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Gino hatte die ganze Zeit an seinen Haaren gezupft. Er stand auf und ging ins Badezimmer zum Spiegel zurück. Sie schaute ihm nach. Sie wusste nichts. Sie konnte sich an nichts erinnern. Das Liegen war aber so angenehm. Friedlich. Ginos Gerede flutete an ihr vorbei. Sie tastete ihre Arme ab. In der Armbeuge ein Pflaster. An den Oberarmen. Gleich unter der Rundung des Bizeps. Die Arme waren da druckempfindlich. Die Schultergelenke schmerzten. Verdreht gewesen. Sie konnte sich selbst sehen. Cindy hatte sie im Polizeigriff. Wie es im Skript aufgezeichnet war. Cindy hielt sie eisern von hinten an den Armen fest und schob sie in Richtung Lift. Sie konnte das vor sich sehen. Aber sie konnte sich nicht erinnern. Es war aber fast lustig. Während Gino vor sich hin redete. Die Schmerzen sprangen auf. Erwachten. Ihr Körper begann, an allen Ecken weh zu tun. Zerschlagen. Sie lag zerschlagen auf Ginos Bett. Sie musste lachen. Er solle aufhören, stöhnte sie. Wenn er weiterreden würde. Sie würde noch richtig krank. Und er solle nicht so dumme Geschichten erfinden und ihr die falschen Tage sagen. Er sei doch selber wahnsinnig und verrückt, und das sei ja alles schön und gut. Aber jetzt könne sie nichts mehr aushalten. Sie wolle hier liegen bleiben. Ob er sein Zimmer bräuchte. Gino hatte den Föhn aufgedreht und schrie über das Föhngeräusch, dass sie dableiben könne. Er wüsste nicht, wann er heute ins Bett kommen würde. Sie könne sein Zimmer haben. Sie solle ihm den Schlüssel von ihrem geben. Ihm würde das nichts ausmachen. Im Hügel unter dem swimming pool. Er könne immer schlafen. Und sie solle schlafen. Was immer da los sei. Sie schaue entsetzlich aus. Sie müsse einmal eine Nacht wirklich schlafen. Sie habe schließlich auch nicht die ewige Schönheit gepachtet. Und er wolle, dass seine Emilie die Schönste sei. Gino kam aus dem Badezimmer und setzte sich wieder auf das Bett.»Amalie. «sagte sie. Amalie wäre ihr Name. Emilie, das käme doch von Emil, und sie könne Frauennamen, die von Männernamen abgeleitet wären. Die könne sie nicht leiden.

Sie legte ihren Kopf auf seinen Schoß und zupfte an seinen Haarschöpfchen.»Warum machen das Menschen. «fragte sie. Gino griff nach seinen Haaren. Sie solle das nicht machen, bat er sie. Sonst könnte er die ganze Prozedur wiederholen. Das mit der Holzverkleidung, sagte sie. Warum verkleideten Menschen solche Zimmer mit Holz und machten kleine Saunaräume daraus. Ginge es diesen Menschen darum, sich heiß und zu groß für das Zimmer zu fühlen.

