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»Aber es ist die Wahrheit, Jenn. Da kannte ich dich ja noch nicht. Wie ich schon sagte – es war niemals meine Absicht, mich in dich zu verlieben, und dann habe ich es doch getan. Es ist einfach passiert. Du bist mein Ein und Alles. Ich liebe dich.«

Sie hielt sich gegen das Geschrei der Stimme in ihrem Kopf die Ohren zu. »Du bist abgrundtief böse. Ich könnte dich niemals lieben!«

»Bruder Narev lehrt, daß die Menschheit in ihrer Gesamtheit böse ist. Wir können kein moralisches Leben führen, weil die Menschheit selbst einen Makel in der Welt des Lebens darstellt. Immerhin weilt Bruder Narev jetzt in einer besseren Welt; er ist jetzt an der Seite des Schöpfers.«

»Willst du damit etwa sagen, selbst Bruder Narev ist böse? Nur weil er ein Mensch ist? Selbst dein so geschätzter, geheiligter Bruder Narev war böse?«

Sebastian funkelte sie wütend an. »Der einzig wirklich Böse steht dort drüben« – er zeigte auf ihn ... »Richard Rahl, und zwar, weil er einen großartigen Menschen getötet hat. Richard Rahl muß für seine Verbrechen mit dem Tod bestraft werden.«

»Wenn die Menschheit böse ist und Bruder Narev sich in einer besseren Welt befindet, dann hat Lord Rahl mit der Ermordung Bruder Narevs doch ein gutes Werk getan, weil er ihn dadurch in die Obhut des Schöpfers übergab, oder etwa nicht? Und wenn die gesamte Menschheit böse ist, wie kann dann Richard Rahl böse sein, wenn er Soldaten der Imperialen Ordnung tötet?«

Die Zornesröte war Sebastian ins Gesicht gestiegen. »Wir sind alle böse, aber manche sind eben böser als andere! Wenigstens besitzen wir genug Demut gegenüber dem Schöpfer, um uns unsere eigene Schlechtigkeit einzugestehen und niemanden außer dem Schöpfer zu verherrlichen.« Er unterbrach sich und wurde sichtlich ruhiger. »Ich weiß, es ist ein Zeichen von Schwäche, aber ich liebe dich.« Er lächelte ihr zu. »Du bist zu meinem Lebensinhalt geworden, Jenn.«

Sie konnte ihn nur fassungslos anstarren. »Du liebst mich nicht, Sebastian. Du hast nicht mal eine Vorstellung davon, was Liebe überhaupt heißt. Du kannst nichts und niemanden lieben, solange du nicht zuerst dein eigenes Leben liebst. Liebe entsteht einzig aus der Achtung vor dem eigenen Leben. Nur wenn man sich selber liebt, seine Existenz, kann man einen anderen lieben, der fähig ist, das eigene Leben wertvoller zu machen, es mit einem zu teilen und angenehmer zu gestalten. Wenn man sich aber selbst haßt und davon überzeugt ist, daß das eigene Dasein böse ist, dann kann man auch andere nur hassen und wird die Liebe immer nur als äußeren Schein erfahren, als Sehnsucht nach dem Guten, aber man hat nichts, worauf man sie stützen könnte, als den Haß. Dein Makel ist deine seltsame Vorstellung von Liebe. Mich brauchst du nur als Rechtfertigung für deinen Haß, als Gefährten für deinen Selbstekel, um einen Menschen aufrichtig zu lieben, Sebastian, muß man sich an seiner Existenz erfreuen, denn er ist es, der das Leben so viel wundervoller macht. Wenn man das Dasein aber für korrupt hält, dann bleibt man von der Erfüllung einer solchen Beziehung, von dem, was Liebe wirklich ausmacht, ausgeschlossen.«

»Du irrst dich! Du begreifst es einfach nicht!«

»Ich begreife nur zu gut. Ich wünschte, ich hätte viel eher begriffen.«

»Aber ich liebe dich wirklich. Jenn. Du täuschst dich.«

»Nichts weiter als die leeren Worte der wertlosen Hülle eines Menschen. Dort ist nichts, was ich lieben könnte, nichts, das sich zu lieben lohnte. Dir geht so sehr jede Menschlichkeit ab, daß es mir sogar schwer fällt, dich zu verabscheuen, Sebastian, außer vielleicht in dem Sinne, wie man eine offene Kloake verabscheut.«

Blitze schlugen in die steinernen Säulen ringsumher ein. Die Stimme in ihrem Kopf schien Jennsen in Stücke reißen zu wollen.

