich zu bewegen, so sehr zerriß sie innerlich, was sie sah und hörte. Dies war kein Mann auf der Suche nach einer Kohorte von Ungeheuern, nach einer unbarmherzigen Mutter Konfessor, die die Midlands mit eiserner Faust und ebensolchem Willen beherrschte. Was diesen Mann antrieb, war die Liebe, die er für diese Frau empfand. Jennsen konnte deutlich sehen, daß für ihn kaum etwas anderes zählte. Falls sie den Weg nicht freigäben, würde er durch sie ebenso hindurchgehen wie durch die tausend Reiter. So einfach war das.

Nur war Jennsen, im Gegensatz zu diesen Reitern, unbesiegbar.

»Wo ist Kahlan?«, wiederholte Richard.

»Ihr habt meine Mutter umgebracht«, sagte Jennsen; es klang fast wie eine Rechtfertigung.

Ein Zucken ging über seine Stirn, er schien ehrlich verwirrt. »Ich habe erst kürzlich erfahren, daß ich eine Schwester habe. Friedrich Gilder hat es mir erzählt, und daß dein Name Jennsen ist.«

Jennsen merkte, daß sie nickte, unfähig, ihren Blick von seinen Augen zu lösen, in denen sie ihre eigenen wiedererkannte.

»Töte ihn, Jenn!«, bedrängte Sebastian sie, ihr betörend ins Ohr flüsternd. »Töte ihn! Du kannst es. Seine Magie kann dir nichts anhaben! So mach schon.«

Jennsen fühlte, wie ein kribbelndes Angstgefühl langsam ihre Beine heraufkroch. Irgend etwas war hier verkehrt. Die Hand fest um das Messer geschlossen, nahm sie ihren ganzen Mut zusammen, als die Stimme ihren Kopf füllte, bis dort kein Raum mehr für irgendeinen anderen Gedanken war.

»Mein Leben lang hat der jeweilige Lord Rahl versucht, mich zu töten. Nach dem Mord an Eurem Vater habt Ihr seinen Platz eingenommen. Ihr habt Soldaten auf mich angesetzt und mich gehetzt, genau wie Euer Vater. Ihr habt uns die Quadronen geschickt. Ihr Bastard habt die Soldaten geschickt, die meine Mutter ermordet haben!«