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Es war wirklich das Wichtigste. Das mit dem Namen. Sie drehte sich auf den Bauch und legte den Kopf auf den Arm. Ginos Kleider lagen auf dem Boden verstreut. Die Badezimmertür stand offen. Unter dem Waschbecken zwei Spraydosen und eine weiße Flasche. Ein nasses Handtuch hing über der Klinke der Badezimmertür. In der Ecke zur Duschnische schwarzer Schimmel. Über der einen Reihe Fliesen an der Wand schwarzer Schimmel die Kante zur Duschecke hinauf und in Flecken unter dem Waschbecken zur Toilette hin. Wahrscheinlich war unter der Holzverkleidung an den Wänden überall solcher Wandschimmel. Gino lüftete auch nie. Bei ihm mussten die Fenster immer dicht geschlossen sein. Und er war nicht geruchsempfindlich. Aber ohne Gino. Sie hätte es hier nicht aushalten können. Ohne ihn. Hätte sie das alles nicht ausgehalten. Ohne ihn. Wenn sie ihm alles erzählte, dann wurde das alles erst wirklich. Erst wenn sie es ihm erzählt hatte, hatte sie es erlebt. So musste es mit Geschwistern sein. Und vielleicht hatte sie ja welche. Ihr unbekannter Vater konnte 25 Kinder haben. Und ihre Mutter. Vielleicht lebte sie in Amsterdam mit noch einmal 2 Kindern und führte ein ganz normales Leben. Es wäre lustig gewesen, wenn Gino wirklich ein Halbbruder sein könnte. Wenn sie wirklich heirateten, dann war das eine doppelte Versicherung. Sie robbte an den Bettrand und suchte in Ginos Nachtkästchen. Gino hortete Notizblöcke, das wusste sie. Er nahm aus jedem Zimmer, in das er mit diesem Job hier geriet. Er nahm dann immer den Notizblock mit. Die Notizblöcke waren aber nicht in seinem Nachtkästchen. Da lagen die» TV «und ein Filzstift. Gino strich Sendungen an, die er sehen wollte. Sie nahm den Filzstift und die Zeitung und begann, vor sich auf dem Polster» Amalie Denning «zu schreiben. Sie musste auf den schmalen Rand schreiben und in die schmalen Zwischenräume zwischen Titeln und Bildern. Amalie Denning. Ja. Das war besser. Amy Denning war noch besser. Aber den Vornamen konnte man nicht loswerden. Beim Heiraten. Oder.

Sie schrieb» Elisabeth.«»Elisabeth Denning.«

Sie lag dann wieder auf dem Rücken. Lang. Sie drehte sich, bis sie durch das Dachfenster in den Himmel sehen konnte. Sternenklar. Sie hätte kein Licht haben wollen. Das Licht im Badezimmer abgedreht. Die Lampe über dem Kopfpolster. Sie konnte sich aber nicht bewegen und musste es lassen. Sie war sicher, dass die Sterne mehr gestrahlt hätten, hätte sie die Lichter ausschalten können. Aber der Blick in den Himmel schon eine Erleichterung. Das, was über ihr war und was sie nur innen spüren konnte. Es lag nicht so schwer auf ihrer Brust, wenn sie in den Himmel starrte. Wenn sie überlegte, ob nun Donnerstag war. Oder doch Freitag. Hier oben war das gleichgültig. Hier oben wohnten nur Angestellte und jetzt, in der Nebensaison. Es waren nur drei der Zimmer belegt. Die drei gegenüber leer. Gino hatte umziehen müssen, damit nur ein Heizungsstrang laufen musste, und er hatte deshalb ein größeres Zimmer bekommen. Das war das Chefkochzimmer. Es hatte ein Doppelbett. Das vorher ein schmales Bett die Wand entlang. Das Zimmer ein schmaler Schlauch. So wie ihres. Ihres war ein etwas breiterer Schlauch auf der billigen Etage unten. Ginos Zimmer jetzt. Das war über dem Zimmerturm ganz oben und der pool links weit weg. Dieses Zimmer der höchste Punkt weit und breit. Das Hotel auf der Kuppe des Hügels über Kötzting. Der Ort an den Fuß des Hangs gedrängt. Hier oben pfiff der Wind, und es war bitterkalt. Deshalb konnte sie das Fenster auch nicht aufmachen. Das Fenster war eines von diesen Kippfenstern, die nie die Sicht freigaben. Immer war das Fenster im Bild. Außer man hängte sich aus dem Fenster raus. Dafür war es zu kalt.

