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Trotzdem hatte er das Gefühl, aus Hunderten von kalten Insektenaugen mißtrauisch angestarrt zu werden, als er sich mit schlurfenden Schritten dem Tor näherte. Auf dem Weg dorthin passierte er eines der Kriegsschiffe. Er sah, daß der Kommandant des Schiffes ausgestiegen war, es war nicht irgendeine Ameise, sondern ein Inspektor, eine zweieinhalb Meter große, vierarmige Kreatur, deren Chitin-Panzer von strahlend weißer Farbe war.

Der Anblick des Insektengeschöpfes erschreckte Kyle erneut. Was um alles in der Welt hatte Charity Laird in jenem Bunker in Paris gefunden, daß die Herren der Schwarzen Festung selbst ihr Domizil am Nordpol verließen, um sie zu jagen?

Gebeugten Hauptes schlurfte Kyle an dem Schiff vorbei. Der Inspektor redete mit schriller Stimme und heftig gestikulierend auf einen Jared ein, den Kyle nach einigen Augenblicken als Gyell erkannt. Ohne daß er selbst sagen konnte warum, erfüllte ihn der Anblick des Jared mit Erleichterung. Er war sehr froh, daß Gyell den heimtückischen Angriff überlebt hatte.

Kyle ging weiter, schlug einen respektvollen Bogen um die Ameise, die ihm mit Kokons beladen entgegenkamen, und betrat schließlich den Dom. Der Anblick der Zerstörung, der sich ihm bot, war erschreckend. Die beiden Raketen, die der Helikopter in das Gebäude gefeuert hatte, waren an der rückseitigen Wand explodiert und hatten sie vollständig zerstört. Das Nest unter der Decke war zerfetzt, und die Königin selbst lag unter einem ganzen Berg von Trümmern und geschwärzten Balken begraben. Dutzende von Ameisen bemühten sich hektisch um das riesige Geschöpf, das leise, wimmernde Schreie ausstieß.

Kyle glaubte nicht, daß sie es überleben würde. Er wußte, wie unglaublich zäh diese gigantischen Gebärmaschinen waren, aber das Geschöpf hatte furchtbare Verletzungen davongetragen. Zwei seiner sechs Beine waren abgerissen, und die Strümpfe bluteten heftig.

Kyle senkte hastig den Kopf, als ein Auge der Königin sich für einen Moment auf ihn richtete. Plötzlich hatte er das Gefühl, daß die Kreatur ihn erkannte; daß sie ganz genau wußte, wer er wirklich war und was er hier tat.

Dann hörte er den Schrei.

Er war sehr leise. Keiner der anderen Jared und auch keine der anwesenden Ameisen nahmen ihn wahr; aber Kyles überscharfes Gehör registrierte ihn deutlich - und er erkannte auch die Stimme.

Der Kopf der Königin ruckte im gleichen Moment herum. Der Blick ihres riesigen Facettenauges richtete sich auf eine schmale Tür in der zerstörten Rückwand des Domes. Dann erscholl der Schrei erneut, und Kyle hörte andere, schrille Schreie, nicht die von Menschen, sondern das wütende Pfeifen von Tieren, gefolgt von den unverkennbaren Lauten eines heftigen Kampfes.

Ohne auch nur einen weiteren Gedanken an seine Sicherheit zu verschwenden, rannte er los. Zwei, drei Ameisen blickten mißtrauisch auf, wandten ihre Aufmerksamkeit dann aber wieder der verletzten Königin zu, die im gleichen Moment heftig zu zittern begonnen hatte. Ein Teil des Trümmerberges, unter dem sie eingeklemmt war, geriet ins Rutschen, als sie sich aufbäumte.

Kyle erreichte die Tür und stürmte hindurch. Der Lärm des Kampfes verstärkte sich. Kyle blieb eine halbe Sekunde stehen, um sich zu orientieren, und lief dann auf eine Tür zu, hinter der sich eine steinerne Treppe in engen Windungen in die Tiefe schraubte.

An ihrem Ende befand sich eine Holztür, hinter der er ein flackerndes, rotes Licht und hektische Bewegungen ausmachte. Kyle sprengte die Tür mit einem Fußtritt auf und stürmte hindurch.

In dem Kellergewölbe tobte ein erbitterter Kampf. Ein halbes Dutzend Jared wehrte sich verzweifelt mit Stöcken oder Steinen gegen eine Übermacht riesiger, graubrauner Ratten, die mit wütenden Pfiffen auf sie eindrangen und mit Zähnen und Klauen nach ihnen schnappten. Die Barbaren kämpften mit einer Erbitterung und einem Mut, der selbst Kyle überraschte; trotzdem sah er auf den ersten Blick, daß es am Ausgang des Kampfes keinen Zweifel gab, denn aus einem Loch an der gegenüberliegenden Wand strömten immer mehr Ratten nach.

