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›Du darfst kein zu hartes Urteil fällen. Es kam ihnen nicht in den Sinn, daß es auch nur eine Million Jahre dauern würde, bis die Kinder ihrer Kinder Frieden finden und würdig sein würden, diesen Ort zu betreten und alles über gehobene Technologien zu lernen. Wie konnten sie vermuten, daß die Menschen von Harmonie Jahrhundert um Jahrhundert, Jahrtausend um Jahrtausend keinen Frieden erlernen und nie aufhören würden, einander mit Gewalt oder Betrug zu beherrschen? Ich sollte diesen Ort nicht einmal eine Million Jahre lang abgeschieden halten, geschweige denn vierzig Millionen. Also haben sie doch gut gebaut. Die Schwächen und das Versagen in meinem geheimen Kern waren nicht tödlich, nicht wahr? Schließlich bist du ja hier, oder?‹

Nafai erinnerte sich an das Entsetzen, das er empfunden hatte, als er keine Luft mehr bekam, und fragte sich, ob seine Vorfahren es nicht etwas übertrieben hatten.

»Wo bist du?« fragte Nafai.

›Überall um dich herum.‹

Nafai sah sich um, konnte aber nichts Besonderes ausmachen.

›Die Sensoren dort in der Decke — durch sie sehe und höre ich dich im Augenblick, ganz davon abgesehen, daß ich durch deine Augen sehen und deine Worte hören kann, bevor du sie sagst. Hinter diesen Wänden befindet sich eine Speicherbank nach der anderen — das alles bin ich. Die Maschinen, die Luft durch diese unterirdischen Gänge pumpen — auch das bin ich.‹

»Warum brauchst du mich dann überhaupt?« fragte Nafai.

›Du bist derjenige, der meine Programmschleife durchbrochen und mir die Augen geöffnet hat, damit ich nun auch mein eigenes Herz sehen kann, und du fragst mich das?‹

»Warum brauchst du mich jetzt?« fragte Nafai.

›Ich brauche dich — euch alle —, weil der Hüter euch Träume geschickt hat. Der Hüter will euch zur Erde holen, und deshalb werde ich euch dorthin bringen.‹

Er stellte die Frage noch präziser. »Warum brauchst du mich?«

›Weil meine Roboter von einer Stelle in meinem Speicher kontrolliert werden, die völlig unzuverlässig geworden ist. Ich habe sie abgeschaltet, weil sie mir falsche Berichte erstattet haben. Kein einziger Speicher dieser sechs Schiffe ist völlig in Ordnung. Ich brauche dich, um die Speicher in allen Teilen der Schiffe zu überprüfen und gute Speicher zusammenzubringen, bis wir ein perfektes Schiff haben. Das kann ich nicht selbst erledigen — ich habe keine Hände.‹

»Also bin ich hier, um kaputte Maschinen zu reparieren.«

›Und ich brauche dich, um das Sternenschiff zu steuern.‹

»Mache mir nicht weis, du könntest das nicht allein.«

›Deine Vorfahren beließen ihre Sternenschiffe nicht vollständig unter der Kontrolle von Computern, wie ich einer bin. Auf jedem Schiff muß ein Herr der Sterne sein, der die Befehle gibt. Ich werde diese Befehle ausführen, aber es wird dein Schiff sein. Ich werde dir gehorchen.‹

»Nicht mir«, sagte Nafai. »Vater sollte der Herr des Schiffes sein.«

›Volemak ist nicht hergekommen. Volemak hat diesen Ort nicht geöffnet.«

»Er wäre gekommen, hätte er es nur gewußt.«

›Er hat gewußt, was du auch gewußt hast. Aber du hast gehandelt. Diese Dinge geschehen nicht zufällig, Nafai. Es ist kein Zufall, daß du hier bist und sonst niemand. Hätte Volemak diesen Ort gefunden und sich unter Einsatz seines Lebens Zutritt erzwungen, würde er den Mantel tragen. Oder Elemak, sogar Zdorab — wer auch immer gekommen wäre, er hätte diese Verantwortung übernommen. Du bist gekommen. Sie fällt dir zu.‹

Fast hätte Nafai gesagt: Ich will sie nicht. Aber das wäre eine Lüge gewesen. Er wollte es mit ganzem Herzen. Es wäre wunderbar, von der Überseele ausgewählt zu werden, das Sternenschiff zu steuern, auch wenn er nicht das geringste darüber wußte. Mehr Ruhm und Vollendung, als er es sich in seiner Kindheit je erträumt hatte. »Dann werde ich es tun«, sagte Nafai, »wenn du mir zeigst, wie es geht.«

