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Manchmal schütteten Männer unter verzweifelten Hilferufen eimerweise Wasser ins Feuer oder schlugen mit Decken auf die prasselnden Flammen ein, aber damit ließ sich ein von Oba gelegtes Feuer nicht bezwingen. Schlamperei war ihm fremd, er leistete stets ganze Arbeit und wußte, was er tat.

Plötzlich sah Oba neben dem Schrank auf dem Fußboden etwas blinken. Das mußte eine Goldmünze sein! Er steckte sie in seine Tasche zu den anderen Münzen, die er vom Fußboden aufgesammelt hatte. Außerdem hatte er unter der einfachen Bettstatt noch eine fette Geldbörse gefunden.

Lathea hatte ihn zu einem reichen Mann gemacht. Wer wußte schon, daß die Hexenmeisterin so wohlhabend war? Endlich kehrte ein Teil dieses Geldes, das seine Mutter mit ihrer Spinnerei verdient und für seine verhaßte Medizin zum Fenster hinausgeworfen hatte, wieder zu Oba zurück. Der Gerechtigkeit war Genüge getan.

Oba wollte gerade zum Kamin hinübergehen, als er draußen das leise, aber unverkennbare Knirschen von Schritten im Schnee vernahm. Er erstarrte mitten in der Bewegung.

Die Schritte kamen näher, näherten sich der Tür zu Latheas Haus. Wer mochte so spät abends noch zu Lathea wollen?

Oba schnappte sich den neben dem Kamin lehnenden Schürhaken, bugsierte die brennenden Eichenscheite rasch aus der Feuerstelle und verteilte sie auf dem ölgetränkten Fußboden. Das Öl, die zersplitterten Holztrümmer, das Bettlaken und der gesteppte Überwurf fingen mit einem dumpfen Fauchen Feuer. Um Latheas Scheiterhaufen herum stieg kräuselnd dichter weißer Rauch auf.

Flink wie ein Wiesel huschte Oba durch das Loch, das die Hexenmeisterin praktischerweise bei dem Versuch, ihn mit ihrer Magie zu töten, in die Rückwand des Hauses gesprengt hatte.

Woher hätte sie auch wissen sollen, daß er nun unbesiegbar war. Jennsen wurde jäh nach hinten gerissen, als Sebastian sie am Arm festhielt. Sie drehte sich um und sah sein Gesicht im matten Lichtschein, der aus dem einzigen Fenster fiel; das orangefarbene Leuchten flackerte in seinen Augen. Sein ernstes Gesicht sagte ihr unmißverständlich, daß sie sich still verhalten solle.

Sebastian drückte sich auf seinem Weg zur Haustür an ihr vorbei und zog lautlos sein Schwert. Er lehnte sich ein Stück zur Seite, um einen Blick durch das Fenster zu erhaschen, ohne in den tiefen Schnee darunter treten zu müssen, dann drehte er sich um und rief ihr leise zu: »Es brennt!«

Jennsen lief zu ihm. »Beeilt Euch, vielleicht braucht sie Hilfe.«

Sebastian überlegte nur einen Augenblick lang, dann warf er sich durch die Tür; Jennsen folgte ihm dicht auf den Fersen. Der gesamte Raum war in ein ungestüm flackerndes Licht getaucht, das gespenstische Schatten an die Wände warf. In diesem unsteten Licht erschien alles unwirklich, unnatürlich groß und fehl am Platz.

Dann fiel ihr Blick auf die Trümmer in der Mitte des Raumes, Unter der Oberkante eines Möbelstücks, offenbar ein umgestürzter Schrank, lugte die leicht geöffnete Hand einer Frau hervor. Als sie um das Unterteil des zersplitterten Schranks herumging, sah sie plötzlich in aller Deutlichkeit vor sich, was von Lathea noch übrig war.

Der Schock ließ Jennsen erstarren. Sie war unfähig, sich von der Stelle zu rühren, ihre weit aufgerissenen Augen abzuwenden. Und der ekelerregende, alles durchdringende Gestank verursachte ihr Brechreiz.

Sebastian hatte im Gegensatz zu ihr die an die Rückseite des Schranks genagelten Überreste Latheas mit einem einzigen Blick erfaßt; aus seinen ruhigen Bewegungen schloß sie, er habe dergleichen wohl schon oft gesehen.

Jennsen.

Jennsens Finger schlossen sich fester um das Heft ihres Messers und sie spürte, wie sich die Metallkanten der Verzierungen in ihre Handfläche drückten. Schließlich überwand sie die in ihr aufsteigende Übelkeit, holte tief Luft und zog die Klinge blank.

Gib dich hin.

»Sie sind hier gewesen«, sagte sie leise. »Die d’Haranischen Soldaten sind hier gewesen.«

Was sie in seinen Augen sah, glich eher Überraschung und Verwirrung denn irgend etwas anderem.

