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»Aber wir haben zwei Rehe mitgebracht«, fügte Obring zufrieden hinzu.

Nachdem alle wieder zusammen waren, hielt Volemak eine kleine Rede, mit der er diesen Ort als ihr Lager bestimmte. »Den Fluß im Norden werden wir Ojkib nennen, nach dem erstgeborenen Jungen dieser Expedition, und der im Süden heißt Protschnu, nach dem erstgeborenen Jungen der nächsten Generation.«

Rasa war aufs gröbste verletzt. »Warum nennst du sie nicht Dza und Schveja, nach den ersten beiden Kindern, die auf unserer Reise geboren wurden?«

Volemak sah sie ruhig an, antwortete aber nicht.

»Dann verlassen wir diesen Ort besser wieder, bevor die Jungen alt genug sind, um zu wissen, daß du sie einzig und allein geehrt hast, weil sie einen Penis haben.«

»Hätten wir nur zwei Mädchen und zwei Flüsse, hätte Vater die Flüsse nach ihnen benannt«, sagte Issib, um Frieden zu stiften.

Sie wußten natürlich, daß dies nicht stimmte. Rasa versuchte noch einige Wochen lang, Volemak dazu zu bewegen, sie den Nördlichen und den Südlichen Fluß zu nennen; doch Volemak beharrte unerbittlich darauf, sie Ojkib und Protschnu zu nennen. Und da die Männer öfter unterwegs waren und daher die Flüsse auch öfter durchquerten und in ihnen fischten und einzelne Stellen an den Flußläufen bezeichnen mußten, setzten die Namen Ojkib und Protschnu sich durch. Ob es sonst jemandem auffiel oder nicht — zumindest Luet stellte fest, daß Rasa sich niemals an diese Namen gewöhnte und immer schweigsam und kalt wurde, wenn jemand sie aussprach.

Nur einmal besprachen Nafai und Luet diese Angelegenheit. Nafai war nicht besonders mitfühlend. »Rasa hat auch nichts dagegen gehabt, daß in Basilika Frauen alles bestimmten und Männer die Seen noch nicht einmal betrachten durften.«

»Das war ein heiliger Ort für Frauen. Der einzige derartige Ort auf der Welt.«

»Was hat das damit zu tun?« sagte Nafai. »Es sind doch nur zwei Namen für zwei Flüsse. Wenn wir hier aufbrechen, weiß niemand sonst, wie wir sie genannt haben.«

»Warum dann also nicht Nördlichen Fluß und Südlichen Fluß?«

»Das ist nur ein Problem, weil Mutter eins daraus gemacht hat«, sagte Nafai. »Jetzt machen wir nicht auch noch eins daraus.«

»Ich will doch nur wissen, warum du mit der Entscheidung einverstanden bist!«

Nafai seufzte. »Denke doch nur mal darüber nach, was es für Vater bedeuten würde, wenn ich sie plötzlich Nördlichen und Südlichen Fluß nennen würde. Und für die anderen Männer. Das würde wirklich zu Spannungen führen. Und ich bin nicht besonders versessen darauf, mich noch weiter von den anderen Männern abzusondern.«

Luet hatte eine Weile daran zu kauen. »Na schön«, sagte sie schließlich. »Das sehe ich ein.«

Und dann, nachdem sie noch etwas darüber nachgedacht hatte, sagte sie: »Aber du hast gar nicht gewußt, daß es falsch war, die Flüsse nach den beiden Jungen zu nennen, bis Mutter darauf hingewiesen hat, nicht wahr?«

Er antwortete nicht.

»Und du siehst auch jetzt nicht ein, daß es falsch war, oder?«

»Ich liebe dich«, sagte Nafai.

»Das ist keine Antwort«, sagte sie.

»Da bin ich anderer Meinung«, sagte er.

»Und wenn ich dir nie einen Sohn schenke?« sagte sie.

»Dann werde ich mit dir schlafen, bis wir hundert Töchter haben«, sagte Nafai.

»In deinen Träumen«, sagte sie garstig.

»In deinen, meinst du«, sagte er.

Sie nahm sich bewußt vor, ihm deshalb nicht böse zu sein, und als sie wieder miteinander schliefen, war sie so bereitwillig und leidenschaftlich wie eh und je. Doch als er danach neben ihr einschlief, wurde sie zunehmend besorgter. Was würde es für sie bedeuten, wenn ihre Gruppe so von Männern dominiert wurde, wie Basilika von Frauen dominiert worden war?

