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Charity zögerte einen Moment, begriff aber dann, daß sie im Moment gar keine andere Wahl hatten, als sich Hartmann auf Gedeih und Verderb auszuliefern. Die Leiter bebte unter ihrem Gewicht, und sie glaubte, die rostigen Schrauben in der Wand knirschen zu hören. Die Sprossen waren verrostet und so rauh, daß es weh tat, sie anzufassen. Aus der Tiefe schlug ihr faulige, abgestandene Luft entgegen. Aber als sie das Ende der Leiter erreichte, sah sie endlich wieder Licht.

Auch Lehmann hatte einen Scheinwerfer eingeschaltet und auf den Boden gestellt, dessen Strahl ein groteskes Fahrzeug beleuchtete: Auf den ersten Blick glich es einem jener Wagen, die auf der Achterbahn einer Kirmes fuhren, rollte aber nicht auf Schienen, sondern auf einem Dutzend kleiner Vollgummireifen, die offensichtlich nachträglich angebracht worden waren. Es hatte nur sechs Sitze, aber die waren breit genug, so daß sie alle Platz darin finden würden, wenn sie ein wenig zusammenrückten.

Mit einer Mischung aus Neugier und Ungeduld sah sie zu, wie der Soldat eine Klappe am Heck des Fahrzeugs öffnete und mit Kopf und Oberkörper darin verschwand. Er hantierte eine ganze Weile wortlos und sehr hektisch darin herum, und seine Hände und ein Teil seines Gesichts waren ölverschmiert, als er endlich wieder auftauchte.

»Probleme?« fragte Skudder, der mittlerweile ebenfalls die Leiter heruntergestiegen war.

Lehmann bedachte ihn mit einem feindseligen Blick, und Skudder wandte sich ab.

Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis auch Hartmann als letzter die Leiter heruntergestiegen kam. Charity fiel auf, daß sich der elektrische Schraubenzieher nicht mehr an seinem Gürtel befand. Wahrscheinlich hatte er ihn oben zurückgelassen, damit die beiden Techniker, die ihm folgten, den Zugang über ihnen wieder verschlossen.

Neugierig sah sie sich in dem engen Stollen um. Er war rund, und seine Decke war kaum hoch genug, daß sie aufrecht stehen konnte. Seine Wände bestanden aus Metall und waren rostzerfressen und mit großen, schmierigen Flecken übersät. Offensichtlich befanden sie sich hier in einem ähnlichen Verbindungstunnel, wie ihn Jean und seine Freunde in Paris benutzt hatten.

Charity wandte sich wieder zu Lehmann um, der weiter am Motor des Wagens herumbastelte. Skudder stand neben ihm, hatte die Hände in den Taschen seiner zerschrammten Lederjacke vergraben und grinste schadenfroh in sich hinein.

»Worauf zum Teufel warten Sie?« schnauzte Hartmann.

Lehmann richtete sich mit einem erschrockenen Ruck auf, so daß er sich den Hinterkopf an der hochgeklappten Motorhaube des Wagens anschlug und schmerzhaft das Gesicht verzog. »Er ... springt nicht an«, sagte er unglücklich.

»Dann reparieren Sie ihn!« schnauzte Hartmann.

»Ich ... versuche es ja«, sagte Lehmann unglücklich. »Aber ich...«

»Vielleicht kann ich helfen«, schlug Skudder vor.

Lehmann blickte ihn mit gerunzelter Stirn an. »Verstehen Sie etwas von Motoren?« fragte er.

Skudder zuckte mit den Achseln. »Ein wenig.«

»Meinetwegen«, knurrte Hartmann. »Ungeschickter als dieser Idiot können Sie kaum sein.« Er schenkte Lehmann einen drohenden Blick und wedelte gleichzeitig unwillig mit der Hand, zurückzutreten.

Skudder beugte sich über die offenstehende Motorhaube des Wagens, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen, und richtete sich nach einer Sekunde wieder auf. »Das Batteriekabel ist lose«, sagte er.

Hartmanns Augen verschossen kleine, unsichtbare Blitze, während Lehmann sichtlich zusammenschrumpfte und sich beeilte, das lockere Kabel anzuklemmen. Dann rannte er mit weit ausgreifenden Schritten zum Fahrersitz des Wagens und drückte einen Knopf. Das dumpfe Dröhnen eines Dieselmotors und beißender Gestank erfüllten den Tunnel.

»Idiot«, murmelte Hartmann, drehte sich auf der Stelle herum und legte den Kopf in den Nacken, um auf die Leiter nach oben zu blicken.

»Wo bleibt dieser andere Trottel?«

Charity ersparte sich eine Antwort darauf, drehte sich herum und ging zum Wagen, in dem Net, Helen und Felss bereits Platz genommen hatten. Auch Skudder kletterte auf einen der Sitze, beugte sich hinaus und griff nach Gurk, den er sich kurzerhand auf den Schoß setzte, weil die Plätze nicht ausreichten. Charity lächelte, als sie sah, daß Gurk ärgerlich das Gesicht verzog, es aber nicht wagte, zu protestieren, obwohl Skudders Griff alles andere als sanft war.

