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Die Krankenschwester kam ins Zimmer und lief gleich wieder hinaus. Sie kam zurück und sagte ihr, sie solle den Mund aufmachen. Sie solle den Mund aufmachen und die Zunge zurückbiegen. Die Krankenschwester tropfte ihr etwas in den Mund. Kalt. Dann nahm sie ihr Handgelenk und fühlte den Puls. Wie elend ihr denn sei, fragte sie. Die Visite käme nämlich gleich. Die wären heute früh dran. Aber. Wenn der Professor sie so vorfände. Sie würde dabehalten werden. Mit solchen Kreislaufproblemen. Die wollten sie sicher dabehalten. Sie habe ja einen richtigen Kollaps. So. Wie das aussah. Und dann behielten die die Frauen noch einen Tag länger. Das wollte sie doch sicher nicht. Sie wolle doch sicherlich nach Hause gehen. Nicht hier noch einen Tag. Die Krankenschwester beugte sich über sie. Schaute ihr in die Augen. Sorgenvoll und verschwörerisch. Nein, schüttelte sie den Kopf. Nein. Sie wolle nicht hierbehalten werden. Sie hielt der Krankenschwester die Mappe hin. Sie müsse hier weg. Die Frau nahm die Mappe. Es würde wieder gut, sagte sie. Beim Weggehen. Es würde alles wieder gut werden. Sie sei ja so jung. Sie habe noch alles vor sich. Die Krankenschwester blieb einen Augenblick am Bett der anderen Frau stehen. Dann ging sie davon.

Sie lag da und zitterte. Sie hatte einen Zitteranfall. Sie konnte nichts dagegen tun. Es wurde dann ein Scheppern. Im Liegen klapperten ihre Zähne, und ihre Knie flatterten. Als wäre ihr eiskalt. Ihre Gliedmaßen schepperten, und es wäre unmöglich gewesen, vom Kaffee zu trinken. Sie lag da und schaute die Decke an. Machte die Augen zu. Konnte den Kopf nicht bewegen. Wieder diese wilde Übelkeit. Kurz. Dann. Sie fand sich ruhig liegen. Gelassen und in Ordnung. Innen.

Die Tür wurde aufgerissen. Eine Gruppe kam herein. Alle in weißen Mänteln. Der wichtige Mann. Es war sofort klar, dass er der wichtige Mann war. Die Gruppe schob ihn in die Zimmermitte. Eine junge Frau reichte ihm ein clipboard. Er schaute drauf. Dann auf sie im Bett. Er wandte sich an die Gruppe zurück. Ob die junge Dame da unterwiesen sei. Die Ärztin, die sie operiert hatte, sagte» Ja. «und» Selbstverständlich«. Dann wandte der Mann sich der anderen Frau zu. Die lag in tiefem Schlaf. Er schaute auf das clipboard und nickte. Dann verließ er das Zimmer. Die Gruppe schob sich hinter ihm her. Ihre Ärztin kam zurück. Wie es ihr ginge. Ob die Blutungen stark wären. Und sie solle zur Nachversorgung zu ihrer Gynäkologin gehen. Und alles Gute.