Kyle sah sich suchend um und entdeckte schließlich Gurk, der breitbeinig über einer reglosen Gestalt stand, ein rostiges Eisenstück schwang und sich mit überraschendem Erfolg gegen die Ratten zur Wehr setzte. Dann sah Kyle, um wen es sich bei der reglosen Gestalt handelte, und sprang mit einem Schreckensruf los.

Er kam nur einen Schritt weit. Ein Nager sprang ihn an und verbiß sich in seiner Schulter. Mit einer einzigen, wütenden Bewegung schüttelte er die Ratte ab, riß sie in die Höhe und warf sie mit aller Kraft gegen die Wand. Er stürmte weiter, aber sofort griffen ihn weitere Tiere an. Kyle trat zornig um sich, nahm zwei, drei weitere schmerzhafte Bisse in Hände und Oberschenkel hin und zog seine Waffe. Er wagte es nicht zu schießen, aber der Kolben der kleinen Pistole gab eine passable Keule ab. Mit zwei, drei weiteren wuchtigen Hieben verschaffte er sich Luft, kämpfte sich auf den Eingang des Tunnels zu, aus dem die Ratten herausquollen, und feuerte. Die lautlose Lichtflut aus der Mündung der kleinen Pistole verwandelte ein halbes Dutzend der riesigen Bestien in Staubwolken. Kyle konzentrierte den Strahl auf den Eingang des Tunnels und hielt den Finger fast eine halbe Minute auf dem Auslöser, bis er sicher war, daß in dem Loch nichts mehr lebte. Dann fuhr er herum, steckte die Waffe wieder ein und stürzte sich mit bloßen Händen wieder in den Kampf.

Sein Eingreifen hatte die Situation schlagartig geändert. Die Ratten waren den Jared noch immer überlegen, aber jetzt, wo sie keinen Nachschub mehr erhielten, wurden die Barbaren leichter mit ihnen fertig. Immer mehr und mehr der Riesennager fielen tot oder schwer verwundet zu Boden, und schließlich waren es nur noch drei oder vier, die angstvoll zurückwichen und sich in einer Ecke des Raumes zusammendrängten.

Kyle zog seine Pistole und legte auf sie an, doch in diesem Moment fiel ihm einer der Jared, der zuvor noch mit einem Stein auf die Ratten eingedroschen hatte, in den Arm und schüttelte den Kopf. Kyle stieß ihn zur Seite, aber der Jared vertrat ihm blitzschnell wieder den Weg.

Verblüfft ließ Kyle die Waffe sinken und blickte abwechselnd auf die Jared und die Ratten, die sich in der Ecke zusammendrängten.

Der Jared wandte sich zu den Tieren um, hob langsam die Hand, deutete erst auf sie und dann in einer übertriebenen Geste auf den Tunnel, aus dem die Ungeheuer gekommen waren. Ungläubig und vollkommen verwirrt beobachtete Kyle, wie sich die Ratten langsam umwandten und eine nach der anderen wieder in der Öffnung verschwanden.

Ein leises Wimmern ließ den Megamann herumfahren. Gurk war auf die Knie herabgefallen und preßte stöhnend die Hände gegen den Oberkörper. Er blutete aus einem Dutzend tiefer Wunden, und sein Gesicht war schmerzverzerrt. Aber Kyle schenkte ihm nur einen flüchtigen Blick, dann ließ er sich neben Helen auf die Knie sinken und drehte sie vorsichtig herum.

Er erschrak zutiefst, als er sie ansah. Ihre Augen waren starr. Eine Ratte hatte ihr die Kehle durchgebissen.

»Nein!« flüsterte er entsetzt.

»Kannst du ihr helfen?« fragte Gurk.

Mühsam schüttelte Kyle den Kopf. Helen war tot. Er konnte eine Menge tun, aber er konnte keine Toten zum Leben erwecken.

»Was ist passiert?« flüsterte Kyle. Plötzlich packte er den Zwerg und schüttelte ihn wild. »Warum hast du sie nicht beschützt?!«

Gurk befreite sich aus seinem Griff und schob seine Hände fast behutsam zur Seite. »Sie hatte keine Chance«, sagte er leise. »Sie war die erste, über die sie herfielen. Ich konnte nichts tun.«