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Nein, antwortete sie der Frau links. Nein, sie hätte nicht gewusst, dass Gino mit dem Auto unterwegs gewesen wäre. Die Frauen schauten einander an. Das wäre er ja auch nicht. Die Krankenschwester kam in den Vorraum. Sie räusperte sich. Das alles wäre nicht interessant für die Frau Denning. Amy schaute sie fragend an. Die Frau starrte zurück. Abweisend. Dann fiel Amy ein, dass sie die Frau Denning war. Sie beugte sich vor. Sie war rot geworden. Unter dem vorwurfsvollen Blick der Krankenschwester war sie rot geworden. Sie beugte ihr brennendes Gesicht über die Kaffeetasse. Sie war sogar dazu zu dumm. Die Verzweiflung stieg wieder auf. Das Gefühl, eigentlich weit weg zu sein, aber mithören zu müssen, wie alle schlecht über sie sprachen. Böse. Vorwurfsvoll. Anklagend. Und es stimmte ja auch. Es war nicht so, wie diese Frauen das dachten. Aber es war mindestens so schrecklich. Mit ihr. Und plötzlich war sie diesen Frauen dankbar für ihre schlechte Meinung von ihr.

Sie stand auf und ging in den Saal zurück. Gino lag unverändert. Das Licht war abgedreht. Draußen. Hinter den großen Fenstern hatte der Morgen begonnen. Sie ging um das Bett herum und schaute zum Fenster. Gino würde hauptsächlich Himmel zu sehen bekommen.

«Du musst dann aufwachen. «sagte sie zu ihm. Sie stand hinter ihm und redete von da auf ihn ein.»Du musst aufwachen und denen sagen, was los war. Und warum sitzt die Cindy da draußen. Wo wart ihr denn. Ihr seid doch nicht auf dem Weg in diese Disco gewesen. Die im Internet angegeben ist. Da sind wir doch gewesen. Die haben wir doch gesucht. Da gibt es doch das Haus nicht mehr. Aber ich weiß schon, ihr seid nach Kötzting ins Casino gefahren. Oder doch nach Tschechien. Seid ihr nach Strazny gefahren. Na ja. Ist ja gleichgültig. Ich kann auch gar nicht dableiben. Ich kann mich nicht um dich kümmern. Du weißt doch. Ich muss nach London, und das ist wichtig. Und ich will natürlich gar nicht wissen, was passiert ist. Ich will nur, dass es dir gutgeht. Du bist doch der Stärkere von uns beiden. Wie kannst du hingehen und einen Unfall bauen. Ich nehme an, dass es ein Unfall gewesen ist. Ihr seid doch nicht. Sag. Das kommt davon. Wie kannst du dich mit jemandem wie dieser Cindy einlassen. Du hast nichts verstanden. Ich habe dir doch gesagt, dass das komisch ist. Das ist alles komisch da, und wenn du mit der ausgehst, dann musst du damit rechnen, dass du überfallen wirst. War es das? Seid ihr in einen Hinterhalt. Ja? Ich habe es ja gewusst. Diese Geschichte mit diesem Grotowski. Die hat dich dazu benutzt, Kontakt aufzunehmen. Das heißt, ihr wart in Strazny, und sie hat da mit irgendwelchen Russen geredet. Weil die da Kontakte haben. In Afghanistan haben die noch ihre Kontakte. Ist ja klar. Und es waren die Falschen. Ingo. Ingo. Warum hast du mich nicht gefragt. Die haben da ein riesiges Problem. Die sind verzweifelt. Da muss man sich heraushalten. Nein. Du glaubst immer, dass das eine Spielerei ist. Aber da wird nicht gespielt. Weil du mich nicht ernst nimmst. Du. Du Dummkopfi, du.«

Der Pfleger schob sie zur Seite. Der Patient dürfe nicht berührt werden. Jetzt noch nicht. Und sie solle gehen. Sie habe den Blutdruck des Patienten so erhöht, dass da eine Pause. Er stellte etwas an der Infusion ein. Die Krankenschwester kam von der Tür auf sie zu. Sie ging. Sie hätte weinen können. Aber sie weinte nicht. Sie ging an allen vorbei hinaus. Sie ging steif. Sie spürte sich selbst steif gehen. Die Gelenke widerständig. Beugten sich nicht rechtzeitig. Eine Holzpuppe. Ich bin eine Holzpuppe, dachte sie und ging. Sie machte die Tür betont leise hinter sich zu. Sie konnte noch kurz hören, wie die Frauen sprudelnd zu reden begannen. Die redeten jetzt über sie. Sollten sie doch. Die verstanden auch von nichts etwas. Solchen Leuten ging es aber ohnehin nur ums Reden. Da musste so ein Redefluss aufrecht bleiben. Das war alles.

