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Sie folgte Tom, Richard, Kahlan und der Mord-Sith zwischen emporragenden Säulen und Gesteinstrümmern hindurch zu der Stelle, wo das Messer steckte. Es hatte einen von einer Hand gehaltenen Lederbeutel genau in der Mitte durchbohrt.

»Bitte«, erklang eine gedämpfte Stimme unter dem Felsblock, »bitte laßt mich raus. Ich gebe Euch auch Geld dafür. Ich kann bezahlen, ich besitze Geld.«

Oba. Der Felsbrocken war auf ihn herabgestürzt, als er versucht hatte fortzulaufen. Er war auf die Felsen gefallen, die verhinderten, daß der Mittelteil des Säulenschafts, der so mächtig war, daß zwanzig Männer mit ausgestreckten Armen ihn nicht hätten umfassen können, zu Boden krachte, wodurch ein winziger Hohlraum entstanden war, in dem der Mann unter Tonnen von Gestein begraben lag.

Tom zog sein Messer aus dem weichen Gestein, nahm den Lederbeutel an sich und hielt ihn hin und her schwenkend in die Höhe.

»Friedrich!«, rief er zum Wagen hinüber. Ein Mann richtete sich auf. »Friedrich! Gehört dieser Beutel hier vielleicht Euch?«

Und dann wurde Jennsen, an diesem Tag voller Überraschungen, ein weiteres Mal überrascht, denn sie sah Friedrich Gilder, Altheas Ehemann, vom Wagen herunterklettern und sich ihnen nähern.

»Der gehört tatsächlich mir«, sagte er. Er warf einen Blick unter den Felsen. »Du hast noch mehr davon.«

Kurz darauf begann eine Hand, weitere Leder- und Stoffbeutel herauszureichen. »Da habt Ihr mein ganzes Geld. Jetzt laßt mich endlich raus.«

»Nun«, meinte Friedrich, »ehrlich gesagt glaube ich nicht, daß ich diesen Felsen anheben könnte, erst recht nicht für den Mann, der für den Tod meiner Frau verantwortlich ist.«

»Althea ist gestorben?«, erkundigte sich Jennsen schockiert.

»Ja. Die Sonne meines Lebens ist untergegangen.«

»Das tut mir so unendlich leid«, sagte sie leise. »Sie war eine wundervolle Frau.«

Ein Lächeln ging über Friedrichs Gesicht. »Ja, das war sie.« Er nahm einen kleinen, abgegriffenen Stein aus seiner Hosentasche. »Aber sie hat mir das hier hinterlassen, und das ist wenigstens eine kleine Freude.«

»Merkwürdig«, meinte Tom und kramte in seiner Hosentasche, bis er einen kleinen Gegenstand zum Vorschein brachte. Er öffnete seine Hand, so daß ein kleiner Stein in seiner Handfläche sichtbar wurde. »Ich besitze auch so einen Stein. Ich trage ihn immer bei mir, als Glücksbringer.«

Friedrich musterte ihn argwöhnisch. Schließlich fing er an zu schmunzeln. »Dann hat sie Euch auch zugelächelt.«

»Ich krieg keine Luft«, ertönte die gedampfte Stimme unter dem Felsbrocken. »Bitte, es tut weh. Ich kann mich kaum bewegen. Laßt mich raus.«

Richard deutete mit ausgestreckter Hand auf den Fels. Man hörte ein knirschendes Geräusch, und plötzlich kam ein Schwert unter dem Fels zum Vorschein. Gleich darauf bückte er sich, zog seine Scheide heraus und gleich dahinter seinen Waffengurt. Er wischte den Staub ab und streifte den Waffengurt in gewohnter Manier über seine Schulter.

Jennsen bemerkte das funkelnde, güldene Wort WAHRHEIT auf dem Heft des prachtvollen Schwertes.

»Ihr habt all den Soldaten die Stirn geboten und hattet nicht mal Euer Schwert dabei«, sagte Jennsen. »Aber vermutlich war Eure Magie ein besserer Schutz.«

Richard schüttelte lächelnd den Kopf. »Mein Talent funktioniert über Verlangen und Zorn. Da Kahlan entführt worden war empfand ich ein starkes Verlangen, und mein Zorn war jederzeit verfügbar.« Er zog das Heft weit genug aus der Scheide, so daß sie das aus Goldbuchstaben gebildete Wort noch einmal sehen konnte. »Diese Waffe funktioniert immer.«

»Woher wußtet Ihr, wo wir waren?«, fragte Jennsen ihn. »Woher wußtet Ihr, wo Kahlan sich befand?«

Richard rieb mit dem Daumen über das eine, aus Gold gebildete Wort auf dem Heft seines Schwertes. »Es ist ein Geschenk meines Großvaters. Unser König Oba hier hat es gestohlen, als er Kahlan mit Hilfe des Hüters in seine Gewalt brachte. Dieses Schwert ist etwas ganz Besonderes. Ich stehe in Kontakt mit ihm und spüre, wo es sich befindet. Ohne Zweifel hat der Hüter Oba veranlaßt, es mir wegzunehmen, um mich hierher zu locken.«

»Bitte«, jammerte Oba, »ich kriege keine Luft.«

»Euer Großvater?«, fragte Jennsen, ohne Oba zu beachten. »Ihr meint Zauberer Zorander?«

Richard strahlte über das ganze Gesicht. »Dann bist du Zedd also begegnet. Er ist ein prächtiger Kerl, nicht wahr?«

»Er hat versucht, mich umzubringen«, murmelte Jennsen.