›Du schafftst es nicht ohne Werkzeuge. Ich kann dir einige geben und dich lehren, wie man die anderen macht. Und du wirst es nicht ohne Hilfe schaffen.‹

»Hilfe?«

›Tausende von Speicherplatten müssen von einem Schiff zum anderen gebracht werden. Du wirst alt werden und sterben, wenn du es allein versuchst. Euer ganzes Dorf muß zusammenarbeiten, wollen wir ein zuverlässiges Sternenschiff bekommen, das alle Speicherdaten enthält, die ich brauche, um euch zum Hüter der Erde zu bringen.‹

Nafai versuchte sich vorzustellen, wie Elemak eine Arbeit unter seiner Leitung ausführte, und lachte laut auf. »Wenn dem so ist, suchst du dir lieber einen anderen. Sie werden mir nicht folgen.«

›Sie werden dir folgen!‹

»Dann verstehst du die menschliche Natur noch immer nicht sehr gut«, sagte Nafai. »Wir haben in den letzten Jahren nur Frieden gehabt, weil ich Elja nicht herausgefordert habe. Wenn ich plötzlich zurückkehre und ihnen sage, daß ich der Herr der Sterne bin und sie mir helfen müssen, ein Raumschiff zusammenzubauen …«

›Vertraue mir!‹

»Ja, genau. Wie ich dir immer vertraut habe, nicht wahr?«

›Öffne die Tür!‹

Nafai öffnete die Tür und trat in einen schwach beleuchteten Raum. Die Tür schloß sich hinter ihm und nahm ihm auch noch das Licht des Ganges. Blinzelnd gewöhnte Nafai sich an das Halbdunkel und sah, daß in der Mitte des Raums ein — ja was, ein Eisblock? — in der Luft hing, ohne irgendwie gestützt zu werden.

›Viel davon ist Wasser.‹

Nafai trat zu dem Block, streckte die Hand aus und berührte ihn. Sein Finger glitt problemlos hinein.

›Wie ich sagte: Wasser.‹

»Wie hält er dann diese Form?« fragte Nafai. »Wieso schwebt er in der Luft?«

›Warum soll ich es dir erklären, wenn du in einem Augenblick einfach daran denken wirst und es weißt?«

»Was meinst du?«

›Gleite durch das Wasser, und wenn du daraus auftauchst, wirst du den Mantel des Herrn der Sterne tragen. Wenn er mit dir verbunden ist, wirst du all meine Erinnerungen haben, als hättest du sie schon immer gehabt.‹

»Der menschliche Verstand kann so viele Informationen niemals aufnehmen«, sagte Nafai. »Deine Erinnerungen umfassen vierzig Millionen Jahre.«

›Du wirst es sehen.‹

»Es hat mich fast in den Wahnsinn getrieben, als ich Vaters Erinnerung an seine Vision in meinem Verstand hatte«, sagte Nafai. »Wird es diesmal nicht dazu kommen?«

›Ich werde bei dir sein, wie ich nie zuvor bei dir gewesen bin.‹

»Werde ich noch ich selbst sein?«

›Du wirst mehr du selbst sein als je zuvor.‹

»Habe ich eine Wahl?«

›Ja. Du kannst dies ablehnen. Dann werde ich eine andere holen, und sie wird durch das Wasser gleiten, und dann wird sie die Herrin der Sterne sein.‹

»Sie? Luet?«

›Spielt das eine Rolle? Wenn du dich entscheidest, nicht der Herr der Sterne zu werden, hast du kein Recht, die Person zu bestimmen, die ich dann an deiner Stelle auswählen werde.‹

Nafai stand da, betrachtete den wunderbaren Block aus Wasser, der in der Luft schwebte, und dachte: Das ist weniger gefährlich, als durch die Barriere zu gehen, und das habe ich geschafft. Und er dachte: Könnte ich es ertragen, dem Herrn der Sterne zu folgen, wenn ich den Rest meines Lebens über wüßte, daß ich der Herr der Sterne hätte sein können und abgelehnt habe? Und dann: Ich habe der Überseele bislang vertraut. Ich habe für sie getötet; ich wäre wegen ihr fast gestorben. Werde ich mich nun weigern, die Führung dieser Reise zu übernehmen?