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Sie trank die Cola aus. Sie legte die Flasche neben den Teller. Sie faltete die winzige Papierserviette der Länge nach und legte sie rechts vom Teller. Das war zur Erinnerung. Das Mammerl hatte von jeher darauf bestanden, dass die unbenutzte Serviette rechts vom Teller lag und am Ende des Essens links locker gefaltet hingelegt wurde. Bei den Schottolas war es umgekehrt gewesen.»Kleinbürger. «hatte das Mammerl dazu geseufzt. Das hätte sie Hazel sagen sollen. Dass das low class luxuries waren. Da, wo sie herkam. Lowest middle class war das wahrscheinlich. Der Insasse zog das Tablett weg und stellte es auf den Servierwagen, den er herumschob.

Sie stand auf. Sie nahm ihre Umhängetasche von der Sessellehne. Rundherum. Die anderen brachen auch alle auf. Sesselgeschiebe. Zurufe. Schritte. Tellerklappern. Die automatische Tür. Sicherheitskarte. Gleich in der Halle war der Geruch besser. Sie ging ins Freie. Sommerluft. Dunstig. Die Sonne hinter Wolken. Es konnte auch regnen. Sie ging zum Hauptgebäude. Von da musste sie zum Gebäude G. Infirmary. Der medical check. Sie hatte eine SMS bekommen. Man hatte einen Termin für sie einschieben können. Pünktlichkeit war angeordnet worden. Sie schaute auf ihr handy. Es war noch Zeit. Sie ging nach rechts. Die Gebäude ab D waren rechts vom Hauptgebäude. Sie waren in einem Bogen an der Straße angeordnet. Parknatur dazwischen. Die eigentlichen Gefängnisbauten hinter dem Essenspavillon. Die Mauer den Straßenbogen rechts entlang. Laufgänge über dem Gelände. Über das ganze Gelände führten Laufgänge auf Stelzen. Zwischen den Bäumen durch. Beobachtungstürme an der Mauer zum Gefängnistrakt. Hinter der Mauer. Keine Bäume oder Wiesen. Alles betoniert. CCTV überall. Überall Kameras. Jeder Zentimeter im Freien wurde aufgenommen. Hier. Auf der Campusseite. Es waren CCTV-Kameras auch in den Bäumen befestigt.

Sie atmete tief. Ging dahin. Sie wollte das nicht. Eigentlich wollte sie das nicht. Untersucht werden. Es hatte etwas Viehisches. Was wurde da festgestellt. Ihre Tauglichkeit. Wofür. Sie war hier für eine Kurseinheit. Warum wollten die einen medical check. Das musste ein Versehen sein. Bürokratie. Wer konnte Interesse an ihrem Gesundheitszustand haben. Und da gab es nichts. Das mit der Fehlgeburt. Das ging nur sie etwas an. Das war auch nicht mehr festzustellen. Das war alles lang vorbei. Oder war es diese dumme Geschichte. Behauptete Marina immer noch, sie wäre magersüchtig. Aber das war damals gewesen. Deswegen war sie dann nach Wien zurückgeschickt worden und zu den Schottolas gekommen. Dann. Ihre Aufpäppeleltern. Sie musste e-mailen. Sie musste der Tante Trude e-mailen, und sie sollte ihr eine Freude machen und ihr eine Postkarte schicken. Aber der Unterricht dauerte von 9.00 bis 18.00 Uhr. Danach noch eine Runde laufen oder ins gym. Es ging sich gerade aus, die Haare regelmäßig zu waschen. Sie hielt ihre Sicherheitskarte an den Türöffner und lächelte dabei in die Kamera. Die Tür klickte auf. Sie schob die Tür auf. Die Rezeptionistin erwiderte ihr Lächeln in die Kamera. Sie habe einen Termin bei Dr. Scarsdale. Ground floor. Room 14. Sie solle warten, bis sie aufgerufen werde.

Ein breiter Gang von der Rezeption nach hinten. Rechts und links schmale Gänge. Zimmer 14 war im dritten Seitengang nach rechts. Bänke standen im breiten Gang an der Wand. Alles weiß. Die Wände. Die Türen. Die Bänke. Sie fand die Tür mit der Nummer 14 und ging auf den breiten Gang zurück. Sie setzte sich. Es war angenehm. Sie war müde. Sie war wach. Das war die Cola. Unter der Wachheit war sie müde. Es war auch nicht mehr so wichtig, was da auf sie zukam. Was konnte schon passieren. Wahrscheinlich ging es um Drogen. Das war denen das Wichtigste. Clean. Sie streckte die Beine aus. Clean. Das war sie. Eine Urinprobe. Das konnte sie denen lassen. Sie trank ja nicht einmal mehr. Die Lust daran vorbei. Alkohol. Es gab keine Lust mehr dafür. Das gehörte zur Müdigkeit. Sie lehnte sich zurück. Legte den Kopf gegen die Wand. Die Person, die sie werden wollte. Die Person, die so in die Welle schnitt, dass sie unter dem Wellenkamm entlangsurfte. Die Person hatte auch keine Lust dazu. Diese Person war eine Hazel. Oder besser. Diese Person versuchte, eine Hazel zu werden.