Auf dem Gang. Cindy saß nicht mehr da. Sie war allein. Sie ging zum Lift. Geschlossene Türen. Schilder, dass der Eintritt nur Befugten erlaubt war. Einen Augenblick stellte sie sich vor, wie das mit den Befugten sein konnte. Wie so ein Arzt in Weiß mit Fugen versehen werden konnte und dann befugt war. Sie schüttelte den Kopf. Das war der Stress. Bei Stress geriet sie in solche Wörtlichkeiten. Eine von diesen überflüssigen Begabungen. Sie lachte wenigstens nicht mehr laut. Sie blieb allein im Lift. Sie konnte sich in Ruhe befugte Personen vorstellen. Es war dann wohl eine Stilentscheidung, welche Art von Fugen diese Personen wählten. Oder erwarb man da die Befugung und musste nehmen, was da kam. Dehnungsfugen. Dichtungsfugen. Anschlussfugen. Sanitärfugen. Glasfugen. Der Onkel Schottola hätte für alles die richtige Technik gewusst. Sie wären zum ÖBAU Fetter in der Horner Straße gefahren und hätten lange Gespräche über Fugen geführt und ob man sie betonen sollte oder ob man sie zum Verschwinden brachte und man sie nicht sehen musste.

In der Eingangshalle. Niemand saß mehr in den Sesselreihen. Eine Putzfrau entnestelte das Kabel eines Staubsaugers. Sie stand hinten. Im türkisfarbenen overall. Trat gegen den Staubsauger. Sie ging nach rechts zum Eingang. Was sollte sie jetzt tun. Die Türen glitten auf. Eisig kalte Luft floss herein. Der Mann an der Rezeption rief nach ihr.»Frau Denning. «rief er. Sie ging zu ihm. Es ginge um die Aufnahmeformulare. Ob sie die ausfüllen könne und die Versicherungskarte ihres Mannes. Das wäre wichtig. Sie nahm die Papiere in die Hand. Wäre es nicht am einfachsten, sie nähme das mit. Sie wäre ohnehin auf dem Weg zum Arbeitgeber ihres Mannes. Sie wohnten da. Da könne sie das alles in Ruhe. Sie lächelte den Mann an. Der stand höher und schaute auf sie hinunter. Er setzte sich. Sie konnten einander so in die Augen sehen. Das ginge nicht, sagte er. Wenn es nach ihm ginge, dann wäre das sicher das Einfachste. Sie solle einfach die Unterlagen mitbringen, wenn sie wiederkäme. Er schaute sie prüfend an. Das habe ja alles auch Zeit. Dann hielt der Mann inne. Er schaute auf seinen Bildschirm hinüber. Dann begriff sie. Wenn sie jetzt die echte Ehefrau gewesen wäre. Jetzt hätte sie zu weinen beginnen müssen. Wieder. Dieser Mann hatte gerade gesagt, dass Gino noch lange dableiben würde. Oder sterben. Und dass dann ja alle Zeit der Welt sein würde. Für die Formalitäten. Gino sterben. Das war ihr noch gar nicht eingefallen. Kalte Wut füllte sie aus, und sie musste sich abwenden und weggehen. Wie konnte dieser Mann das andeuten. Wenn sie die wirkliche Frau gewesen wäre. Sie wäre doch zerstört gewesen.

Sie ging mit großen Schritten in die Kälte hinaus. Der Mann rief ihr irgendetwas nach. Sie drehte sich draußen um. Der Mann hatte sich gesetzt und hielt seinen Kopf in beiden Händen. Sie ging zum Auto. Sie hörte eine Autotür schlagen. Ein schwarzer Schatten links weit außen. Sie riss die Autotür auf. Die Tür war angefroren, und sie musste ein zweites Mal an ihr reißen. Dann ließ sie sich auf den Fahrersitz fallen und drehte den Autoschlüssel. Sie hatte ihn stecken lassen. Wer wollte einen uralten Kia, und sie hatte es ja gestern auch so gemacht. Gestern. Das vielleicht Vorgestern gewesen war. Die Tür zum Beifahrersitz wurde aufgerissen. Der Starter gab einen dünnen Ton von sich, und der Keilriemen quietschte. Gregory ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Sie startete wieder. Diesmal funktionierte es. Der Motor sprang an. Sie wollte in den Rückwärtsgang schalten. Sie wollte weg. Ob mit Gregory im Auto oder allein. Sie wollte weg. Gregory lehnte sich gegen sie. Gregory lehnte sich gegen ihre Schulter. Er hielt seinen Arm gegen ihren Arm. Das Kaschmir seines schwarzen Mantels warm wolkig. Gregorys Arm darunter hart gegen ihren. Sie war erstarrt. Sie hatte in der Bewegung innegehalten und war gegen Gregory angelehnt geblieben. Erst ihr Kältezittern gegen ihn machte sie darauf aufmerksam. Gregory sagte nichts. Er schaute nach vorne durch die Windschutzscheibe hinaus. Die Scheibe wieder vereist.

«Would we want to be rid of this ice. «stöhnte er und blieb sitzen. Die Lüftung blies eiskalte Luft gegen die Scheibe. Sie habe das sehr gut gemacht, sagte er dann. Sie ließ den Arm sinken. Er nahm ihre Hand in seine. Er trug Handschuhe. Weiche Sämischlederhandschuhe. Er umschloss ihre Hand. Es wäre genial gewesen von ihr, sich als die Ehefrau auszugeben. Ja. Er habe das alles mitbekommen. Amy habe damit die Aufmerksamkeit von Cindy und ihm abgelenkt. Sie hätte perfekt improvisiert. Wenn sie das geübt hätten, es hätte nicht besser sein können.