Und nun ›erinnerte‹ Nafai sich genau daran, was die Überseele für möglich erachtete. Es bedurfte einiger Stunden harter Arbeit, die Roboter in Gang zu bringen, aber es war möglich — er wußte, was er zu tun hatte. »Ich fange sofort an«, sagte er. »Gibt es hier etwas zu essen?«
Er hatte die Frage kaum gestellt, als ihm einfiel, daß es hier natürlich keine Vorräte gab. Und er war zu ungeduldig, um diesen Ort zu verlassen und auf die Jagd zu gehen. »Kannst du die anderen nicht hierher holen? Sie sollen etwas zu essen mitbringen, und … ich sehe nicht ein, warum wir jedesmal einen Tag lang wandern sollten. Wir können hier ein neues Dorf bauen — in den Hügeln im Süden gibt es genug Wasser und Holz. Wir brauchen vielleicht eine Woche dafür, ersparen uns aber im Verlauf der nächsten Jahre, bis die Schiffe fertig sind, viele Tagesreisen.«
›Ich werde sie informieren. Du kannst es ihnen aber auch selbst sagen.‹
»Ich kann es ihnen selbst sagen?« Und dann fiel es ihm ein: Da das Gedächtnis der Überseele nun ›sein‹ Gedächtnis war, konnte er durch den Index zu den anderen sprechen. Das tat er dann auch.
»Ihr werdet nicht gehen«, sagte Elemak.
Zdorab und Volemak standen verwirrt vor ihm. »Was meinst du?« fragte Volemak. »Nafai braucht etwas zu essen, und wir müssen entscheiden, wo wir das neue Dorf bauen. Ich nahm an, du würdest mitkommen.«
»Und ich sage, ihr werdet nicht gehen. Niemand wird gehen. Wir werden das Dorf nicht verlagern, und niemand wird zu Nafai gehen. Sein Versuch, die Macht zu übernehmen, ist gescheitert. Gib es auf, Vater! Wenn Nafai Hunger bekommt, wird er nach Hause kommen.«
»Ich bin dein Vater, Elja, nicht dein Kind. Du kannst die Entscheidung treffen, daß du nicht gehst, aber du hast keine Befugnis, mich aufzuhalten.«
Elemak klopfte mit dem Finger auf den Tisch.
»Außer, du drohst, gegen deinen Vater Gewalt einzusetzen«, fuhr Volemak fort.
»Ich habe dir erklärt, welches Gesetz hier herrscht«, sagte Elemak. »Niemand verläßt diese Stadt ohne meine Erlaubnis. Und du hast meine Erlaubnis nicht.«
»Und wenn ich deinem anmaßenden, illegalen Befehl nicht gehorche?« fragte Volemak.
»Dann gehörst du nicht mehr zu Dostatok«, sagte Elemak. »Wenn wir dich in der Nähe des Dorfes aufgreifen, werden wir dich wie einen Dieb behandeln.«
»Glaubst du, die anderen werden dem zustimmen?« fragte Volemak. »Wenn du die Hand gegen mich erhebst, wird dir das nur den Abscheu der anderen einbringen.«
»Ich werde mir ihren Gehorsam verdienen«, sagte Elemak. »Ich rate dir … erzwinge es nicht. Niemand wird Nafai zu essen bringen. Er kommt nach Hause, und die Scharade um Sternenschiffe hört auf.«
Volemak stand schweigend da; auch Zdorab rührte sich nicht. Ihre Gesichter waren undeutbar.
»Na schön«, sagte Volemak.
Elemak war überrascht — wieso gab Vater so schnell auf?
»Nafai sagt mir gerade, daß er jetzt nach Hause kommen wird. Er hat die ersten Roboter wieder in Dienst gestellt. Er wird in einer Stunde zu Hause sein.«
»In einer Stunde!« sagte Meb, der in der Nähe stand. »Da haben wir es ja. Dieses Vusadka soll doch eine ganze Tagesreise entfernt sein.«
»Nafai hat erst jetzt die Paritkas wieder einsatzfähig gemacht. Wenn sie funktionieren, müssen wir das Dorf nicht verlegen.«
»Was ist ein Paritka?« fragte Meb.
Frag doch nicht, du Narr, dachte Elemak. Damit spielst du Vater nur in die Hände.
»Ein fliegender Wagen«, sagte Volemak.
