Sie hörte das Auto. Sie ging an das Eckfenster. Man musste ganz an die Scheibe heran, damit man auf die Stufen vor dem Haus sehen konnte. Und auf das Gartentor. Die Büsche verdeckten sonst die Aussicht. Sie stand auf den Zehenspitzen und lehnte ihre Stirn an das kalte Glas der Fensterscheibe. Sie konnte den Onkel Schottola sehen. Er ging um das Auto. Vorne herum, und er schaute die ganze Zeit auf den Beifahrersitz. Dann ging die Tür auf. Sie konnte das durch das Auto hindurch nur ungenau sehen. Eine Person. Schattig. Verschwand. Der Onkel kam wieder um die Kühlerhaube herum. Er beugte sich hinunter. Beugte sich weit hinunter. Sie hob den Kopf vom Fenster weg. Der Onkel und die Tante verschwanden einen Augenblick hinter dem Busch neben dem Gartentor. Die Gartentür knarrte. Dann nichts. Dann langsam. Die Tante hatte sich bei ihrem Mann eingehängt. Er hielt den Arm angewinkelt und schaute hinunter. Die Tante Schottola. Die Tante Trude. Sie war kleiner geworden. Sie musste kleiner geworden sein. Eine winzige Person. Das Gehen eine große Mühe. Es war zu sehen. Es war daran zu sehen, wie sie an seinem Arm hing und sich festhalten musste. Die Füße wurden geschoben. Sie konnte die Füße nicht heben. Sie schob sie über den Betonweg. Vor den Stufen. Eine Pause.
Sie. Hinter dem Fenster. Sie merkte, dass sie den Atem angehalten hatte. Die Tante schaute auf die Stufen und dann zur Haustür hinauf. Dann hob sie den Kopf und wandte ihr Gesicht ihrem Mann zu. Er nahm ihren Arm mit der anderen Hand, hielt ihn fest und beugte sich zu ihr hinunter. Er umfing ihre Mitte und hob sie die Stufen hinauf. Er blieb unten stehen und stellte sie auf die oberste Stufe. Wie ein ganz kleines Kind. Die Frau lächelte. Er stieg zu ihr hinauf und ging auf die Tür zu. Sie lief vom Fenster weg in das Vorzimmer. Die Tante stand in der Eingangstür. Sie hatte innegehalten, zu Atem zu kommen. Sie schaute auf.»Ach mein armes Kind. «flüsterte sie.»Meine arme kleine Mali. «sagte sie und hielt die Arme auf.
April
Nach vorne gerissen. Zurück gegen die Wand geschleudert. Seine Hand in ihren Pullover verkrallt. Der Mann hatte sie am Pullover vorne. Gleich unterm Hals. Er drehte die Wolle in seiner Hand. Er hatte sie so vom Sessel hinaufgerissen. Hochgehoben an ihrem Pullover. Der Saum im Genick einschneidend. Die Faust an ihrer Kehle. Er drückte mit dem Pullover gegen ihre Kehle. Sie spürte nur dieses Knäuel von Pullover und die Wand im Rücken. Die Luft von vorne mit der Faust weggedrückt. Aus den Lungen geschlagen von der Wand. Sie war größer als dieser Mann. Er stand unter ihr. Gegen sie gelehnt. Er hielt sie mit der Faust gegen die Wand. Sie versuchte aus seinem Griff wegzurutschen und ließ sich fallen. Er schlug ihr mit der linken Faust in den Bauch und hielt sie gleichzeitig mit der anderen an die Wand gedrückt. Er schlug ihr einen Laut aus dem Leib. Er schaute sie an. Schüttelte den Kopf und ließ sie los. Er hob seine Hände und schüttelte den Kopf. Sie lehnte an der Wand. Schaute ihn an. Dann schloss sie die Augen und ließ sich die Wand hinunterrutschen. Sie hockte da.
Der Mann ging an das andere Ende des schmalen, langen Zimmers. Sie müsste nur sagen, woran sie sich erinnern könne. Dann könnte das alles hier vorbei sein, und sie könne machen, was sie wolle. Sie interessiere ihn doch gar nicht. Es ginge nur um die Information.
Sie schob sich an die Wand gelehnt wieder hinauf. Lehnte da. Kurz. Und ging zum Tisch. Sie lehnte sich gegen die Lehne eines Sessels. Sie rüttelte an dem Sessel, in dem er vorher gesessen war. Der Tisch und die Sessel waren am Boden angeschraubt. Man konnte den Sessel nicht aufheben. Sie setzte sich. Musste sich setzen. Sie hatte plötzlich die Vorstellung gehabt, er nähme diesen Sessel in die Hand und schlüge mit ihm auf sie ein. Sie schaute sich genauer um. Es gab sicherlich keine Spiegelwand. Sie sah keine Kameras. Sie schaute ins Licht hinauf. Eine Glühbirne mit einem Drahtgestell davor. Wie in einem Stall. Wie war diese Lampe hierhergekommen. War die immer schon da gewesen.