Der Mann stand vor ihr. Ob sie Amy Schreiber sei. Er sprach es Skriber aus. Sie musste etwas mit ihrem Namen machen. Sie stand auf. Der Mann. Jung. Schlank. Brünett. Burschikos. Er strich sich durch die Haare. Er habe ein Problem. Er ging ihr in das Zimmer voraus. Eine Liege an der Wand. Schreibtisch. Ein Sessel davor. Einer dahinter. Milchglasscheiben im Fenster. Er habe da ein Problem. Er müsse weg. Eine emergency. Bei» emergency «krallte er seine Hand in die Haare und zog an den Haaren, als gelte er sie hinauf. Er wisse nicht, was er tun solle. Er könne sie nicht allein hierlassen. Health and safety. Sie dürfe nicht allein gelassen werden. Das Sicherheitsprotokoll. Die Sicherheitsfragen. Sie könne in der Rezeption hier die Stunde abwarten. Mit wem habe sie denn Kontakt. Hier.»Hazel. «sagte sie.»Hazel Nikolaev. «Der Mann nickte. Er schaute auf einer Liste. Wählte eine Nummer auf seinem handy. Er ging auf den Gang hinaus und sprach dort. Er kam zurück. Sie solle in der Rezeption warten. Hazel werde sie da abholen. Das sei alles nicht regulär. Er habe aber keine andere Möglichkeit. Er nahm eine Arzttasche und drängte sie aus dem Raum hinaus. Er warf die Tür ins Schloss. Er schob sie den breiten Gang hinunter und rief der Rezeptionistin von weitem zu, dass diese Person da auf Hazel Nikolaev warten solle. Er lief davon. Ein schwarzer Mini stand vor dem Eingang. Der Mann stieg ein, und der Wagen fuhr mit quietschenden Reifen davon. Die Rezeptionistin nickte ihr zu. Sie stellte sich zur Tür. Ob sie sich nicht setzen wolle. Es standen zwei Sessel in der Ecke vor dem Lift. Sie lehnte ab. Sie wollte durch die Tür hinaus. Sie wollte sagen, dass sie lieber an der frischen Luft warten wollte. Sie habe den Auftrag, hier in der Lobby zu warten. Die Frau sagte das bestimmt. Sie sah nicht von ihrem Computerbildschirm auf. Aber natürlich hatte sie die Bilder von der Sicherheitskamera und konnte sehen, dass sie hinausgehen hatte wollen.

Sie blieb an der Tür stehen und schaute hinaus. Sie schaute durch die breite Glasfront auf den Gefängniskomplex hinaus und war selber festgehalten. Sie holte tief Luft. In ihrem Bauch. Knapp über dem Nabel. Sie griff auf ihren Bauch. Tat so, als müsse sie den Gürtel ihrer Jeans zurechtziehen. Sie rieb sich den Bauch. Rieb über das Krabbeln im Bauch. Sie ließ die Arme wieder hängen. Das Krabbeln wurde wieder stärker. Sie musste gehen. Sie ging auf und ab. Sie ging vor der Tür auf und ab. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und ging. Die Umhängetasche schwer gegen die rechte Hüfte. Sie nahm die Tasche ab und stellte sie auf den Boden. Sie ging um die Tasche. Beim Gehen blieb die Unruhe gleich hoch. Beim Gehen konnte sie tiefer atmen. Sie konnte nicht an der Tür stehen und Atemübungen machen. Beim Gehen konnte sie die Atemübungen verstecken. Sie ließ den Kopf hängen. 1-2-3 einatmen. 1-2-3 ausatmen. Sie schaute wieder auf. Der Abstand zur Gefängnismauer war wieder normal. Kein Vor- und Zurückweichen mehr wie vorhin. Sie konnte sich auch die vielen Personen dahinter nicht mehr vorstellen. Das war nur einen Augenblick lang so gewesen. Wie in einem Kinderbuch hatte sie durch die Wände hindurch die Personen in den Gebäuden sehen können. Es waren 1600 Insassen in diesem Komplex untergebracht. Es wurden 20 Prozent der Kosten gegenüber den staatlichen Gefängnissen eingespart. Die Institution war Teil der Praxisausbildung der Trisecura Academy. Eine zusätzliche Nutzung. Zusätzliche Effizienz. In der Ausbildung war jeder Augenblick in diesem Komplex zusätzliche Sicherheitspraxis. Die Nähe der Insassen war eine stete Aufforderung, die Algorithmen zu beachten. Ernst zu nehmen. Durchzuführen. Anzuwenden. Die Rezeptionistin hier. Sie hatte alles perfekt befolgt. Der Arzt. Alles perfekt befolgt. Sie musste nicken. Es war vollkommen richtig, dass sie hier nicht einfach hinausgehen durfte. Das gewährleistete ihre Sicherheit und bewahrte Trisecura vor Forderungen, falls ihr etwas geschah. Hier. Auf dem Campus und im Gefängniskomplex galten ausschließlich die Regeln der Trisecura. Sie war in Trisecura. Trisecura lag in England. Aber Trisecura war ein eigenes Territorium mit eigenem Hausrecht, und alle unterlagen dem. Dafür war man sicherer als dann in England. Man musste das alles nur befolgen. Damit man es später organisieren konnte. Man musste wissen, wie es sich anfühlen musste. Sicherheitsfachpersonen sollten alle Stufen durchlaufen. Immer von unten nach oben. Eine Sicherheitsfachperson musste die Praxis kennen.