»Und ich soll glauben, daß du in diesem Augenblick mit Nafai sprichst?«
»Wenn wir den Index nicht bei uns haben«, sagte Volemak, »ist seine Stimme von unseren normalen Gedanken genauso schwer zu unterscheiden wie die der Überseele. Aber er spricht mit uns, ja. Du könntest ihn auch verstehen, würdest du nur zuhören.«
Elemak mußte unwillkürlich lachen. »Ja, sicher, ich werde einfach hier sitzen und der Stimme meines weit entfernten Bruders lauschen, die in meinem Verstand spricht.«
»Warum nicht?« fragte Zdorab. »Er sieht bereits alles, was die Überseele sieht. Einschließlich dessen, was in deinem Verstand vor sich geht. Zum Beispiel weiß er, daß du und Meb ihn töten wollt, sobald er zurückkommt.«
Elemak sprang auf. »Das ist eine Lüge!« Aus den Augenwinkeln sah er, daß sich ein Anflug von Panik auf Mebs Gesicht legte. Halte einfach die Klappe, Meb! Erkennst du nicht, daß es sich um eine wilde Vermutung handelt? Jetzt tue bloß nichts, womit du diese Vermutung bestätigst. »Nun kehre in dein Haus zurück, Vater. Du auch, Zdorab. Es wird nur gefährlich für Nafai, wenn er uns angreift oder eine Meuterei versucht.«
»Wir sind hier nicht in der Wüste«, sagte Volemak. »Und du hast hier nicht die Befehlsgewalt.«
»Ganz im Gegenteil«, sagte Elemak. »Das Gesetz der Wüste gilt noch immer, und ich bin der Führer dieser Expedition. Ich bin es von Anfang an gewesen. Dir habe ich mich nur aus Höflichkeit gefügt, alter Mann.«
»Gehen wir«, sagte Zdorab und zog Volemak aus Elemaks Haus.
»Und nehmen Elemak die Gelegenheit, uns zu zeigen, wie boshaft er in Wirklichkeit ist?«
»Nicht boshaft, Vater«, sagte Elemak. »Ich habe einfach die Nase voll. Du und Njef, Rasa, Luet und eure Gruppe haben damit angefangen. Niemand hat dich gebeten, uns auf eine dumme Reise zu den Sternen zu fuhren. Alles war in Ordnung — bis du dich entschieden hast, erneut alle Regeln zu ändern. Nun, die Regeln haben sich geändert, doch diesmal nicht zu deinen Gunsten. Und nun schlucke deine Medizin wie ein Mann.«
»Ich trauere um dich«, sagte Volemak. Dann hatte Zdorab ihn zur Tür hinaus geführt.
»Sie wissen es«, sagte Mebbekew. »Sie wissen, was wir vorhaben.«
»Ach, halt die Klappe!« sagte Elemak. »Sie vermuten es, und du wärst beinah unbedarft mit einer Bestätigung ihrer Vermutung herausgeplatzt.«
»Das stimmt nicht«, sagte Meb. »Ich habe nichts gesagt.«
»Hol deinen Bogen und die Pfeile. Dafür reichen deine Fähigkeiten als Schütze aus.«
»Du meinst, wir wollen nicht warten und zuerst mit ihm sprechen?«
»Ich glaube, man kann vernünftiger mit Nafai sprechen, wenn ein Pfeil in ihm steckt, meinst du nicht auch?«
Meb verließ das Haus. Elemak stand auf und griff nach dem Bogen über dem Kamin.
»Tu es nicht!«
Er drehte sich um und sah Eiadh, die mit dem Baby auf dem Arm auf der Schwelle zum Schlafzimmer stand.
»Habe ich dich richtig verstanden, Edhja?« fragte Elemak. »Willst du mir sagen, was ich zu tun habe?«
»Du hast schon einmal versucht, ihn zu töten«, sagte Eiadh. »Die Überseele wird es nicht zulassen. Begreifst du das nicht? Und diesmal könntest du verletzt werden.«
»Ich weiß deine Besorgnis um mich zu schätzen, Eiadh, aber ich weiß, was ich tue.«
»Auch ich weiß, was du tust«, sagte Eiadh. »Ich habe euch beide die ganzen Jahre über beobachtet, dich und Nafai, und ich dachte, endlich hat Elja gelernt, Nafai den Respekt zu zollen, der ihm zusteht. Elja ist nicht mehr eifersüchtig auf seinen kleinen Bruder. Doch nun sehe ich, daß du nur den richtigen Augenblick abgewartet hast.«
Elemak hätte sie ins Gesicht geschlagen, wäre der Kopf des Babies nicht im Weg gewesen, und seinem eigenen Kind würde er nie etwas tun. »Du hast genug gesagt«, warnte er sie.
»Ich würde dich bitten, es nicht zu tun, weil du mich liebst«, sagte Eiadh, »aber ich weiß, das würde nicht funktionieren. Also bitte ich dich, es um deiner Kinder willen nicht zu tun.« , »Um meiner Kinder willen? Gerade wegen ihnen tue ich es! Ich will nicht, daß ihr Leben umgekrempelt wird, weil Rasa sich in den Kopf gesetzt hat, die Kontrolle über Dostatok an sich zu reißen und unser Dorf in ein Dorf der Frauen zu verwandeln, wie auch Basilika die Stadt der Frauen war.«