In diesem Moment erscholl hinter ihr ein gellender Schrei.

Sie fuhr herum und sah gerade noch, wie Hartmann sich mit einem Sprung in Sicherheit brachte, um einem Körper auszuweichen, der aus dem Treppenschacht stürzte.

Eine Sekunde später stach eine grelle Lichtnadel nach dem Leutnant, verfehlte ihn um eine Handbreit und explodierte in einer Flammenwolke an der Wand neben ihnen. Im grellen Feuerschein erkannte Charity, daß es sich bei der Gestalt, die Hartmann beinahe erschlagen hätte, um einen der beiden Techniker handelte.

»Weg!« brüllte Hartmann. Gleichzeitig sprang er vor, riß Charity einfach mit sich und stieß sie grob in den Wagen. Ein zweiter Laserblitz zuckte aus dem Schacht herab und brannte eine rotglühende Lavaspur in den Boden, dann kletterten auch Kyle und Hartmann in den Wagen, und das sonderbare Gefährt setzte sich in Bewegung.

Während Lehmann fluchte und vergeblich versuchte, mehr Tempo aus dem Wagen herauszuholen, rissen Felss und Hartmann ihre Waffen von den Schultern und zielten auf die Leiter.

Ein riesiges Spinnenwesen tauchte auf den rostigen Metallsprossen auf, und Lehmann schoß.

Er traf. Der Moroni kippte mit einem schrillen Pfeifen zur Seite und brach auf dem Boden zusammen, aber sofort erschien ein zweiter und dritter, und noch bevor die zwei Soldaten zum zweiten Mal feuern konnte, zuckte ein halbes Dutzend dünner, greller Lichtblitze in ihre Richtung. Dicht neben dem Wagen schlugen Strahlenschüsse ein und ließen die Wände der Pipeline dunkelrot aufglühen. Grelle, weiße Funken züngelten über ihnen, und Charity duckte sich instinktiv tiefer in die ungepolsterten Sitze. Auch Kyle und Skudder zogen ihre Waffen und erwiderten das Feuer, während der umgebaute Achterbahnwagen mit einer Geschwindigkeit vor den Angreifern davonheulte, die kaum höher als die eines schnell laufenden Menschen war.

»Halt!« schrie Hartmann plötzlich. Der Soldat am Steuer blickte ihn verwirrt an, trat aber gehorsam auf die Bremse, und das Fahrzeug kam mit einem Ruck zum Stehen. Ein Laserstrahl verfehlte Hartmann nur noch um Millimeter. Ein zweiter Schuß streifte das Heck des Wagens und setzte einen der Reifen in Brand.

»Gebt mir Deckung!« brüllte Hartmann und schwang sich aus dem Wagen. Mit einer Hand deutete er auf Lehmann. »Und erschießt diesen Kerl, wenn er ohne mich losfährt!«

Charity verstand nicht einmal, was er meinte, aber sie hob trotzdem ihre Waffe und gab einen Schuß auf die näherrückenden Ameisen ab. Sie konnte nicht erkennen, ob sie getroffen hatte, denn der enge Stollen schien bis zum Bersten mit schwarzen, glitzernden Chitingestalten angefüllt zu sein. Fassungslos beobachtete Charity, wie sich Hartmann der Front der Ameisen näherte, wobei er unentwegt feuerte.

Aber was sie wahrscheinlich rettete, war einzig und allein Kyles Waffe. Selbst die schweren Gammalaser, die sie aus Paris mitgebracht hatten, hätten die Monster wahrscheinlich nicht zurückgetrieben, denn für jede Ameise, die sie niederstreckten, ließen sich zwei neue den Schacht herunterfallen und griffen sofort an. Aber Kyles Waffe brannte eine rauchende Spur aus Staub und zerfallenden Insektenkörpern in die schwarze Front, durch die Hartmann wild hindurchrannte.

Erst als er den Schacht beinahe erreicht hatte, sah Charity, welchen Grund sein offensichtliches Selbstmordunternehmen hatte.

Der Techniker lebte noch. Seine Gestalt lag zusammengekrümmt neben zwei toten Ameisen, aber seine Hände bewegten sich, und er versuchte, den Kopf zu heben. Als Hartmann neben ihm anlangte, erschienen zwei weitere Ameisen am oberen Ende der Leiter. Charity und Skudder feuerten gleichzeitig, und sie trafen beide. Die Ameisen explodierten förmlich und überschütteten Hartmann und den Techniker mit Flammen und rotglühenden Chitinsplittern. Hartmann keuchte vor Schmerz, ließ sich aber trotzdem blitzschnell auf die Knie sinken, ergriff den verwundeten Techniker und hob ihn scheinbar ohne Anstrengung in die Höhe, um ihn sich über die Schulter zu werfen.