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»Ich gestehe ein, ich brauche ein Bad«, sagte Nafai.

»Ich werde dich heute abend waschen«, sagte Luet.

»Ich hatte gehofft, daß du das sagst«, erwiderte er. »Ständig badest du Veja, und das macht mich eifersüchtig.«

»Du warst heute großartig«, sagte sie.

»Ich habe nur ein wenig geschnitzt, während die Überseele Wissen in meinen Kopf gepumpt hat. Und dann Tiere getötet, die zur Flucht zu dumm waren.«

»Ja, das alles — großartig. Und mehr. Was du mit deinem Vater gemacht hast.«

»Es war die richtige Entscheidung«, sagte er. »Nicht mehr als das. Nichts im Vergleich zu dem, was du getan hast. Eigentlich hättest du es verdient, heute abend verwöhnt zu werden.«

»Ich weiß«, sagte sie. »Aber zuerst muß ich dich baden. Es macht keinen Spaß, von jemandem verwöhnt zu werden, der so schlimm stinkt, daß man würgen muß.«

Als Antwort umarmte er sie und begrub ihre Nase in seiner Achselhöhle. Sie kitzelte ihn, um sich zu befreien.

Rasa betrachtete sie über das Feuer hinweg und dachte: Solche Kinder! So jung, so verspielt. Ich bin so froh, daß sie noch so sein können. Eines Tages, wenn nur noch die Pflichten der Erwachsenen auf ihnen lasten, werden sie diese Eigenschaft verlieren. Sie wird durch ein langsameres, ruhigeres Spiel ersetzt werden. Doch jetzt können sie noch alle Sorgen abwerfen und sich daran erinnern, wie schön das Leben ist. In der Wüste oder der Stadt, in einem Haus oder einem Zelt — daraus besteht doch das wahre Glück, oder nicht?

8

Überfluß

Am nächsten Morgen beluden sie die Kamele und brachen in südöstliche Richtung auf. Niemand sagte etwas dazu, aber alle wußten, daß sie eine gewisse Entfernung zwischen sich und die Dorova-Bucht legen wollten. Es war noch immer keine leichte Aufgabe, einen Weg durch das Tal der Feuer zu finden, und sie mußten mehrmals umkehren, obwohl Elemak nun normalerweise vorausritt, oft mit Vas, um einen brauchbaren Pfad zu suchen. Volemak sagte ihm morgens, was der Index ihm geraten hatte, und Elemak markierte dann den Weg, der zu den leichtesten Auf- und Abstiegen von einem Plateau zum nächsten führte.

Nach ein paar Tagen fanden sie eine weitere Trinkwasserquelle, die sie Strelaj nannten, weil sie hier einige Zeit darauf verwenden wollten, Pfeile zu machen. Nafai zog los und suchte Exemplare von Bäumen, deren Holz sich der Überseele zufolge am besten dazu eignete; schon bald hatten sie Dutzende von Schößlingen zusammengetragen. Aus einigen fertigten sie sofort Bögen, mit denen sie üben und jagen konnten; die anderen nahmen sie mit, damit sie zu Holz reiften, das seine Elastizität bewahren würde. Sie machten auch Hunderte von Pfeilen und übten sich im Schießen, sowohl die Männer als auch die Frauen, denn, wie Elemak sagte: »Es kommt vielleicht eine Zeit, da unser Leben von der Schießkunst unserer Frauen abhängt.«

Diejenigen, die gute Schützen mit dem Pulsator gewesen waren, entwickelten sich nach einiger Übung auch zu guten Bogenschützen, doch die wirkliche Herausforderung bestand darin, genug Kraft zu entwickeln, die Sehne so weit und ruhig durchzuziehen, daß man auch weiter entfernte Ziele traf. Keinem taten in der ersten Woche nicht die Arme, der Rücken und die Schultern weh; Kokor, Dol und Rasa gaben ziemlich schnell auf und versuchten es nie wieder. Doch Sevet und Huschidh entwickelten sich zu ziemlich guten Schützen, solange sie kleinere Bogen als die Männer benutzten.

Issib kam auf die Idee, die Pfeile bunt und grell zu färben, damit man sie leichter wiederfand.

