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Nafai mußte unwillkürlich vor Freude auflachen. »Also habe ich es geschafft!«

›Du hast es geschafft. Aber du bist noch nicht fertig. Komm zu mir, Nafai. Ich habe Arbeit für dich, und die Werkzeuge, mit denen du sie bewältigen kannst.‹

Nafai ging den Hügel hinab ins Tal Vusadka. Dem Ort der Ausschiffung. Der Stelle, an der menschliche Füße zum erstenmal den Boden Harmonies betreten und an der jene ersten Siedler den Computer errichtet hatten, der ihre Kinder so viele Jahre lang vor der Selbstvernichtung bewahren würde, daß sie der Auffassung gewesen sein mußten, der Schutz würde ewig währen.

Aber er währte nicht ewig. Er hörte bereits auf. Und nun schritt Nafai zwischen den Türmen der Sternenschiffe aus — der erste Mensch, der diesen Ort betrat, seit er erbaut worden war. Was auch immer die Überseele nun für ihn vorgesehen hatte, er würde es tun. Und wenn er es getan hatte, würden die Menschen zur Erde zurückkehren!

10

Herr des Schiffes

Volemak und Rasa riefen in dem Augenblick, da Zdorab und Issib ihnen erklärt hatten, was sie vom Index erfahren hatten, die Gruppe zusammen. Es war schon lange her, daß eine Versammlung einberufen worden war, ohne daß Elemak im voraus gewußt hatte, worüber sie sprechen würden. Es machte ihm Sorgen. In gewisser Hinsicht machte es ihm sogar angst, doch da er nicht mit der Vorstellung von Furcht leben konnte, interpretierte er dieses Gefühl als Zorn. Er war wütend darüber, daß eine Versammlung ohne sein vorheriges Wissen einberufen worden war und Vater seinen Rat nicht im voraus gesucht hatte. Das deutete darauf hin, daß die Versammlung irgendwie von Rasa ausging — daß die Frauen versuchten, die Macht zu ergreifen, und ihn absichtlich ausgeschlossen hatten. Eines Tages wird die alte Schachtel es zu weit treiben, dachte Elemak, und dann wird sie herausfinden, was Macht und Stärke in Wirklichkeit sind — und daß sie nichts davon hat.

Das war der Interpretationsfilter, durch den Elemak die Nachricht dieses Morgens empfing. Schveja und Luet hatten geträumt … ah ja, die Frauen versuchen, ihre geistige Führung geltend zu machen. Die Wasserseherin und ihre zweifellos gut unterwiesene Tochter fischten nach der alten Dominanz, die Luet in Basilika gehabt hatte. Und dann hatten Nafai, Issib .und Zdorab den Index nach Informationen durchforstet, und Nafai — natürlich, es mußte ja Luets Gatte sein, der Liebling der Überseele — hatte einen geheimen Ort gefunden, den keiner von ihnen auf all ihren Jagdzügen je betreten hatte. So ein Unsinn! Elemak hatte bei seinen Jagd- und Erkundungszügen jeden Kilometer des umliegenden Landes betreten — es gab keinen verborgenen Ort.

Also war Nafai auf die Suche nach einem gar nicht vorhandenen Ort gegangen, und erst an diesem Morgen hatte er eine Möglichkeit gefunden, an den Barrieren vorbeizukommen. Sobald ein Mensch dies geschafft hatte, fielen die Barrieren, und nun wanderte Nafai zwischen den uralten Sternenschiffen, während Issib und Zdorab durch den Index Dinge herausfanden, die niemand für möglich gehalten hatte. »Dies ist der Landeplatz«, erklärte Vater. »Wir leben nun auf dem Gelände der Ersten Stadt, der ältesten menschlichen Siedlung auf Harmonie. Älter als die Städte der Sterne. Älter als Basilika.«

»Als wir kamen, gab es hier keine Stadt«, sagte Obring.

»Aber diesen Ort«, sagte Vater. »Wir haben den Kreislauf der menschlichen Rasse abgeschlossen. Und in diesem Augenblick weilt Nafai dort, wo die uralten Väter und Mütter von uns allen zum erstenmal den Fuß auf den Boden von Harmonie gesetzt haben.«

Romantisches Gesülze, dachte Elemak. Vielleicht hielt Nafai gerade ein Schläfchen in der Mittagssonne. Der Index bot den Schwachen ihrer Gruppe lediglich die Möglichkeit, die Starken unter Kontrolle zu halten.

»Ihr wißt natürlich, was dies bedeutet«, sagte Vater.

