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Sie waren mitten in einem schwierigen Stück, das eine gekrümmte Schlucht hinabführte, als sie das Erdbeben spürten — ein ziemlich starkes, das zwei Kamele von den Füßen riß und die anderen verwirrt hin und her laufen ließ.

»Aus der Schlucht!« rief Issib sofort.

»Heraus? Wie?« fragte Volemak.

»Ganz gleich, wie!« rief Issib. »Der Index sagt, daß das Erdbeben einen See hoch oben in den Bergen aufgerissen hat — alles, was sich in der Schlucht befindet, wird weggespült werden!«

Es war eine besonders schlechte Zeit für einen Notfall — Elemak und Vas waren weit voraus und suchten einen Weg, und Nafai und Obring waren ein Stück höher in den Bergen auf der Jagd. Aber Volemak hatte viel länger Karawanen geführt als Elemak und war ebenfalls einfallsreich. Er schätzte die Wände der Schlucht schnell ab und wählte einen Weg durch ein Felsgewirr in eine Nebenschlucht, die den Berg hinaufführte. »Ich reite voran«, sagte er, »weil ich am besten weiß, wozu die Kamele fähig sind. Luet, du führst die Frauen und Kinder — Meb, du treibst mit Zdorab die Packtiere an! Die Vorräte zuerst, die Kältetruhen und Trockenbehälter zuletzt. Issib, du bleibst in Hörweite mit ihnen und gleichzeitig mit dem Index in Verbindung! Sag ihnen, wenn keine Zeit mehr bleibt. Dann müssen sie die Kamele aufgeben und sich selbst retten. Sie müssen sich retten, und du mußt dich auch retten, Issja — das ist wichtiger als alles andere. Hast du verstanden?«

Er fragte alle, und alle nickten mit aufgerissenen Augen und entsetzten Gesichtern.

»Elemak ist in der Schlucht«, sagte Eiadh. »Jemand muß ihn warnen.«

»Elja hört die Stimme der Überseele selbst«, sagte Volemak. »Das Wasser kommt zu schnell, als daß die Kamele mithalten könnten. Rette sein Kind und seine Frau, Edhja. Und nun kommt.« Er zog sein Kamel herum und begann mit dem Aufstieg.

Die Kamele waren nicht zum Klettern geschaffen. Ihre gemächliche Geschwindigkeit konnte einen in den Wahnsinn treiben. Doch sie stiegen stetig auf. Die Erde erzitterte noch zweimal — aber die Nachbeben waren nicht so heftig wie das erste. Volemak und die Frauen schafften es bis ganz nach oben. Volemak überlegte kurz, ob er umkehren und den anderen helfen sollte, doch Luet erinnerte ihn daran, daß der Weg an mehreren Stellen nicht breit genug für zwei Kamele war — er würde ihnen also keinen Beistand leisten können, sondern sie nur behindern.

Alle Kamele waren über dem Grund der Schlucht, als Issib »Jetzt! Um euer Leben!« rief. Als er sah, daß Meb und Zdorab ihn gehört hatten, zog er sein Kamel herum und drängte es zwischen die Lasttiere. Doch er hatte sein Tier nicht fest genug im Griff, um es zu zwingen, schneller als die anderen zu laufen. Als Meb ihn überholte, riß er Issib die Zügel aus den schwachen Händen und zog das Kamel immer schneller voran. Doch kurz darauf erreichten sie eine schmale Stelle, an der zwei Kamele nicht nebeneinander laufen konnten, besonders nicht, wenn eins mit der Masse von Issibs Stuhl beladen war. Ohne zu zögern — ohne auch nur zu warten, daß sein Kamel niederkniete, um ihn absteigen zu lassen — sprang Meb zu Boden, ließ die Zügel seines Kamels los, zerrte an denen von Issibs Tier und zog es durch den Engpaß.

Kurz darauf kam Zdorab durch die gleiche schmale Stelle und schloß zu ihnen auf. »Der Index!« rief er.

Da Issib ihn nicht hochheben konnte, deutete er auf die Tasche auf seinem Schoß. »Ich habe ihn an den Sattelknopf gebunden!« rief er.

Zdorab trieb sein Tier heran; Meb hielt Issibs Kamel fest. Zdorab griff gewandt zu, löste die Tasche vom Sattelknauf und ritt dann voraus, den Index wie eine Trophäe schwenkend.

»Laufe voraus!« rief Issib Meb zu.

Meb ignorierte ihn und zerrte weiterhin sein Kamel bergauf, wobei sie die langsameren Lasttiere überholten.

