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Sie musste den Kopf heben. Im Liegen würde das Elend wieder ansteigen. Sie lehnte sich zurück. Der Mann ging um den Tisch und schaute sie an. Er musterte sie. Sie konnte sehen, wie er sie einschätzte. Sie konnte wieder Luft bekommen. Sie saß ihm gegenüber. Sie schaute seinem abschätzigen Mustern zu. Wut stieg in ihr auf. Sie sah, wie der Mann das sehen konnte. Sie hasste sich dafür. Sie hasste ihr Gesicht, das kein Geheimnis behalten konnte. Der Mann begann zu grinsen. Sie hasste diesen Mann und sich. Rasende Wut. Jetzt schlüge sie ihn gerne, sagte er. Das könne er sehen.

Sie drehte sich weg und beugte sich vor. Sie stützte ihre Arme auf ihre Knie und legte den Kopf in die Hände. Sie konnte wieder alles von sich fühlen. Der Kopf wusste von den Händen. Die Hände vom Kopf. Die Ellbogen bohrten sich in die Oberschenkel, und sie konnte die Ellbogen in den Oberschenkeln spüren. Die Gedanken. Denken. Es ging nur schleppend. Sie wusste, sie musste reagieren. Sie musste auf dieses Grinsen reagieren. Sie wusste, es war etwas anderes wichtiger. Aber sie konnte das nicht finden. Ein Vorhang von diesem Flimmern ließ sich nicht durchdringen. Der Druck im Bauch begann wieder. Sie richtete sich auf. Legte die Hand auf den Bauch. Der Körper. Sie musste den Körper in den Griff bekommen. Der Körper durfte ihr nicht in den Rücken fallen. Sie musste diesem Bauch die Angst verbieten. Sie durfte Angst nur im Kopf haben. Aber das Flimmern im Kopf ließ nur das Denken eines solchen Gedankens zu. Die Angst begann sich wieder im Bauch zu sammeln.

Sie wollte gerade etwas sagen. Sie dachte, es wäre gut, irgendetwas zu sagen. Irgendetwas, was weit weg war von dem Geständnis, dass sie nichts wusste. Dass sie sich nicht erinnern konnte. Der Mann griff wieder über den Tisch. Er zog sie an den Haaren in die Höhe. Er zwang sie, aufzustehen und um den Tisch zu ihm zu kommen. Er zwang ihren Kopf auf die Tischplatte. Sie kniete nieder. Sie wollte ihren Hintern nicht preisgeben. Sie schob sich unter die Tischplatte. So weit es ging. Sie kniete. Sie hielt sich mit den Händen an der Tischplatte fest. Der Mann sprach wieder in diesem ruhigen Ton. Sex mit Frauen. Das mache ihm nicht so Spaß. Nicht so richtig. Aber das hieße nicht, daß er es nicht machen könne. Wie würde es ihr passen. Sie solle einmal diese Jeans ausziehen. Dann wäre man schon einmal einen Schritt weiter.

Während er das sagte, wurde es zum wichtigsten Ding auf der Welt, die Jeans nicht auszuziehen.

Sie richtete sich auf. Der Mann ließ sie den Kopf heben. Er ließ seine Hand in ihren Haaren.»Sex. «fragte sie.»Vielleicht doch Sex? Aber das ist doch das Einfachste von der Welt. Das machen wir ganz einfach. Da müssen Sie doch nur fragen. «Der Mann ließ ihren Kopf los. Er stieß ihren Kopf weg. Sie kroch auf. Der Mann hatte sich abgewandt. Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Was solle sie machen. Was würde ihm denn Spaß machen. Überhaupt.

Der Mann ging um den Tisch auf die andere Seite. Sie blieb stehen. Dann setzte sie sich wieder. Sie saß wieder in dem Sessel, in dem er am Anfang gesessen war. Sie hatte ihn vertrieben. Sie saß auf seinem Sessel. Das war gut. Aber es war noch nichts gelungen.

Der Mann schaute sie an und nickte. Er war dabei, wieder langsam zu atmen. Er hatte gekeucht. Beim Weggehen hatte er gekeucht. Das wäre ein gutes Zeichen, sagte er. Er setzte sich wieder hin. Saß ihr gegenüber. Das wäre ein gutes Zeichen, wenn sie Sex anbieten könne. Es hieße, dass sie Prioritäten setzen könne. Dass sie reagieren könne. Das wäre gut. Und jetzt solle sie doch einfach sagen, ob sie sich erinnern könne oder nicht.