»Es bedeutet«, sagte Elemak, »daß wegen Leuten, die nichts Besseres zu tun haben, als angeblich etwas von einer Metallkugel zu erfahren, unser Leben erneut grundlegend unterbrochen wird.«

Vater sah ihn überrascht an. »Unterbrochen?« fragte er. »Weshalb sind wir hierher gekommen, wenn nicht, um uns auf eine Reise zur Erde vorzubereiten? Die Überseele hat sich in einer Rückkoppelungsschleife verfangen, das war alles, und Njef hat sie schließlich durchbrochen und die Überseele befreit. Die Unterbrechung ist jetzt vorbei, Elja.«

»Tu doch nicht so, als wüßtest du nicht, was ich meine«, sagte Elemak. »Wir führen hier ein Leben im Überfluß. In vieler Hinsicht ein besseres, als wir es in Basilika gehabt hätten, auch wenn es Obring schwerfällt, dies zu glauben. Wir haben jetzt Familien — Frauen und Kinder — und führen ein gutes Leben. Wir arbeiten hart, aber wir sind glücklich, und es gibt genug Platz für unsere Kinder und unsere Kindeskinder auf tausend Jahre und mehr. Wir haben keine Feinde, es gibt keine Gefahren für uns außer den normalen Unglücksfällen des Lebens. Und du willst mir sagen, daß dies die Unterbrechung ist, die Zeitverschwendung, und der normale Weg darin besteht, in den Weltraum zu fliegen? Bitte verkaufe uns nicht für dumm.«

Elemak erkannte genau, wer seiner Meinung war. Als er das wahre Bild der Dinge malte, sah er, daß Meb und Vas und Obring grimmig nickten. Ihre Frauen würden zu ihnen stehen. Des weiteren sah er, daß er auch bei einigen anderen Zweifel geweckt hatte. Zdorab und Schedemei schauten besonders nachdenklich drein, und sogar Luet hatte sich zu ihren Kindern umgesehen, als Elemak darüber sprach, was für ein gutes Leben sie hatten, daß ihnen keine Gefahren drohten und sie hier in Dostatok eine gute Zukunft haben konnten.

»Ich weiß nicht, was Nafai gefunden hat oder ob er überhaupt etwas gefunden hat«, fuhr Elemak fort. »Mir ist es ehrlich gesagt auch gleichgültig. Njef ist ein guter Jäger und ein kluger Kerl, aber er ist kaum dafür geeignet, uns in eine schreckliche Gefahr zu führen, indem wir vierzig Millionen Jahre alte Sternenschiffe benutzen. Meine Familie und ich werden nicht zulassen, daß mein kleiner Bruder in seiner Torheit versucht, ein unmögliches Projekt zu verwirklichen. Das ist die reinste Zeitverschwendung. Als Njef Gaballufix ermordet hat, hat er uns alle gezwungen, Basilika als Flüchtlinge zu verlassen — doch das habe ich ihm vergeben. Ich werde ihm aber nicht vergeben, daß er erneut versucht, unser Leben umzukrempeln.«

Elemak blieb äußerlich ruhig, doch innerlich bemühte er sich, ein Lächeln zu unterdrücken, als er Luets schwachen Versuchen lauschte, ihren Mann von der Schuld am Mord an Gaballufix freizusprechen. Ihre Worte waren bedeutungslos — Elemak hatte schon mit dem ersten Schlag gründliche Arbeit geleistet. Er hatte Nafai noch vor dessen Rückkehr in Mißkredit gebracht: Es war seine Schuld, daß wir die Stadt verlassen haben; das vergeben wir ihm; aber nichts von dem, was er nun sagt, wird etwas an unserem Leben hier ändern. Elemak hatte damit eine vernünftige Rechtfertigung für den totalen Widerstand gegen dieses neueste Manöver der Frauen und ihrer kleinen männlichen Marionette geliefert. Der Beweis für seinen Erfolg war die Tatsache, daß weder Vater noch Mutter Nafai verteidigten — und außer Luet auch sonst niemand. Und sie hatte er abgelenkt, indem er das Thema angesprochen hatte, warum Nafai Gaballufix getötet hatte. Die Sternenschiffe und das verborgene Land standen nicht mehr zur Debatte.

Bis Ojkib auf die Mitte der Versammlungsfläche trat. »Schande über euch alle«, sagte er. »Schande über euch!«

Alle verstummten, bis auf Rasa. »Okja, Schatz, das ist eine Versammlung von Erwachsenen.«

»Schande auch über dich. Habt ihr alle vergessen, daß wir wegen der Überseele hier sind? Habt ihr alle vergessen, daß wir nur deshalb an solch einem perfekten Ort leben, weil die Überseele ihn für uns vorbereitet hat? Habt ihr vergessen, daß es hier nur deshalb nicht schon zehn Städte gibt, weil die Überseele andere Leute ferngehalten hat — außer uns? Du, Elemak, hättest du diesen Ort finden können? Hättest du gewußt, daß du die Familie über das Wasser und dann die Insel hinab führen mußt?«