»Zedd?«, meinte Richard belustigt. »Zedd ist absolut harmlos.«

»Harmlos? Er...«

Unvermittelt versetzte die Mord-Sith Jennsen einen Stoß mit ihrem roten Stab – dem Strafer.

»Was soll das?«, empörte sich Jennsen. »Laßt das sein.«

»Ihr spürt nichts dabei?«

»Nein«, antwortete Jennsen und runzelte mißbilligend die Stirn. »Nicht mehr als bei Nyda, als sie es versuchte.«

Caras Augenbrauen schnellten hoch. »Ihr seid Nyda begegnet?« Sie sah Richard an. »Und sie kann sich noch immer auf den Beinen halten. Ich bin beeindruckt.«

»Sie ist gegen Magie immun«, erklärte Richard. »Deswegen funktioniert Euer Strafer nicht bei ihr.«

Cara sah listig lächelnd zu Kahlan hinüber.

»Habt Ihr denselben Gedanken wie ich?«, fragte Kahlan.

»Möglicherweise könnte sie unser kleines Problem lösen«, sagte Cara, deren boshaftes Grinsen immer breiter wurde.

»Ich nehme an«, meinte Richard übellaunig, »jetzt werdet Ihr sie ihn ebenfalls berühren lassen.«

»Nun«, meinte Cara, »irgend jemand muß es tun. Ihr wollt doch nicht, daß ich es noch einmal mache, oder?«

»Auf keinen Fall!«

»Wovon redet Ihr überhaupt?«, fragte Jennsen.

»Wir haben einige dringende Probleme«, erklärte Richard. »Vorausgesetzt, du möchtest uns helfen, dann könnte es, denke ich, sein, daß du genau über das entsprechende Talent verfügst, um uns aus einem ernsthaften Dilemma herauszuhelfen.«

»Wirklich? Soll das heißen, Ihr wollt, daß ich Euch begleite?«

»Wenn du dazu bereit wärst«, sagte Kahlan. Sie mußte sich auf Richard stützen.

»Tom«, sagte Richard, »könnten wir...«

»Natürlich!«, rief Tom und kam herbeigeeilt, um Kahlan seinen Arm zu bieten. »Kommt mit. Hinten im Wagen habe ich ein paar gemütliche Decken, auf die Ihr Euch legen könnt – Ihr braucht nur Jennsen zu fragen, sie sind wirklich bequem. Ich fahre Euch auf dem einfachen Weg wieder hinauf.«

»Dafür wären wir Euch sehr dankbar«, sagte Richard. »Es ist fast dunkel. Am besten, wir bleiben über Nacht hier und fahren los, sobald es hell genug ist – und hoffentlich, bevor die Hitze zu groß wird.«

»Die anderen werden wahrscheinlich hinten bei der Mutter Konfessor Platz nehmen wollen«, raunte Tom Jennsen zu. »Wenn Ihr nichts dagegen habt könntet Ihr vorn bei mir auf dem Bock mitfahren.«

»Zuerst müßt Ihr mir etwas verraten – und sagt mir jetzt bitte die Wahrheit«, erwiderte Jennsen. »Wenn Ihr ein Beschützer des Lord Rahl seid, was hättet Ihr von dort drüben aus getan, wenn ich versucht hätte, Richard Rahl etwas anzutun?«

Tom blickte sie mit ernster Miene an. »Jennsen, wenn ich ernstlich geglaubt hätte, daß Ihr das wollt oder dazu imstande seid, hättet Ihr mein Messer zu spüren bekommen, bevor Ihr Gelegenheit dazu gehabt hättet.«

Jennsen lächelte. »Gut. Dann werde ich neben Euch mitfahren. Mein Pferd steht dort oben«, fügte sie hinzu und zeigte an den Säulen der Schöpfung vorbei. »Rusty und ich haben uns richtig aneinander gewöhnt!«

Betty meckerte, als sie den Namen des Pferdes hörte. Lachend kraulte Jennsen den dicken Bauch der Ziege. »Na, erinnerst du dich noch an Rusty?«

Betty bestätigte es mit einem fröhlichen Meckern, während ihre Zicklein ganz in der Nähe ausgelassen herumtollten. Etwas weiter entfernt konnte Jennsen hören, wie der mörderische Oba Rahl danach rief, befreit zu werden. Als ihr klar wurde, daß auch er ihr Halbbruder war, wenn auch ein durch und durch böser, blieb sie stehen und sah sich um.