Das wüsste er nicht. Gino stand auf. Ihr Kopf fiel auf das Bett zurück. Gino ging ins Badezimmer. Sie hörte einen Entsetzensschrei und dann:»Amalie. Vielen Dank. Das habe ich jetzt wirklich dringend gebraucht. Noch einmal die Haare waschen. «Dann ging die Brause los. Das Wasser trommelte auf die billige Brausetasse. Es dröhnte, als ginge ein heftiger Regenguss nieder. Sie lag auf dem Bett und starrte an die Decke. Sie begann die Bretter zu zählen. Sie zählte bis 10 und begann dann von vorne. Dann konnte sie sich nicht erinnern, ob sie nicht doch bis 20 durchgezählt hatte. Sie begann noch einmal. Dann drehte sie sich auf den Bauch. Im Badezimmer war der Föhn zu hören. Sie dehnte sich. Ihre Beine taten weh. Die Zerschlagenheit. Sie streckte sich. Alle Gelenke waren so rostig und unangenehm. Die Hüften. Auf dem Bauch liegend. Als wäre sie auf eines von diesen Turnwochenenden von der Sportunion gefahren und hatte nicht trainiert. Muskelkater. Ein schrecklicher Muskelkater war das. Das hatte sie noch nie gehabt. Vom Trinken.»Weißt du was. «rief sie Gino zu. Der hörte sie nicht. Sie nahm einen Polster und schoss ihn durch die Badezimmertür. Der Föhn wurde ausgeschaltet.»Weißt du was. «wiederholte sie. Gino kam an die Tür. Er hielt den Föhn als Pistole und sagte:»Peng. Peng.«

«Ich möchte nicht mehr so heißen. «Gino lehnte sich an den Türrahmen der Badezimmertür. Er hielt den Föhn baumelnd in der Hand. Da könne man wenig machen. Gegen einen Namen. Was sie denn störe. Er fände Amalie nett. Altmodisch und sogar ein bisschen exklusiv. Genau das fände sie daran so blöd. Die Exklusivität. Amy. Das wäre besser. Aber um den Vornamen ginge es nicht. Es ginge um ihren Nachnamen. Sie habe jetzt und eben und beim Zählen des 27. Holzbretts der Holzverkleidung seiner Zimmerdecke einen unüberwindlichen Widerstand gegen ihren Namen gefasst. Gino müsse wissen, dass sie wie ihre Mutter hieße. Weil sie unehelich sei. Und ihre Mutter hieße so wie alle vor ihr. Sie wolle da heraus.»Aber das ist doch ein berühmter Name. «Gino ging ins Badezimmer zurück. Sie konnte ihn sehen. Von hinten. Er stand auf Zehenspitzen und hatte begonnen, das Spiegelkästchen über dem Waschbecken zu durchsuchen. Er nahm die Dosen und Fläschchen und schaute die Etiketten genau an. Dann stellte er alles auf den Boden und suchte weiter. Man wisse doch nie, wann so ein Name praktisch wäre. Sie musste lachen. Das sagten alle, rief sie Gino zu. Aber erstens wüsste doch ohnehin kaum noch jemand etwas von einem berühmten Mann, der 1911 gestorben wäre, und in der Kunst kenne sich doch auch keiner aus.»Na dann. «seufzte Gino und drehte eine der Dosen auf. Ihm sei sein Haarstylinggel ausgegangen. Was er nun machen solle. Ob sie eines habe. Er kam wieder an die Tür. Hinter ihm standen die Fläschchen und Döschen und die Tuben auf dem Boden.»Nein, o großer König der Kosmetika und Pflegemittel. «Sie drehte sich auf die Seite und schaute ihn an. Er wisse doch, dass sie nichts verwende. Sie habe einen Haarfestiger. Aus der Apotheke. Gino wandte sich ab. Gespielt angewidert begann er die Fläschchen und Döschen vom Boden aufzuheben und stellte sie wieder in die Fächer des Spiegelschranks. Sie rollte wieder auf den Rücken. Das sei wirklich ein Problem, klagte sie. Für sie sei das ein Problem. Mit diesem Namen. Sie könnten heiraten, sagte Gino, und dass er jetzt diesen alten Haarspray nehmen müsse. Ob er den aufsprayen sollte oder als Saft. Sie hörte ihn sprayen. Sofort der Geruch nach Friseur. Sie glaube nicht, dass man einen solchen Spray aufschrauben könnte. Die stünden doch unter Druck. Oder. Und war das nicht der Grund, warum man sie