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Vivian seufzte. »Hoffentlich.«

Sie hatte Mark nichts von der Seance erzählt, sondern ihn mit der gleichen erzwungenen Fröhlichkeit, mit der sie ihn am Morgen zum Masterton-Building gefahren hatte, am späten Nachmittag wieder von der Fifth Avenue abgeholt und auf seine Frage, wie der Nachtmittag bei Amy Masterton verlaufen wäre, nur ausweichend geantwortet. Sie konnte sich selbst noch keinen richtigen Reim auf die Ereignisse machen, und Mark würde ihr auch nicht helfen können. Im Moment hatte er genügend eigene Sorgen und war so erschöpft, daß er wahrscheinlich nicht einmal in der Lage wäre, ihren Worten richtig zu folgen.

»Masterton versucht natürlich, den Preis in die Höhe zu treiben, aber ich denke, er hat begriffen, daß ich jetzt keinen Dollar mehr zulege.« Mark grinste siegessicher. »Im Endeffekt machen wir beide ein glänzendes Geschäft.«

»Was ist er denn so für ein Typ?«

»Jonathan Masterton?« Mark verzog das Gesicht. »Ein eiskalter Hai. Knallhart. Stell dir eine Mischung aus Cecil Colby und einer Klapperschlange vor, dann hast du in etwa ein Bild von ihm. Ich bin nur froh, daß ich ihn nicht zum Feind habe. Als Geschäftspartner reicht er mir schon, mit ihm zu verhandeln, verdient wirklich die Bezeichnung Arbeit. Sonst kann ich nicht viel über ihn sagen. Und wie ist seine Frau?«

»Ganz nett«, entgegnete Vivian ausweichend. »Einbißchen geschwätzig und aufdringlich, aber recht lustig.«

»Kann man sich bei Jonathan kaum vorstellen. Wie war denn dein Nachmittag überhaupt so?«

Vivian antwortete nicht. Sie warf einen Blick in den Rückspiegel des Cadillac, setzte den Blinker und bog an einer Kreuzung ab. Der Cadillac war ein plumpes, schwerfälliges Fahrzeug, aber Vivian war eine geübte Fahrerin, die auch mit dem ungewohnt großen und protzigen Straßenkreuzer zurechtkam. Der wuchtige, altmodisch wirkende Bau des SHERIDAN-Hotels tauchte vor ihnen auf. Sie verringerte das Tempo und wollte den Wagen in die hoteleigene Tiefgarage lenken, als Mark sie von der Seite antippte. »Direkt hinter uns fährt einer raus«, sagte er.

Vivian hielt an und sah in den Spiegel. Wenige Meter hinter ihnen scherte gerade eine Limousine aus einer Parklücke aus, fast direkt vor dem Haupteingang des Hotels. Sie würden den Wagen in knapp einer Stunde ohnehin wieder brauchen, um zu dem Empfang bei Conelly zu fahren, da war es praktischer, direkt hier zu parken. Vivian legte den Rückwärtsgang ein und fuhr vorsichtig zurück, ohne sich umzudrehen. Der übergroße Innenspiegel des Cadillac genügte vollkommen.

Ein leichter Schlag traf den Wagen. Vivian trat instinktiv auf die Bremse. Sie hörte einen dumpfen Aufprall, dann den schmerzerfüllten Aufschrei eines Menschen. Vivian erbleichte, riß die Tür auf und sprang aus dem Wagen. Ein junger Mann lag direkt hinter dem Reifen des Cadillac. Er stöhnte. Auf seinem Gesicht lag ein schmerzerfüllter Ausdruck. Die Rechte preßte er fest gegen das Knie, wo ihn die Stoßstange des Wagens getroffen hatte. Der Mann mußte direkt in den Wagen gelaufen sein.

Vivian kniete sich neben den Verletzten. Sie konnte sich nicht erklären, wie es zu dem Unfall gekommen war. Sie war absolut sicher gewesen, daß die Straße leer war - sie hatte den Spiegel nicht eine Sekunde aus dem Auge gelassen. »Es ... es tut mir leid«, sagte sie unbeholfen. »Ich habe Sie übersehen.«

»Übersehen?« keifte eine Stimme. Vivian sah auf und blickte in das Gesicht eines alten, grauhaarigen Mannes. Er trug einen schäbigen Freizeitanzug, ein billiges, altes Nylonhemd und schwang drohend seinen Spazierstock. Außer ihm waren keine Passanten zu entdecken. Das SHERIDAN lag in einer ruhigen Nebenstraße. »Übersehen?« wiederholte er aggressiv. »Der Mann hat die ganze Zeit dort gestanden. Sie sind direkt in ihn hereingefahren.«

Auch Mark war inzwischen ausgestiegen. »Rufen Sie lieber einen Krankenwagen, statt Volksreden zu halten«, sagte er gereizt. »Der Mann ist verletzt.«