»Das meinst du doch alles nicht wirklich, Jenn. Ich kann ohne dich nicht leben.«

Jennsen ließ ihn ihre ganze kalte Wut spüren. »Wenn du mir wirklich eine Freude machen willst. Sebastian, dann gibt es auf der ganzen Welt nur eines, das du tun könntest, stirb!«

»Jetzt hab ich mir Euren anrührenden Streit unter Liebenden wirklich lange genug angehört«, knurrte Schwester Perdita. »Benehmt Euch endlich wie ein Mann, Sebastian, und haltet den Mund, oder ich sorge dafür, daß Ihr es tut. Euer Leben ist ebenso bedeutungslos wie das aller anderen. Ihr könnt wählen, Richard Rahl, Jennsen oder die Mutter Konfessor.«

»Ihr müßt nicht dem Hüter dienen, Schwester«, erwiderte Richard. »Und auch nicht dem verdammten Traumwandler. Die Entscheidung liegt ganz bei Euch.«

Schwester Perdita zeigte mit dem Finger auf ihn. »Ihr habt die Wahl! Ich mache Euch dieses Angebot nur ein einziges Mal! Eure Zeit ist abgelaufen! Jennsen oder die Mutter Konfessor – entscheidet Euch!«

»Eure Regeln gefallen mir nicht«, erwiderte Lord Rahl. »Ich werde mich für keine der beiden entscheiden.«

»Dann treffe ich die Wahl an Eurer Stelle! Eure feine Gemahlin wird sterben!«

Ehe Jennsen sich auf sie werfen konnte, um sie zurückzuhalten, hatte Schwester Perdita Kahlan bei den Haaren gepackt und ihren Kopf nach oben gerissen. Das Gesicht der Mutter Konfessor war völlig ausdruckslos.

Jennsen bekam Schwester Perditas Arm zu fassen, und sie schwang ihr Messer so schnell sie konnte; doch bereits im Ausholen wußte sie, daß sie zu spät kommen würde.

Es folgte ein Augenblick kristallener Klarheit, in dem die ganze Welt still zu stehen, an Ort und Stelle zu erstarren schien.

Dann ging eine heftige Erschütterung durch die Luft, ein Donner ohne Hall.

Die fürchterliche Schockwelle breitete sich, einen Ring aus Staub und Gesteinsbrocken vor sich her treibend, in einem immer größer werdenden Kreis rings um die Mutter Konfessor aus, erfaßte die in unmittelbarer Nähe stehenden Felsenpfeiler und sprang von dort auf die sich emportürmenden Felsensäulen über. Einige von ihnen waren so unsicher ausbalanciert, daß sie zusammenstürzten; im Fallen rissen sie andere mit und brachten auch diese zum Einsturz. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die gewaltigen Gesteinsbrocken in einem steinernen Gewitterhagel krachend auf dem Boden landeten. Das gesamte Tal schien unter der ungeheuren Wucht ihres Aufschlags zu erbeben. Ein alles verdunkelnder Staub wurde in die Luft gewirbelt.

Die Welt wurde so schwarz, als hätte man ihr alles Licht entzogen, und in diesem entsetzlichen Augenblick absoluter Dunkelheit schien es, als hätte die Welt und alles andere mit ihr aufgehört zu existieren.

Dann lichtete sich der Schatten, und die Welt kehrte zurück.

Jennsen stellte fest, daß sie den Arm einer toten Frau umklammert hielt. Die Schwester kippte wie eine der steinernen Säulen vornüber zu Boden; Jennsen sah ihr Messer aus der Brust der Schwester ragen.

Richard war bereits zur Stelle, er hielt Kahlan in den Armen, durchtrennte den Strick und ließ sie behutsam zu Boden gleiten. Sie wirkte völlig entkräftet, aber von ihrer Erschöpfung abgesehen schien sie wohlauf.

»Was ist passiert?«, fragte Jennsen verwundert.

Richard lächelte ihr zu. »Der Schwester ist ein Fehler unterlaufen, dabei hatte ich sie gewarnt. Die Mutter Konfessor hat ihre Kraft entfesselt und auf Schwester Perdita gerichtet.«

»Mußtest du sie unbedingt warnen?«, fragte Kahlan, die auf einmal einen ziemlich klaren Eindruck machte. »Sie hätte auf dich hören können.«

»Nein, das hat sie nur zusätzlich provoziert.«

Plötzlich merkte Jennsen, daß die Stimme nicht mehr da war. »Was ist passiert? Habe ich sie getötet?«

»Nein. Sie war bereits tot, bevor dein Messer sie berührte«, sagte Kahlan. »Richard hat sie abgelenkt, damit ich meine Kraft benutzen konnte. Du hast es versucht, bist aber einen Augenblick zu spät gekommen; da gehörte sie bereits mir.«

Richard legte Jennsen eine tröstende Hand auf die Schulter. »Du hast sie nicht getötet, aber du hast dir mit deiner Entscheidung das Leben gerettet. Der Schatten, der sich beim Tod der Schwester über uns legte, das war der Hüter der Toten, der einen Menschen zu sich holt, der ihm die Treue geschworen hat. Hättest du die falsche Entscheidung getroffen, wärst du mit ihr zusammen ins Reich der Toten geholt worden.«