Sie hatte Hunger. Wahrscheinlich sollte sie etwas essen. Vielleicht war dieses Gefühl. Dieses Hängen in einer Schwere. Vielleicht war das Hunger. Durst. Sie musste nur aufstehen. Zum Wasserhahn gehen. Trinken. Es trieb sie dahin. Es hielt sie fest. Hielt sie aufgespannt. Aufgespannt. Das war es. Sie war aufgespannt wie eines von den Tieren, die hängend ausgenommen wurden. In dem einen Kochbuch von der Tante Schottola die Zeichnung. Der Hase aufgespannt an den Hinterläufen. Der Bauch nach vorne. Und in Schritten wurde vorgeführt, wie das Fell ab. Wie man um die Läufe einen runden Schnitt machen musste und dann abziehen. Die Haut abziehen. Möglichst ganz. Und dann den Bauch auf. Die Eingeweide langsam. Nicht zu groß den Schnitt. Die Eingeweide konnten herausquellen, und es ging ja darum, das Fleisch nicht mit Galle zu verunreinigen. Die Gallenblase musste vorsichtig herausgelöst werden, damit man das Fleisch nicht ungenießbar machte. Das Messerchen von den Bildern. Es war eine Hand mit einem Messerchen gezeichnet, die die Schnitte anzeigte. Sie konnte diese Hand an sich spüren und das Messerchen in ihre Knöchel ritzen. Sie musste aufstehen. Die Vorstellung dieses Ritzens um die Knöchel kitzelte, und das Gedränge im Bauch wurde zu groß. Sie konnte nicht liegen bleiben. Sie ging im Zimmer auf und ab. Es waren fünf Schritte möglich. Von der Tür zum Bett und zum Badezimmer. Dann wieder zwei von der Badezimmertür zum Bett und drei zur Zimmertür. Gino hatte seine Trainingskleidung auf den Boden geworfen und liegenlassen. Sie hob die Kleider auf und warf sie über die Lehne des einzigen Sessels. Auf dem Tisch stand ein glänzendes Köfferchen. Aus glänzendem schwarzen Kunststoff. Hatte Gino aufheizbare Lockenwickler. Sie klappte den Deckel auf. Es waren X-Man-Dildos. Auf der Innenseite des Köfferchens stand das scharlachrot auf schwarzsamtigem Untergrund.»X-Man-Dildos«, und für jeden der Name. Kevin. Steven. Tim. Rocket I. Rocket II. Rocket III. Kevin war schwarz. Steven rot. Tim violett. Die Rockets waren alle schwarz. Kunststoffglänzend ragten sie aus der schwarzen Bodenhalterung. Das Antriebsgerät war vorne quer eingelassen und Ersatzbatterien in einem Seitenfach. Sie warf den Deckel zu. Hoffentlich waren die gereinigt. Sie wollte nicht einmal in die Nähe von solchen Dingern kommen. Ginos Handwerkzeug. Es war schon fraglich, ob Gino wirklich bi war oder ob er sich das nur vormachte. Aber vielleicht war Gino hygienischer und wählerischer, als sie das vermutete. Sie kannte ihn ja auch erst seit 7 Wochen. Und zuerst hatte sie hier nur gegessen, bis die Kälte sie aus der Wohnung in dem verlassenen Haus vertrieben hatte. Da hätte sie jetzt sein wollen. Ein Haus, in dem sie herumspazieren konnte und niemanden treffen musste. Irgendwie sollte dieses Haus aber dann auch bei den Eltern Schottola sein, und sie musste nur hinuntergehen, und in der warmen Küche war der Eiskasten und alles da. Sie musste lachen. Der Schreck über die ungereinigten Dildos hatte in ihrem Bauch zu Ruhe geführt. Sie zog den Schlüssel ab und ging. Die Dildos schienen ihr lebendig zu sein. Sie hatte das Gefühl, sich verabschieden zu müssen. Sie hörte sich selbst ärgerlich grunzen und musste lachen. Die Tür fiel hinter ihr zu. Gino musste dieses Zeug wegräumen. Sie wollte mit denen nicht in einem Zimmer sein. Sie ging zum Lift. Es war still, und sie hörte den Lift heraufsummen.