Der Alte grinste boshaft. »Damit ihr zwei inzwischen abhauen könnt, wie?« fragte er. »Ich hab's genau gesehen. Sie haben den armen Kerl ja fast mit Absicht über den Haufen gefahren. Nur, weil ihr euch dicke Schlitten leisten könnt, denkt ihr, die Straßen gehören euch.« Er wandte sich an den Verletzten. »Wenn Sie mich als Zeugen brauchen, Sir ...«

Der Mann schüttelte mühsam den Kopf und versuchte aufzustehen. Vivian half ihm. Schmerz zuckte über sein Gesicht, als er das verletzte Bein belastete, aber er blieb schwankend stehen. »Zuerst einmal rufen wir einen Krankenwagen«, sagte Vivian entschieden. »Wir besprechen alles andere später. Natürlich werde ich Sie entschädigen. Ich habe den Unfall schließlich verschuldet.«

»Wenn es ein Unfall war«, murmelte Mark.

Vivian sah verwirrt auf. »Wie meinst du das?«

Marks Zeigefinger richtete sich drohend auf den Alten, der noch immer dastand und Vivian streitlustig musterte. »Ist doch recht praktisch, gleich einen Zeugen bei der Hand zu haben, nicht wahr?« fragte er.

»Was soll das heißen?« keifte der Alte.

Mark fuhr unbeirrt fort. »Nichts«, sagte er ruhig. »Noch nicht, jedenfalls. Aber weder meine Frau noch ich haben den Mann gesehen. Und Sie behaupten, daß er die ganze Zeit über dagestanden hat.«

»Hat er auch!« brüllte der Alte. Er schnaufte, bedachte Mark mit einem vernichtenden Blick und wandte sich dann an das Unfallopfer. »Lassen Sie sich bloß nicht einschüchtern. Wir sollten die Polizei rufen. Die wird dann die Sache schon klären.«

Der Mann schüttelte mühsam den Kopf. »Keine Polizei!« sagte er. Seine Stimme klang seltsam, irgendwie eingeübt, so, als hätte er selten Gelegenheit, sie zu benutzen. Etwas an ihm störte Vivian. Er war ... sonderbar, irgendwie blaß, dünn und farblos.

»Ruf einen Krankenwagen, Mark«, bat sie.

Mark nickte, warf dem Alten einen letzten, warnenden Blick zu und ging mit raschen Schritten in Richtung Hotel davon.

»Bitte keinen Krankenwagen, das ist nicht nötig. Mir geht es gut. Ich ... ich bin nicht verletzt«, beharrte der Mann.

»Gleich wird sie Ihnen Geld anbieten«, keifte der Alte, durch Marks Abwesenheit schon wieder merklich mutiger geworden. »Gehen Sie nicht darauf ein. Diese reichen jungen Gören glauben, sich alles erlauben zu können. Aber das Recht können sie mit ihrem Geld nicht kaufen. Noch nicht, jedenfalls.«

Vivian fuhr erbost herum. Ihre dunklen Augen blitzten wütend auf. »Es reicht«, sagte sie mit mühsam beherrschter Stimme. »Ich weiß, daß ich an dem Unfall schuld bin. Es tut mir aufrichtig leid, und ich werde den Mann entschädigen. Aber zuerst kümmern wir uns darum, daß er in ärztliche Behandlung kommt.« Normalerweise gehörte einiges mehr dazu, sie aus der Fassung zu bringen. Aber sie war nach dem Unfall nervös, und die vollkommen unbegründete Aggressivität des Alten reizte sie noch mehr. »Vielleicht sparen Sie sich Ihre Gardinenpredigt auf, bis die Polizei hier ist«, fügte sie hinzu.

Das Selbstvertrauen des Alten schien merklich angeknackst. Augenscheinlich hatte er sich in Vivian getäuscht - wie schon viele vor ihm. Trotz ihres jugendlichen Aussehens war Vivian eine Frau, die durch ein paar böse Worte allein nicht einzuschüchtern war. Dafür hatte sie schon zuviel erlebt, und gerade an diesem Tag hatte sie andere Sorgen, als sich mit einem verrückten alten Mann herumzustreiten, der sich unbedingt profilieren wollte, nur weil er zufällig Zeuge des Unglücks geworden war.

Sie spürte eine zaghafte Berührung an der Schulter und drehte sich um. »Hören Sie, Miß«, sagte der Verletzte, »es ... es geht schon besser. Ich glaube wirklich nicht, daß wir den Krankenwagen benötigen.«

Vivian runzelte unwillig die Stirn. Der Mann wirkte blaß und verstört, und in seinen Augen stand ein seltsames Flackern. Ganz offensichtlich stand er unter einem Schock. »Es ist wirklich nichts passiert«, fuhr er eindringlich fort. »Mein Bein ist vollkommen in Ordnung. Hier - sehen Sie selbst.« Um seine Worte zu untermauern, hüpfte er auf dem verletzten Bein auf und ab. Aber offensichtlich hatte er sich überschätzt. Er stieß einen schmerzhaften Seufzer aus, taumelte und wäre gestürzt, wenn Vivian nicht blitzschnell zugegriffen und ihn am Arm festgehalten hätte.