Warum müssen wir dies tun? fragte sie sich. Wir hatten die Chance, unsere Gruppe ganz anders zu gestalten, als der Rest der Welt gestaltet ist. Ausgeglichen und fair, unparteiisch, gerecht. Doch selbst Nafai und Issib scheinen keine Einwände zu haben, daß sie aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Ist die Rivalität zwischen Männern und Frauen so stark, daß der Einfluß der einen Gruppe immer zu Lasten der anderen gehen muß? Liegt es in unseren Genen? Muß eine Gemeinschaft immer von dem einen oder dem anderen Geschlecht beherrscht werden?

Vielleicht, dachte sie. Vielleicht sind wir wie die Paviane. Wenn wir in einer stabilen und zivilisierten Umgebung leben, entscheiden die Frauen alles, gründen Haushalte, pflegen die Beziehungen, schaffen sich eine Nachbarschaft und Freundschaften. Doch wenn wir ein nomadisches Leben führen, um unser Überleben kämpfen müssen, herrschen die Männer und dulden keine Einmischung von den Frauen. Vielleicht macht das die Zivilisation aus — die Dominanz der Frauen über die Männer. Und wann immer diese Zivilisation zusammenbricht, nennen wir das Ergebnis unzivilisiert, barbarisch … männlich.

Sie verbrachten das Jahr zwischen den Flüssen und warteten darauf, daß Schedemeis Kind geboren wurde. Es war ein Sohn; sie nannten ihn Padarok — Geschenk — und riefen ihn Rokja. Dann, nach dem ersten Jahr, hätten sie weiterziehen können, doch als der kleine Rokja geboren wurde, waren drei andere Frauen wieder schwanger — darunter Rasa und Luet, die während der Schwangerschaft am zerbrechlichsten gewesen waren. Also blieben sie für eine zweite Ernte und noch ein paar Monate länger, bis alle Frauen außer Sevet entbunden hatten. Daher traten die nächste Etappe der Reise dreißig Personen an, und die erste Generation der Kinder konnte schon laufen und — die meisten jedenfalls — sprechen, bevor sie sich wieder auf den Weg machten.

Es waren gute zwei Jahre gewesen. Statt die Wüste bebauen zu müssen, verfügten sie nun über üppige, vom Regen bewässerte Felder auf gutem Mutterboden. Ihre Ernten waren vielfältiger; die Jagd war einträglicher; und sogar die Kamele gediehen prächtig und gebaren ihnen fünfzehn neue Lasttiere. Ein größeres Problem war das Anfertigen von Sätteln — keiner von ihnen hatte diese Fertigkeit gelernt —, doch schließlich gelang es ihnen, je zwei Kleinkinder auf den vier fügsamsten Tieren unterzubringen, die stets im Schlepptau der Kamele der Frauen marschierten. Als die Kinder zum erstenmal auf die Sättel gesetzt wurden, bekamen einige es mit der Angst zu tun — Kamele sind nun mal so fürchterlich groß —, doch sie gewöhnten sich schnell daran und fanden schließlich sogar Spaß am Reiten.

Die Reise über die Savanne am Meeresufer ging leicht vonstatten; sie kamen so gut voran wie nie zuvor, sogar besser als in der flachen Wüste südlich und westlich von Basilika. Nach drei Tagen erreichten sie eine gut bewässerte Bucht, die die Männer bereits kannten, da sie dort in den letzten zwei Jahren gejagt und gefischt hatten. Doch am Morgen jagte Volemak allen einen Schrecken ein, indem er ihnen sagte, daß ihr Weg nun nicht mehr nach Süden, wie sie alle erwartet hatten, sondern nach Westen führte.

Nach Westen! Ins Meer!

Volemak deutete auf eine felsige Insel, die sich keine zwei Kilometer entfernt aus dem Meer erhob. »Dahinter liegt eine weitere Insel, eine große. Wir werden auf dieser Insel noch einmal die Strecke zurücklegen müssen, die wir zurückgelegt haben, seit wir Mebbekews Tal verlassen haben.«

Nafai und Elemak versuchten bei Ebbe, die Meerenge zwischen dem Festland und der Insel zu durchwaten. Sie schafften es und mußten in der Mitte nur ein kurzes Stück schwimmen. Doch die Kamele scheuten, und so mußten sie Flöße bauen. »Ich habe das schon einmal gemacht«, sagte Elemak. »Natürlich nie bei einer Salzwasser-Überquerung, aber hier ist das Meer ziemlich ruhig.«