Der Mann ging vor ihr auf die Seite, von der sie hochgekrochen war.»Das ist doch sinnlos. «sagte er. Er schaute sie nicht an. Es ginge ja um kein Staatsgeheimnis. Es ginge doch nur um einen Freitag. Es wäre doch ein Freitag gewesen. Oder?
Sie legte ihre Arme auf den Tisch vor sich. Wenn es keine Kameras gab. Und in der Fassung für die Stromsparglühbirne war auch nichts zu sehen. Es gab keinen Platz für eine Kamera. Wenn es keine Kameras gab. Keine Spiegelwand zum Durchschauen. Kein Fenster. Dann sah das niemand. Dann waren sie unbeobachtet. Dann waren sie allein.
«Können wir jetzt aufhören. «sagte sie.»Ich habe es schon begriffen. Ich habe schon Angst.«»Guter Schachzug. «sagte der Mann. Was sie anzubieten habe.
Sie schaute ihre Hände an. Sie könnten sich doch jetzt auf eine Geschichte einigen und die Zeit herumsitzen. Das wäre für sie beide erholsamer als diese Realsimulation.
«Von Simulation war nicht die Rede. Junge Dame. «Der Mann blieb vor dem Tisch stehen. Wie sie auf die Idee kommen könne, dass das nicht die Wirklichkeit wäre. Ihr war noch übel vom Schlag in den Bauch. Trüb im Kopf vom Knall gegen die Wand. Ihr war kalt. Ihr war kalt von einem dünnen Schleier Schweiß auf ihrer Haut. Auf dem ganzen Körper. Klebrig kalt. Sie holte tief Luft. Während des Luftholens musste sie sich fragen, woher frische Luft käme. Hier. Drinnen. Frischluft. Tiefe Atemzüge und Ruhe. Kühle leere Luft. Und ein Duft. Wiese. Sie lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander.»Es kann uns doch hier niemand kontrollieren. Was verlieren Sie schon, wenn wir uns einigen. Oder macht dir so etwas Spaß.«
Der Mann griff ihr über den Tisch unter das Kinn und verkrallte sich wieder im Pullover. Er beugte sich über den Tisch. Bohrte seinen Blick in ihre Augen. Sie hätte Sie zu ihm zu sagen. Wenn sie noch einmal du zu ihm sagte. Er ließ sie wieder los und hob die Hände hoch. Ließ die Arme fallen und begann, auf und ab zu gehen. Sie blieb sitzen. Sie legte ihre Hände auf ihre Oberschenkel. Setzte sich gerade auf. Spannte die Gesäßmuskeln an. Straffte den Rücken. Hob das Genick. Schob das Genick lange heraus. Sie atmete tief. Sie wollte diesen Mann nicht ansehen. Sie musste aber gegen den Wunsch kämpfen, diesen Mann anzuschauen. Ihm mit dem Blick zu folgen. Sie merkte gleich, wie er anders ging, wenn sie ihm dabei zusah. Sie wollte ihm das nicht lassen. Sie atmete tief und schaute vor sich auf den Tisch. Der Tisch. Eine Nirostaplatte. Die Sessel metallen silbrig. Die Tischbeine Metall. Die Platte aus Nirosta. Glatt glänzend. Eine spiegelnde glänzende Fläche. Sie beugte sich zum Tisch hinunter. Sie konnte dieses Putzmittel riechen. Ein Metallputzmittel war das. Das Mammerl hatte die Türklinken aus Messing damit poliert. Die Tante Trude hatte versiegelte Türklinken. Da musste man nur noch mit einem feuchten Tuch darüberwischen. Der Raum. Auch der Boden war sauber. Grauer Beton.
«Also gut. Fangen wir von vorne an. Ganz von vorne. «Der Mann hatte sich auf den Tisch gesetzt. Gleich neben ihr. Er schaute jetzt auf sie hinunter. Es hatte ihm wahrscheinlich keinen Spaß gemacht, zu ihr hinaufschauen zu müssen. Beim Niederschlagen.
Sie musste lachen. Es war ein Kichern. Zuerst. Das Kichern steigerte sich zu einem Glucksen. Dann lachte sie laut. Sie hielt ihren Kopf mit den Händen fest. Die Arme auf den Tisch aufgestützt. Die Kälte des Metalls sofort in den Ellbogen zu fühlen. Der Mann saß ruhig. Sie lachte. Wenn er sie jetzt gefragt hätte. Sie musste lachen, weil sie alle diese Skripten und Handbücher gelesen hatte. Da war natürlich nie dringestanden, wie ein Gefangener sich richtig verhielt. Immer nur der Interrogator. Der Befrager. Hätte sie zurückschlagen müssen. Das Lachen erstarb.