Dann zogen sie weiter, von der Quelle zum Feuer, und übten sich dabei im Bogenschießen. Sie wurden stolz auf die Kraft in ihren Armen. Der Wettstreit unter den Männern, wer denn nun der beste Schütze sei, wurde allmählich ziemlich heftig; die Frauen stellten dies fest, sprachen aber nur untereinander darüber, daß die Männer nur auf Ziele schießen wollten, die so weit entfernt waren, daß die Frauen sie mit ihren kleineren Bogen nicht zielsicher erreichen konnten. »Sollen sie doch ihren Spaß haben«, sagte Huschidh. »Es wäre zu erniedrigend für sie, von einer Frau besiegt zu werden.«

Ohne es eigentlich zu wollen, zogen sie schon bald parallel zum Karawanenweg weiter, und zwar sehr nahe — sie mußten eine Weile wieder rohes Fleisch essen. Eines Morgens kam Volemak dann, den Index unter dem Arm, aus seinem Zelt und verkündete: »Die Überseele sagt, daß wir nun in westliche Richtung in die Berge ziehen müssen, bis wir zum Meer gelangen.«

»Laß mich raten«, sagte Obring. »Dort gibt es keine Städte.«

Niemand antwortete ihm. Und niemand erwähnte ihr letztes Abenteuer am Reinigenden Meer.

»Warum sollen wir jetzt nach Westen ziehen?« fragte Elemak. »Wir haben das Tal der Feuer kaum zur Hälfte durchquert — der Karawanenweg stößt erst wieder tief im Süden, an der See des Feuers, ans Meer. Wir weichen lediglich weit von unserem Weg nach Westen ab.«

»Im Westen sind Flüsse«, sagte Volemak.

»Nein, das stimmt nicht«, sagte Elemak. »Wären dort welche, hätten die Karawanenführer sie schon längst gefunden und benutzt. Dann würde es dort Städte geben.«

»Trotzdem«, sagte Volemak, »schlagen wir die westliche Richtung ein. Die Überseele sagt, daß wir wieder über längere Zeit ein Lager aufschlagen müssen — um Getreide anzupflanzen und zu ernten.«

»Warum?« fragte Mebbekew. »Wir kommen gut voran. Den Kindern geht es prächtig. Warum sollen wir wieder ein Lager aufschlagen?«

»Natürlich, weil Schedemei schwanger ist«, sagte Volemak, »und sie von Tag zu Tag unter stärkerer Übelkeit leidet.«

Alle sahen Schedemei überrascht an. Sie errötete — und sah nicht weniger überrascht aus als die anderen. »Ich habe es erst heute morgen vermutet«, sagte sie. »Wie kann die Überseele wissen, was ich nur vermute?«

Volemak zuckte die Achseln. »Sie weiß, was sie weiß.«

»Ein ziemlich schlechter Zeitpunkt, Schedja«, sagte Elemak. »Alle anderen Frauen können nicht schwanger werden, weil sie stillen, und nun müssen wir auf dich warten.«

Ausnahmsweise ließ Zdorab sich zu einer scharfen Antwort hinreißen. »Manche Dinge kann man nicht genau planen, Elja. Also spreche keine Schuld zu, wenn kein Willensentscheid dahinter steht.«

Elemak sah ihn ruhig an. »Das tue ich nie«, sagte er. Doch dann ließ er es dabei bewenden und ritt in westliche Richtung los, um einen Weg für die Karawane zu finden.

Sie stießen nun in die richtigen Berge vor — vulkanische mit einigen jüngeren Lavaflüssen, die sich noch nicht zu Erde zersetzt hatten. Issib benutzte den Index, um Informationen über die Gegend zu bekommen — bis zum Reinigenden Meer gab es mindestens fünfzig aktive und zur Zeit ruhende Vulkane. »Der letzte Ausbruch hat erst vor einem Jahr stattgefunden«, sagte er, »aber viel weiter im Süden.«

»Das ist vielleicht der Grund, weshalb die Überseele uns so weit nach Norden schickt«, sagte Volemak.

So schwer der Aufstieg auch war, der Abstieg auf der anderen Seite war noch schwerer — das Gelände war steiler und dichter bewachsen. Es handelte sich fast um einen Dschungel auf den Hängen eines hohen Berges.

»Die Winterwinde kommen vom Meer«, sagte Issib, »und auch im Sommer kommt es hier fast jeden Tag zu Böen. Die Berge fangen die Wolken ab und zwingen sie in die kältere Atmosphäre hinauf, und sie regnen sämtliche Feuchtigkeit in ihnen ab. Also ist hier oben in den Bergen ein Regenwald entstanden. Unten am Meer wird es nicht mehr so naß sein.« Sie hatten sich daran gewöhnt, daß Issib den Index erkundete; während ihrer Reisetage war er der einzige, der keine anderen Pflichten hatte, und er führte den Index mit sich und hatte fast ständig eine Hand auf ihn gelegt. Zdorab hatte ihm so viele Tricks und Hintertüren gezeigt, daß er im Umgang mit ihm jetzt fast so geschickt wie der Bibliothekar selbst war. Und niemand äußerte sich geringschätzig über den Wert der Informationen, die Issib beschaffte, denn mehr konnte er nicht beschaffen.