Bald gelangten sie an die Stelle, an der Zdorab, Luet, Huschidh, Schedemei, Sevet und Eiadh zu Fuß warteten. Mebbekew wurde klar, daß er jetzt fast ganz oben sein mußte — Zdorab mußte den Index bei Volemak gelassen, und Rasa und die anderen Frauen mußten die Kinder noch höher getragen haben. »Nimm Issib!« rief Meb und drückte Zdorab die Zügel in die Hand. Dann lief er die Schlucht hinab zum nächsten Packtier. Er drückte die Zügel des Kamels Luet in die Hand. »Zieh es hinauf!« rief er. Allen Frauen drückte er nacheinander die Zügel eines Lasttiers in die Hände. Sie hörten das Wasser nun, ein lautes Tosen, und fühlten das Grollen in der Erde. »Schneller!« rief Meb.

Es standen gerade genug Frauen dort, um die Zügel aller Packtiere zu übernehmen. Nur Mebs Stute, die letzte in der Reihe, blieb ohne Hilfe. Sie hatte eindeutig Angst vor dem Wasser, dem Zittern der Erde, und wurde zusehends langsamer. »Glupost!« lockte Meb sie. »Komm schon! Schnell, Glupost!« Doch er ließ die Zügel des letzten Packtiers nicht los, denn er wußte, daß die Kältetruhen, die es trug, auf lange Sicht wichtiger waren als sein Reittier.

»Laß los, Meb!« rief Zdorab. »Das Wasser kommt!«

Sie konnten von ihrem Standort aus das Wasser bereits sehen, so hoch war es — höher als das obere Ende der Schlucht, so daß sie instinktiv den Hang, auf dem sie standen, noch höher hinaufliefen. Ganz oben war man jedoch sicher, denn so hoch reichte es nun auch wieder nicht.

Doch das Wasser, das in die Seitenschlucht gedrängt wurde, durch die sie hinaufgeklettert waren, schoß mit solcher Gewalt hinauf, daß es höher stieg als das in der Hauptschlucht. Es knallte gegen die letzten beiden Kamele und dann gegen Meb, riß sie alle von den Füßen und schleuderte sie die Nebenschlucht hinauf. Meb hörte, daß Frauen schrien — war das Dol, die Mebs Namen brüllte? —, und fühlte dann, wie das Wasser fast genauso schnell wieder sank und ihn hinabzerrte. Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, die Zügel loszulassen und sich zu retten; dann wurde ihm klar, daß das Packtier sich mit gespreizten Beinen gegen die Fluten stemmte und sichereren Halt hatte als er selbst. Also hielt er sich am Zügel fest und wurde nicht mitgerissen. Doch als er dort hing, gegen die Seite des Kamels gedrückt, das er gerettet hatte und das nun ihn rettete, sah er, daß seine Stute Glupost von den Beinen gerissen und in den Mahlstrom der Schlucht gezerrt wurde.

Sekunden später fühlte er viele Hände auf seinem Körper, die ihm die Zügel aus den Fingern wanden und ihn dann, tropfnaß und zitternd, zu den anderen hinaufführten. Volemak umarmte ihn weinend. »Ich dachte, ich hätte dich verloren, mein Sohn, mein Sohn.«

»Was ist mit Elja?« klagte Eiadh. »Wie konnte er sich davor retten?«

»Und Vas«, sagte Rasa leise.

Mehrere Angehörige der Gruppe sahen Sevet an, deren Gesicht hart und steinern war.

»Nicht alle zeigen Furcht auf dieselbe Weise«, murmelte Luet und beendete damit alle möglichen Spekulationen über die Unterschiede zwischen Eiadhs und Sevets Reaktionen. Luet wußte sehr wohl, daß Sevet wenig Grund hatte, sich Sorgen zu machen, ob Vas überlebt hatte oder tot war – wenngleich sie sich fragte, wieviel Sevet überhaupt von Vas’ Plan wußte.

Luet betrübte am meisten, daß Nafai nicht bei ihnen war. Er und Obring befanden sich höchstwahrscheinlich zwar in höherem Gelände und damit in Sicherheit. Doch sie würden sich trotzdem große Sorgen machen.

Sag ihm, daß wir in Sicherheit sind, sagte sie stumm zur Überseele, Und sage mir — lebt Elemak? Und Vas?

Sie leben, kam die Antwort in ihren Geist.

Sie teilte es den anderen mit, die sie halb erleichtert, halb zweifelnd betrachteten. »Sie leben«, wiederholte sie. »Mehr hat die Überseele mir nicht gesagt. Reicht das nicht?«