nicht verwenden sollte. Gino sprayte im Badezimmer. Amalie Denning, das wäre doch nicht so schlecht. Oder? Gino stand in der Tür und zog an seinen Haaren. Das Blöde wäre, dass er keine Zeit haben würde. Zum Einkaufen. Ob sie das machen könne. Er würde sie heiraten. Sie hieße dann Denning, und er bekäme sein Haargel. Sie könne das schon machen, sagte sie. Aber könne man nicht gemeinsam. Wenigstens auf einen Kaffee nach Kötzting. Müsse er das ganze Wochenende. Gino nickte. Das ganze Wochenende. Es waren drei seiner Stammkundinnen da. Und er hatte Wassergymnastik und Fitnessraum und Langlauf und Buchungen für Massagen. Die Heidi hätte auch so ein Programm. Bis Weihnachten waren nur er und die Heidi da, und es war schwierig genug, die Wünsche der Gäste zu koordinieren. Der Jungeibi habe noch dazu neue Software für den Wellnessbereich gekauft, und jetzt ging alles durcheinander, weil die Biggy jetzt auf Urlaub geschickt worden war. Und obwohl sie gleich im ersten Haus im Ort unten wohnte, weigerte sie sich, auszuhelfen.»Ich versteh sie ja. Sie hat an Weihnachten zu ihrem Freund nach Müchen fahren wollen. Aber der Jungeibi hat ihr gesagt, dass sie dann gleich bei dem bleiben soll. «Sie würde an Biggys Stelle in München bleiben, sagte sie. Ja, das sage sie jetzt, seufzte Gino und ging wieder ins Badezimmer. Er stand vor dem Spiegel und zuckte mit den Schultern. Das ginge schon, sagte sie. So wie er jetzt aussähe. Das ginge schon. Er müsse doch sowieso in die Sauna. Mit den Mädels. Sie verstünde gar nicht, warum er sich so fesch machen wolle. Gino seufzte wieder. Gerade für die Sauna bräuchte er doch diesen ganz besonders starken Festiger. Er kam wieder ins Zimmer und zog sein Jeanshemd an und eine Lederweste darüber. Ob sie schon zu Abend gegessen habe, fragte er und zog die Schuhe an. Trachtenschuhe mit Gummisohlen. Er trug diese hässlichen Schuhe, damit er nicht tanzen musste. Er zeigte dann nur die Gummisohlen her und sagte, dass man damit nicht tanzen konnte. Gino hatte Tänzer werden wollen. Immer schon. Aber weil der Bauernhof seines Großvaters im Niederbayrischen so weit weg von allem war, hatte es nur zu Sport gereicht. Und weil die zweite Frau des Großvaters schon alles zu Lebzeiten überschrieben bekommen hatte und der Großvater lange genug leben würde, dass die Schenkung nicht mehr angefochten werden konnte. Deshalb hatte Gino seine Ausbildung zum Sportpädagogen abgebrochen und arbeitete als personal trainer. Da machte er alles. Nur tanzen. Dazu konnte ihn keine seiner Kundinnen bringen.»Ich habe alles beisammen. «Gino saß über seine Füße gebeugt.»Was braucht man denn. Wenn man heiraten will. «Sie rollte sich auf die Seite und lehnte ihre Hüfte gegen seinen Rücken.»Ich schau nach. Das kann doch keine Hexerei sein. Ihr seid doch auch in der EU. «Er grunzte beim Schnüren der Schuhbänder. Sie boxte ihm in den Arm.»Wir sind das Heilige Römische Reich, und ihr habt zu uns gehört. Wir haben euch Hunderte von Jahren beherrscht. So schaut’s aus. «sagte sie, und ja, er solle das doch herausfinden. Sie sei entschlossen. Unter allen Umständen sei sie entschlossen. Sie müsse diesen Namen loswerden. Sie habe das Gefühl, dass sie mit diesem Namen keine Luft bekommen könne.»Du bekommst keine Luft, meine Liebe, weil du zu viel gesoffen hast.«»Glaubst du, du kannst eine Trinkerin heiraten.«»Gibt es etwas anderes als Trinkerinnen?«Gino ging zur Tür. Er lasse den Schlüssel da. Falls sie unten nicht schlafen könne. Er wüsste ohnehin noch nicht, ob er es überhaupt ins Bett schaffen würde.»Schönes Hully-Gully!«rief sie ihm nach. Er ließ die Tür ins Schloss fallen. Sie hörte ihn davongehen.