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Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, mit dem Gesicht zuerst gegen die Wand zu springen, gab ihn aber schnell wieder auf — schließlich hatte er gerade eben den Eindruck gehabt, mit der Faust gegen eine Wand zu schlagen, und er war nicht besonders versessen darauf, dies mit dem Gesicht oder den Hoden zu versuchen. Es würde sich auch nicht hervorragend anfühlen, es mit dem Hintern zuerst zu probieren, aber das war das geringere von zwei Übeln.

Er ging ein Stück am Rand der Barriere entlang, bis er auf einen ziemlich steilen Hügel stieß. Er stieg bis ganz oben hinauf, atmete ein paarmal tief durch, verabschiedete sich flüsternd von seiner Familie und lief dann wieder hinab. Schon nach einem Augenblick rannte er völlig unkontrolliert, doch als er die Wand fast erreicht hatte, stellte er einen Fuß quer und riß seinen Körper in einer wilden Drehung herum, die ihn flach gegen die Barriere werfen sollte.

Natürlich schaffte er es nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Statt dessen glitt sein Hintern zuerst hindurch, und dann, als er langsamer wurde, seine Schenkel und der Rumpf bis zu den Schultern. Die Arme und der Kopf blieben außerhalb der Barriere, doch seine Füße glitten hindurch und prallten auf den steinigen Boden auf der anderen Seite. Seine Fersen schmerzten, aber das war ihm im Augenblick gleichgültig, denn sein Körper steckte innerhalb, die Arme und der Kopf hingegen außerhalb der Barriere.

Ich muß wieder hinaus, dachte er, und es noch einmal versuchen.

Zu spät. Im letzten Moment, in dem er sich überhaupt noch bewegte, glitten seine Schultern ebenfalls hinein. Er steckte wieder fest wie zuvor, als er den Körper nicht dazu hatte bringen können, den Armen zu folgen. Der wichtigste Unterschied war jedoch, daß sein Kopf sich außerhalb der Barriere befand und das Kinn und die Ohren den größten Widerstand zu leisten schienen. Noch schlimmer war, daß er nicht einmal die Arme hineinbringen konnte, weil er das volle Körpergewicht benötigte, um sie hindurchzuziehen, und solange sein Kinn auf der Barriere hing, war ihm dies nicht möglich.

Das muß die dümmste Todesart sein, die je jemand erlitten hat, dachte Nafai.

Erinnere dich an deine Geometrie, sagte er sich. Erinnere dich an die Anatomie. Das Kinn steht vielleicht in einem zu scharfen Winkel vom Hals ab, um es hindurchzuziehen, doch der Hinterkopf ist glatt und leicht geschwungen. Wenn ich das Kinn vorschiebe und den Kopf zurücklege … vorausgesetzt, ich reiße mir dabei nicht die Ohren ab … aber die sind doch biegsam, oder?

Langsam und unter großen Mühen schob er den Kopf zurück und spürte, daß er hindurchglitt. Ich schaffe es, dachte er. Und dann werden meine Arme kein Problem mehr sein.

Sein Kopf glitt ganz plötzlich hindurch, und das Gesicht befand sich voll innerhalb der Barriere. Jetzt ragten nur noch die Arme hinaus.

Er wollte sie hindurchziehen, nachdem er sich einen Moment lang ausgeruht hatte, doch während er sich, vor Anstrengung keuchend, ausruhte, stellte er fest, daß seine Atemnot nur noch größer und allmählich unerträglich wurde. Irgendwie erstickte er, obwohl er tiefe Atemzüge seltsam riechender Luft in die Lungen sog.

Seltsam riechende Luft, trocken und kalt, und er bekam keinen Sauerstoff! Noch während die Panik in ihm emporstieg, begriff sein rationaler Verstand, was er schon von Anfang an hätte wissen müssen: Hinter der Barriere lebte nichts, weil es hier keinen Sauerstoff gab. Dieser Ort sollte sämtlichen Verfall aufhalten — und der stärkste Verfall, der schnellste, hing mit dem Vorhandensein von Sauerstoff zusammen, oder von Sauerstoff und Wasserstoff, die gemeinsam Wasser bildeten. Hier konnte es kein Leben geben, und daher konnten noch nicht einmal Mikroben Oberflächen zerfressen; hier gab es kein Wasser, das kondensieren oder gefrieren oder fließen konnte; und keine Oxydation von Metall. Und wenn die Atmosphäre nicht einmal anaerobe Lebensformen ermöglichte, konnte es innerhalb der Barriere nur wenig geben, das Verfall herbeiführte, einmal abgesehen von Sonnenlicht, kosmischer Strahlung und Atomzerfall. Diese Barriere war errichtet worden, damit alles, was sich in ihr befand, erhalten blieb — damit es vierzig Millionen Jahre überdauern konnte!