Sie lag auf dem Bett. Es schien ihr alles eine Erscheinung zu sein. Ein Film. Sie lächelte die Ärztin an. Und ihr ginge es gut. Danke. Dann lag sie da. Sie konnte jetzt gehen. Offenkundig. Sie musste lachen. Ein bisschen musste sie lachen. Die Ärztin war wirklich nett gewesen. Sie hatte versucht, so freundlich wie möglich zu sein, aber sie war dann doch sehr froh weggelaufen, den anderen nachzukommen. Sie schätzte das. Sie konnte das schätzen. Sie blieb liegen. Es gefiel ihr, wenn jemand versuchte, nett zu sein. Es half. Sie konnte sich aufsetzen und überlegen. Sie sollte etwas trinken. Sie nippte am Kaffee. Sie war froh, nicht mit dem Auto hierhergefahren zu sein. Ein Taxi. Es gab Taxis unten. Am Haupteingang. Sie musste Geld abheben. In der Halle ein Bankomat. Sie konnte auch gleich etwas zu essen einkaufen. In der Halle. Sich versorgen und dann in die Margaretenstraße. Es war wahrscheinlich sogar ein Glück, dass keine Ferien waren. Dass ihre Mieter noch nicht in die Semesterferien geflüchtet waren. Sie hatte sie nur gehört. Sie hatte niemanden getroffen. Die waren alle den ganzen Tag unterwegs. Aber in der Nacht. Wenn etwas war. Der eine studierte sogar Medizin. Die anderen zwei waren Physiker. Die würden ihr auch etwas bringen. Sie brauchte nichts einzukaufen. Sie konnte vom Lift direkt zu einem Taxi und in die Margaretenstraße und dort schlafen. Wieder schlafen. Sie hatte noch die Tabletten von der Immervoll. Wenn etwas weh tat. Sie würde die dreifache Dosis nehmen und schlafen.

Die Frau im anderen Bett drehte sich zur Wand. Die Frau hob den rechten Arm und zeigte gegen die Decke. Sie dachte, die Frau wachte auf und wollte etwas sagen. Dann legte die Frau den Arm auf die andere Seite und rollte sich dem Arm nach zur Wand.

Sie war erschrocken. Die Frau war nicht aufgewacht. Es musste aus einem Traum gekommen sein. Diese Geste der Anklage. Sie schob das Tischchen weg und stand auf. Sie schaute in das Fach unter dem Tischchen. Zog die Schublade heraus. Ging zum Kasten. Holte den Mantel. Nahm die Taschen. Sie schaute das Bett noch einmal an. Schaute zum Fenster hinaus. Blauer Himmel zwischen dünnen Wolkenstreifen. Alles sonnig.

Sie schaute die Frau im anderen Bett nicht mehr an. Sie hätte sich gerne von ihr verabschiedet. Diese Frau war freundlich gewesen. Sie hatte ihr gleich gesagt, dass sie dann schlafen würde, und ihr alles Gute gewünscht. Weil sie dann schon entlassen sein würde, wenn sie wieder aufwachte.»Wissen Sie. «hatte sie gesagt.»Diese Chemo. Das ist eine Übung. Und wenn das Sterben dann so ist, wie dieses Einschlafen bei der Chemo. Dann soll es mir recht sein. «Das wirklich Schwierige bei Krebs wären nämlich die Bestrahlungen. Die Chemo, das sei belastend. Ja. Aber die Bestrahlungen. Da wüsste man dann schon viel zu viel. Vom Ende. Sie war dann abgeholt worden. Sie war ewig in einem Vorzimmer zum Operationssaal gelegen und hatte warten müssen. Aber vielleicht war das nur ihr Gefühl gewesen. Vielleicht war sie gleich drangekommen, und es war nur für sie so lange gewesen. Sie konnte sich kaum noch an den Aufwachraum erinnern. Nichts. Die Zeit nicht vorhanden. Diese Stunde oder wie lang das gewesen war. Nichts. Nicht einmal Nebel. Dieser Vorraum. Dann der Aufwachraum. Dazwischen. Leer. Und. In diesen Räumen. Sie ging auf den Gang hinaus. Schloss die Tür vorsichtig. In diesen Räumen verloren sich die Grundlagen. Wahrscheinlich hing deshalb eine Uhr in jedem Zimmer. Dann fiel ihr ein, dass man diese Uhren sicherlich zentral umstellen konnte, und sie musste lächeln. Sie konnte doch hintergründig denken. Gregory hatte keinen Grund, sie als kleines braves Mädchen hinzustellen. Sie konnte in Gesamtzusammenhängen denken. Sie war misstrauisch. Sie konnte sich vorstellen, wie man einen ganzen Komplex nur über die Uhren manipulieren konnte. Jedenfalls innerhalb. Blöder Gregory. Eine Welle Wut. Eine große Welle Wut.»Ah. Da ist sie ja. «Sie schaute auf. Der Onkel Schottola kam vom Schwesternzimmer her auf sie zu. Die Krankenschwester, die ihr die Tropfen gegen die Kreislaufprobleme eingeträufelt hatte, hinter ihm. Dann sei ja alles in Ordnung, sagte sie. Sie hätten eigentlich Namensschilder an den Türen, und sie könne sich nicht erklären, warum das für die Frau Schreiber nicht vorhanden sei.»Ihr Vater hat sich jetzt schon Sorgen gemacht. «sagte die Krankenschwester zu ihr gewandt. Vorwurfsvoll. Dann drehte sie sich um und ging zum Schwesternzimmer zurück.

