Выбрать главу

Hartmann machte eine Kopfbewegung auf die Kathedrale. »Unsere Männer, die sie verschleppt haben.«

»Dann hatte Felss recht«, sagte Charity. »Er hat den Mann wirklich erkannt?«

Hartmann nickte. »Ja. Und ich glaube, ich habe noch einen oder zwei andere erkannt. Es war einfach zuviel. Ich ... dachte, sie wären tot.«

»Finden Sie es schlimmer, daß sie leben?«

Hartmann nickte. »Sehen Sie, Captain Laird, Sie sind ein Soldat wie ich. Aber es gibt einen Unterschied.«

»So?« fragte Charity. »Welchen?«

»Ich bin vielleicht nur ein einfacher Leutnant«, antwortete Hartmann. »Ich habe nicht gelernt, ein Raumschiff zu fliegen. Ich habe vielleicht nicht einmal Ahnung von moderner Computerstrategie, aber ich habe kämpfen gelernt, seit dieser ganze Wahnsinn begonnen hat. Ich habe Männer sterben sehen und selbst welche getötet. Der Tod ist schlimm, aber er gehört nun einmal zum Leben eines Soldaten. Man akzeptiert ihn, oder man ist kein Soldat.« Er deutete abermals auf den Dom. »Ich ertrage den Gedanken, eines Tages sterben zu müssen. Aber das da drinnen ist ... grauenhaft. Diese Männer dort waren einmal meine Kameraden. Jetzt sind sie keine Menschen mehr. Sie sind...« Er sprach nicht weiter.

»Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Charity leise. »Aber ich bin nicht sicher, daß sie recht haben.«

»So?« Hartmann lachte humorlos und sehr bitter.

»Nein«, antwortete Charity. »Ich glaube, daß ... hier irgend etwas Gewaltiges vorgeht.« Sie spürte selbst, wie falsch ihre Worte klangen. Aber sie fand keine anderen. Es war ihr unmöglich, wirklich auszudrücken, was sie fühlte.

»Sie glauben all diesen Unsinn wirklich, den Ihnen Gyell erzählt hat, nicht wahr?« fragte Hartmann. »All dieses Zeug von Sehenden und Blinden.«

»Sie nicht?« gab Charity zurück. Hartmann wollte antworten, aber sie hob rasch die Hand und fuhr fort. »Seien Sie ehrlich, Hartmann - im Grunde haben Sie längst begriffen, daß Sie sich geirrt haben. Diese Menschen sind nicht Ihre Feinde.«

»Sie sind keine Menschen mehr«, widersprach Hartmann erregt.

»Das kann sein«, gestand Charity. »Aber sie sind auch nicht das, wofür Sie sie halten.«

»Und was sind sie dann?« fragte Hartmann.

Charity zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht«, gestand sie. »Vielleicht eine neue Lebensform, etwas, wofür wir noch keine Worte haben.« Hartmanns Lippen wurden zu einem schmalen, blutleeren Strich. Plötzlich loderte der Zorn in seinen Augen wieder auf. Aber ehe er antworten konnte, stieß Lehmann plötzlich einen überraschten Ruf aus und deutete mit dem Arm über den Fluß.

Charitys Blick folgte der Geste, und einen Moment später sah auch sie, was den jungen Soldaten so erschreckt hatte: Von der anderen Seite des Flusses raste ein silberner Funke heran. Und in das leise Plätschern der Wellen mischte sich ein schrilles Heulen, das Charity wie kaum etwas anderes zu fürchten gelernt hatte.

»Ein Gleiter!« sagte Hartmann. Zornig schleuderte er seine Zigarette ins Wasser und starrte sie an. »Ich glaube, das reicht als Antwort auf die Frage, ob sie unsere Feinde sind oder nicht!«

Charity wollte antworten, aber Hartmann fuhr plötzlich herum, deutete mit einer herrischen Geste auf Felss und Lehmann und sprang mit einem einzigen Satz in die Deckung eines Gebüschs. Die beiden Soldaten folgten ihm einen Moment später, wobei sie ihre Waffen von den Schultern rissen und entsicherten.

Charity zögerte noch einen Moment. Der Gleiter kam rasend schnell näher, aber irgend etwas in ihr weigerte sich einfach, zu glauben, daß Hartmann recht hatte. Trotzdem verschwand auch sie mit einem Satz im nächsten Gebüsch, in dem auch Hartmann und seine beiden Begleiter verschwunden waren. Rechts und links von ihr duckten sich auch Kyle und Skudder unter die überhängenden Zweige.

Als sie sich neben Hartmann auf die Knie sinken ließ, steckte der Leutnant hastig etwas in die Tasche seiner Uniformjacke. Charity konnte nicht genau erkennen, aber für einen winzigen Moment sah Hartmann sie beinahe schuldbewußt an. Ehe sie jedoch den Gedanken weiterverfolgen konnte, war der Gleiter über ihnen.