Die plötzliche Erkenntnis über den Zweck der Barriere war kein Trost. Denn sein rationaler Verstand hatte nicht mehr besonders viel Kontrolle. Er hatte kaum begriffen, daß er nicht atmen konnte, als seine Hände, die noch auf der anderen Seite der Barriere steckten, nach Luft griffen und versuchten, ihn durch die Barriere zu ziehen. Doch er war in genau der gleichen Situation wie zuvor, als er draußen gestanden und nur einen Arm durch die Mauer gesteckt hatte. Er konnte die Arme tiefer in die Barriere stoßen, doch als sein Gesicht und die Brust die Wand erreichten, kam er nicht mehr voran. Seine Hände konnten die atembare Luft auf der anderen Seite berühren, doch das war auch schon alles.

Vor Furcht außer sich, schlug er mit dem Kopf gegen die Barriere, doch die Hebelwirkung reichte einfach nicht aus, um den Kopf durch die Wand in die atembare Luft zu stecken. Er würde wirklich sterben. Und doch schlug er immer wieder, immer heftiger, mit dem Kopf gegen die Barriere.

Vielleicht machte der letzte Schlag ihn benommen; vielleicht hatte der Sauerstoffmangel ihn einfach geschwächt, oder er verlor einfach das Gleichgewicht. Auf jeden Fall stürzte er zurück. Die Barriere verlangsamte seinen Fall, als seine Arme langsam durch die unsichtbare Mauer glitten.

Ausgezeichnet, dachte Nafai. Jetzt muß ich nur noch die andere Seite des Hügels hinauflaufen, dann wieder zur Barriere hinab und hindurch, aber diesmal mit dem Gesicht zuerst. Doch noch während er fröhlich diesen Plan faßte, wußte er, daß er nicht funktionieren würde. Er hatte bereits zu viel Zeit benötigt, um hier durch die Barriere zu gelangen — er hatte zu viel Sauerstoff in seinem Körper verbraucht, und es war unmöglich, einen anderen Hügel hinauf und wieder hinabzulaufen, bevor er ohnmächtig wurde.

Seine Hände kamen frei, und er stürzte rückwärts auf den steinigen Boden.

Der Aufprall mußte sehr hart gewesen sein, denn für ihn klang es wie der lauteste, längste Donnerschlag, den er je gehört hatte. Und dann zerrte Wind an seinem Körper, hob ihn hoch, rollte ihn herum, drehte ihn.

Während er im Wind nach Luft schnappte, merkte er, daß er irgendwie, auf irgendeine wundersame Art und Weise, wieder atmen konnte. Er bekam Sauerstoff. Und er bekam auch Prellungen, als der Wind ihn hierhin und dorthin warf. Auf die Steine. Auf das Gras.

Auf das Gras.

Der Wind war zu einer böigen Brise abgeklungen — er öffnete die Augen. Er war vielleicht fünfzig Meter weit weggeschleudert worden. Es dauerte eine Weile, bis er sich orientiert hatte. Aber da er auf Gras lag, wußte er, daß er sich außerhalb der Barriere befand. War der Wind ein weiterer Verteidigungsmechanismus, der Eindringlinge durch die Mauer schleuderte? Sein Körper hatte zahlreiche Kratzer und blaue Flecken abbekommen, die diese Interpretation unterstützten. In der Ferne, tief im toten Land, konnte er noch immer einige Windhosen ausmachen.

Er stand auf und ging zur Barriere. Er griff nach ihr, doch sie war nicht mehr da. Die Barriere war fort.

Das war die Ursache des Windes gewesen. Atmosphären, die sich seit vierzig Millionen Jahren nicht mehr vermischt hatten, waren plötzlich wieder zusammengefügt worden. Auf den beiden Seiten der Barriere mußten unterschiedliche Druckverhältnisse geherrscht haben. Als wäre ein Ballon geplatzt! Und er war wie ein Fetzen der Ballonhaut davongeschleudert worden.

Warum war die Barriere verschwunden?

Weil ein Mensch sie vollständig durchquert hatte! Weil du gestorben wärest, wäre die Barriere nicht ausgeschaltet worden.

Nafai hatte den Eindruck, die Stimme der Überseele in seinem Kopf zu hören.

›Ja, ich bin hier, du kennst mich.‹