Stirnrunzelnd sah er sich noch einmal um. »Glaubt Ihr wirklich?«

Jennsen.

Sie ignorierte das Echo der leblosen Stimme in ihrem Kopf und versuchte sich an den Mann zu erinnern, der ihnen nach ihrem ersten Besuch bei der Hexenmeisterin auf der Straße entgegengekommen war. Er war groß gewesen, blond und gut aussehend, wie die meisten d’Haranischen Soldaten. Konnte er vielleicht einer gewesen sein?

Nein, wenn überhaupt, so schienen sie eher ihn erschreckt zu haben als umgekehrt. Soldaten verhielten sich nicht so wie dieser Mann.

»Wer denn sonst? Wir haben sie ja nicht alle vorher gesehen. Es muß der Rest des Quadrons vom Überfall auf unser Haus gewesen sein. Sie müssen uns gefolgt sein, als wir über den Geheimpfad geflohen sind.«

Er sah sich noch immer suchend um, während die Flammen immer höher schlugen. »Ich schätze, Ihr könntet Recht haben.«

Gib dich hin.

»Aber woher konnten sie das wissen?«

»Bei den Gütigen Seelen, Lord Rahl ist ein Zauberer! Wie kann er die Dinge tun, die er tut? Wie hat er wohl unser Haus gefunden?«

»Euer Haus ...«, meinte er nachdenklich. »Ja. jetzt verstehe ich, was Ihr meint. Doch wo wollt Ihr hin?«

Ihre Blicke wanderten unschlüssig zwischen der offenen Tür und der immer weiter um sich greifenden Feuersbrunst vor ihnen hin und her.

»Im Augenblick haben wir keine andere Wahl«, stellte Jennsen fest. »Lathea war unsere einzige Hoffnung auf eine Antwort. Jetzt müssen wir den Palast des Volkes aufsuchen und ihre Schwester Althea finden. Sie ist ebenfalls Hexenmeisterin und die Einzige, die die Lücken in der Welt sehen kann – was immer das bedeuten mag.«

»Seid Ihr sicher, daß Ihr das wirklich riskieren wollt?«

Sie mußte an die Stimme denken, die sie seit der Ermordung ihrer Mutter nicht mehr gehört hatte.

»Welche andere Möglichkeit bleibt uns denn jetzt noch? Wenn ich jemals herausfinden möchte, warum Lord Rahl mich töten will, warum er meine Mutter ermordet hat. warum ich verfolgt werde und wie ich mich seinem Zugriff ein für alle Mal entziehen kann, dann muß ich diese Frau, diese Althea, finden.«

Er eilte mit ihr nach draußen in die bitterkalte Nacht. »Wir sollten jetzt besser zurückgehen und unsere Sachen zusammenpacken. Morgen früh können wir dann zeitig aufbrechen.«

»Jetzt, wo sie uns so dicht auf den Fersen sind, habe ich Angst, daß sie uns im Gasthaus im Schlaf überraschen. Ich habe noch das Geld meiner Mutter, und Ihr das, was Ihr den Männern abgenommen habt. Wir könnten uns Pferde kaufen und noch heute Abend verschwinden.«

Sebastian schob sein Schwert in die Scheide zurück, er überlegte, welche Alternativen sie hatten. »Wenigstens bleiben dank des Feuers keine Spuren zurück, die verraten könnten, was hier vorgefallen ist. Zumindest das schlägt für uns zu Buche. Niemand hat uns herkommen sehen, also dürfte auch niemand einen Grund haben, uns Fragen zu stellen. Bestimmt weiß auch niemand, daß wir ein zweites Mal hier waren. Kein Mensch hat einen Grund, den Soldaten von uns zu erzählen.« Er nahm ihren Arm. »Sputen wir uns.«

12

Also, wenn das kein Ding war! Die Geschichte wurde immer merkwürdiger. Diese Nacht steckte voller Überraschungen, eine dicht gefolgt von der nächsten.

Von seinem Versteck gleich hinter der Hausecke aus hatte Oba die Unterhaltung der beiden zum größten Teil mithören können. Anfangs war er sicher gewesen, sie würden loslaufen, um Hilfe zu holen. Oba bezweifelte zwar, daß man das Feuer löschen konnte, trotzdem war er einen Augenblick lang beunruhigt gewesen, da er befürchtete, der Mann und die Frau könnten Lathea aus dem Haus ziehen und sie aus der Feuersbrunst retten, damit irgendwelche Leute anschließend dort herumschnüffeln konnten. Das sähe der Hexenmeisterin ähnlich, daß sie einen Weg fand, ihn doch noch zu quälen – und das nach all der Arbeit, die er sich gemacht hatte!