«Das ist eine andere Frage. «sagte sie.»Das ist doch eine ganz andere Frage. Was wollen Sie also wissen. Woran ich mich erinnern kann oder ob ich mich erinnern kann. «Der Mann schaute auf seine Hände vor sich. Flucht in Formalitäten sei das. Das sei schon gut. Aber er wolle Antworten. Und zwar auf beide Fragen. Er wolle wissen, ob sie sich erinnern könne und woran.»Das ist doch ein Widerspruch. «sagte sie. Erstaunt. Es war ein Widerspruch. Die erste Frage war doch, ob sie sich erinnerte, und von der wusste nur sie etwas. Wie kam dieser Mann darauf. Hatte sie doch etwas gesagt. Hatte sie während ihr so elend gewesen war. Hatte sie da etwas gesagt. Das gesamte Elend fiel mit dieser Vorstellung wieder über sie her. Als Erinnerung. Ihr war elend und schwindelig, und zur gleichen Zeit erinnerte sie sich an die Todesangst. Sie hatte Todesangst, und die Erinnerung davon. Sie blieb aufrecht sitzen. Schwankte. Der Mann schlug mit der Faust vor ihr auf den Tisch. Es dröhnte. Sie starrte auf diese Faust. Nickte dazu. Das war schon richtig. Man musste auf diesen Tisch einschlagen. Das Glänzen widerlich. Die Kälte der Oberfläche. Der Mann schlug wieder auf den Tisch. Er schlug mehrmals. Woran sie sich erinnern könne. Er schlug mit der Faust den Rhythmus dieses Satzes. Er schrie diesen Satz. Es war sehr laut. Auf einmal war alles sehr laut. Sie musste. Dringend. Der Mann schrie den Satz noch einmal. Sie musste so dringend. Sie stand auf und beugte sich dem Mann über den Tisch zu und schrie den Satz mit. Der Mann schlug ihr ins Gesicht und schrie, sie solle es endlich sagen. Sie richtete sich auf und schrie ihm zurück, er solle es sagen. Der Mann schrie. Sein Gesicht verzerrt. Sie solle es endlich zugeben. Sie schrie zurück, er solle es endlich zugeben. Der Mann riss sie über den Tisch und hielt sie wieder vorne fest. Sie habe etwas zu verbergen. Sie wiederholte den Satz.»Du verbirgst doch etwas. Du verschweigst doch etwas. «Sie bekam wieder einen Schlag ins Gesicht. Sie taumelte vom Tisch weg. Sie war nicht sicher auf den Beinen. Im Kopf dröhnte dieser Lärm. Sie konnte die Glühbirne dröhnen hören. Wieder ein Schlag. Sie stürzte nach vorne in die Ecke. Fing sich ab. Lehnte sich gegen die Wand in der Ecke. Drehte sich um. In die Ecke gedrängt. Der Mann stand vor ihr. Ob sie wahnsinnig sei. Sie schrie den Satz. Sie schrie, so laut sie konnte.»Sind Sie denn wahnsinnig. Das sollte ein normales Gespräch sein. «Sie ließ sich zusammensinken. Stand schlaff gekrümmt in der Ecke.»Jetzt ist wieder alles meine Schuld. Eigentlich. «sagte sie. Sie sagte es traurig. Schüttelte den Kopf.

Der Mann schwitzte. Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche. Er hatte nur Hemd und Hose an. Sie hatte seinen Körper spüren können. Spüren müssen. Sie wünschte sich eine dicke Jacke rund um sich. Und eine Mütze. Sie wünschte sich, dick angezogen zu sein und auf einer Wiese und weit und breit niemand. Aber dann hatte sie Angst, dass aus dem Wald rund um die Wiese jemand heraustreten könnte und auf sie zu, und dann wünschte sie sich in ein Zimmer. In ein Zimmer mit einer Tür, die abgesperrt werden konnte. Aber dann wieder hätte man sie einsperren können, und sie wusste nicht mehr, wohin sie sich wünschen konnte. Sie spürte, dass sie nass vor Schweiß war. Der Schweiß rann innen unter der Unterwäsche den Rücken und auf der Seite hinunter. Unter dem Hosenbund. Kalt. Nass. Überhaupt kalt. Eiskalt. Frierend. Schwitzend und frierend. Sie stand in der Ecke und konnte sich nicht bewegen.

Der Mann sagte, sie solle sich wieder setzen. Man müsse das vernünftiger machen. Sie konnte nicht weg. Sie konnte sich nicht bewegen. Sie schaute vor sich auf den Boden. Die Angst war nicht mehr da. Ruhig. Leer. Innen. Aber keine Bewegung möglich. Sie musste lächeln. Dann musste sie eben hierbleiben. Hier in dieser Ecke. Für immer in dieser Ecke. Und war sie nicht schon immer in so einer Ecke gewesen. War ihr Leben nicht immer schon auf so eine Ecke hinausgelaufen. Es war sinnvoll. Eigentlich war das sinnvoll, dass es so endete. Eine Weinerlichkeit stieg auf. Selbstmitleid. Sie ließ sich vom Selbstmitleid umgeben. Hüllte sich mit dem Selbstmitleid ein. Warm und freundlich. Sie war arm. Sie war verfolgt. Niemand wollte sie. Niemand liebte sie. Niemand brauchte sie. Warum sagte sie diesem Mann nicht, was er wissen wollte, und legte sich in ihr Bett. Legte sich in ihr Bett oben. In der Mansarde. In Ginos ehemaligem Zimmer. Sie hatte ja jetzt Ginos Zimmer bekommen. Warum ging sie nicht dahin schlafen. Der Mann da. Der sollte sie gernhaben. Der konnte ihr nichts verbieten.