«Onkel Schottola. «Sie musste lachen. Sie konnte ihre Freude nicht verbergen, obwohl sie wusste, dass ihm das Schwierigkeiten machte. Er schaute auch gleich zu Boden. Das sei doch selbstverständlich, murmelte er. Dann nahm er ihr die Prada-Reisetasche aus der Hand und hängte sich bei ihr ein. Er habe das Auto in der Garage unten. Enge Stellplätze wären das. Und ob sie noch etwas holen musste. Aus ihrer Wohnung. Ein paar von ihren Sachen gäbe es ja im Haus.

Sie lehnte sich in seinen Arm. Sie lächelte ihn an. Das wäre die schönste Überraschung. Sie standen vor dem Lift und warteten. Sie musste sich keine Gedanken machen, wie sie in diesen Lift einsteigen konnte und wo sie stehen musste. Sie lehnte sich gegen den Onkel Schottola. Sie merkte, wie ihre Fassung zerbröselte. Sie musste grinsen. Mit dem Onkel Schottola. Da musste sie es gar nicht so weit kommen lassen. Neben ihm. Da reichte dieses Gefühl aus. Dass sie am Ende war. Das Ende musste dann gar nicht ausbrechen. Sie war sicher vor sich selbst. Bei denen. Und wahrscheinlich war das besser als bei leiblichen Eltern.»Gut, dass du angerufen hast. «sagte er. Sie trat einen kleinen Schritt zur Seite und zog ihren Arm aus seinem. Sie stand neben ihm. Sie stieg in den Lift. Sie fuhr mit ihm in die Garage. Ins zweite Untergeschoss. Es wäre schwierig gewesen, einen Parkplatz zu finden.»Ja, weil du so ein Riesenauto fahren musst. «sagte sie. Sie lachten beide. Er ging an den Kassenautomaten. Sie wartete. Sie gingen zum Auto. Er klickte das Auto von weit weg an, damit sie sahen, wo es stand. Im Auto. Sie schnallte sich an. Die Panik war verschwunden. Diese Welle von Elend und Angst und Schmerzen und Sorgen. Abgeflaut. Abgeklungen. Sie saß im Auto und schnallte sich an. Woher er gewusst habe, dass sie nach Hause gehen könne. Der Onkel steckte gerade die Parkkarte in den Automaten und wartete darauf, dass die Schranke aufging. Man musste aber die Parkkarte erst abziehen. Dann erst öffnete sich die Schranke. Er zog die Karte ab und warf sie in den Papierkorb neben dem Automaten. Die Schranke hob sich. Sie musste an den Arm der anderen Frau im Zimmer oben denken. Das Zimmer war aber schon weit weg. Alles in diesem Gebäude war schon gleich weit weg. Sie lehnte sich zurück. Der Sitz kalt. Das Auto kalt. Das Gebläse voll aufgedreht, aber es kam erst noch eiskalte Luft heraus. Sie steckte die Hände in die Manteltaschen.