Das Schiff schoß mit irrsinniger Geschwindigkeit heran, daß sie fast glaubte, es wollte sich geradeweg auf die Kathedrale stürzen. Im letzten Moment bremste es ab, und begann, lautlos zu Boden zu sinken. Neben ihr hob Hartmann das Gewehr und visierte den Gleiter durch das Zielfernrohr an. Charity wußte, daß er nicht schießen würde. Mit einer Maschinenpistole auf einen Moroni-Gleiter zu feuern war reiner Selbstmord.

Der Gleiter befand sich keine zwanzig Meter von ihrem Versteck entfernt. Auf seiner Unterseite öffnete sich eine Luke, und eine glitzernde Metallzunge schob sich heraus. Eine Abordnung stelzbeiniger Ameisen marschierte aus dem Schiff und steuerte auf die Kathedrale zu.

»Nicht schießen!« flüsterte Hartmann gepreßt. »Ihr feuert erst auf mein Kommando.«

Die Worte galten offensichtlich Felss und Lehmann, aber Charity hob hastig die Hand und drückte das Gewehr in Hartmanns Armen mit sanfter Gewalt herunter.

»Sind Sie wahnsinnig?« flüsterte sie erschrocken.

Hartmann riß mit einer trotzigen Bewegung sein Gewehr wieder an sich und funkelte sie an. »Warum?« zischte er. »Weil ich es vorziehe, mich zu wehren, statt mich abschlachten zu lassen?«

Charity deutete zornig auf den gelandeten Gleiter. »Sind Sie blind, oder einfach nur dumm?!« erwiderte sie aufgebracht. »Sie sind nicht unseretwegen hier, begreifen Sie das nicht?«

Das wütende Funkeln in Hartmanns Augen verschwand nicht, aber er schwieg zumindest und konzentrierte sich wieder auf den Gleiter.

Tatsächlich machten die Ameisen keine Anstalten, sich auf ihr Versteck zuzubewegen, sondern schritten in den Dom hinein. Zwei weitere Insektengeschöpfe waren aus dem Gleiter getreten, die aber reglos neben dem gelandeten Fahrzeug stehenblieben. Die Jared schienen überhaupt keine Notiz von dem Gleiter zu nehmen. Einige von ihnen hatten sich von ihren Plätzen erhoben, um dem landenden Fahrzeug auszuweichen, die anderen jedoch beschäftigten sich weiter mit den Dingen, die sie vor seiner Ankunft getan hatten. Kaum einer von ihnen machte sich auch nur die Mühe, dem Gleiter einen Blick zuzuwerfen.

»Ihr sauberer Freund hat uns verraten!« sagte Hartmann gepreßt. »Sie werden es sehen. In spätestens fünf Minuten kommen sie zurück. Aber ich werde meine Haut so teuer wie möglich verkaufen.«

Charity verzichtete darauf, überhaupt zu antworten. Sie war fast sicher, daß Hartmann sich täuschte.

»Wo sind Ihre Freunde?« fragte Hartmann plötzlich. Eine Sekunde lang sah er Charity an, dann blickte er sich erschrocken um, als fiele ihm erst jetzt auf, daß Net, Helen und Abn El Gurk nicht bei ihr gewesen waren, als Charity aus dem Dom trat.

»Sie sind im Inneren geblieben«, antwortete Charity. »Helen und Gurk wollten sich um Ihren Mann kümmern, und Net...« Sie verstummte erschrocken. Net würde das Geräusch des landenden Gleiters mit Sicherheit gehört haben! dachte sie entsetzt. Und wenn sie einen Fehler beging oder gar herauskam, um nachzusehen, was geschah, dann würden die Ameisen sie erblicken - und dann war alles aus.

Und als wäre dieser Gedanke ein Stichwort gewesen, tauchte Net im Eingang zur Kathedrale auf.

Charitys Hertz machte einen schmerzhaften Sprung, als sie sah, daß die Ameisen die oberste Stufe der Treppe erreicht hatten. Auch Net fuhr erschrocken zusammen. Mit einer hastigen Bewegung prallte sie zurück, zog ihre Waffe - und erstarrte zur Reglosigkeit, als die Ameisen ungerührt kaum eine Armeslänge an ihr vorbeimarschierten!

Die Insektenkrieger mußten Net zweifelsfrei erkannt haben, denn in ihrem gefleckten Tarnanzug und mit der schweren Laserwaffe im Arm fiel sie inmitten der zerlumpten Jared so sehr auf, wie es nur möglich war. Aber sie schienen sich überhaupt nicht für sie zu interessieren. Nicht eines der riesigen Geschöpfe wandte auch nur den Kopf, um sie anzusehen.