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Sie nahm sich zu wichtig. Solche Vorstellungen. Solche Erscheinungen. Die Personen hinter den Mauern. Das waren Straftäter. Die hatten sich entschieden. Die hatten das Spiel gespielt. Sie hatte damit nichts zu tun. Das hier war eine Ausbildung. In Krems war das Gefängnis auch neben der Fachhochschule, und niemand studierte deshalb nicht mehr Pädagogik oder Psychologie, weil gleich nebenan die äußersten Auswirkungen der Pädagogik oder der Psychologie vorzufinden gewesen wären. Warum ließen die es auch dazu kommen. Warum vermieden diese Männer es nicht, hierherzukommen. Es gab immer die Möglichkeit der Entscheidung. Diese Männer hatten sich für hier entschieden, und die hatten das gewusst, und jetzt mussten sie versorgt werden. Sie hasste diese Typen. Sie zwangen sie, ihr Mitleid wegzubrennen. Sie hätte diesen Insassen im Speisesaal nicht anlächeln können. Sie hätte das Gefühl gehabt, ihn wegführen zu müssen. Retten zu müssen. Aber er hatte sicherlich etwas getan, was ihn hierhergebracht hatte, und hier wurden keine leichten Verbrechen abgebüßt. Middle class luxuries. Sie wünschte sich, sie hätte an die Tante Trude geschrieben. Sie schaute auf die Mauer hinaus. Ein breiter Betonweg bis zur Straße. Rasen links und rechts. Rundkronige Bäume. Was machte sie hier. Es war nicht ihre Aufgabe, darüber zu entscheiden, wer Täter war und wer nicht. Sie hatte Allmachtsphantasien. Sie hatte Allmachtsphantasien, damit sie eine heilige Weltretterin bleiben konnte. Sie hatte diese Allmachtsphantasien, damit sie nicht zur Kenntnis nehmen musste, dass es böse Personen gab. Sie glaubte nicht an die Gerichte, die diese Männer hierherschickten. Sie glaubte an eine Unschuld, die sie selbst noch nie erlebt hatte. Sie hatte Allmachtsphantasien, damit sie nicht zugeben musste, wie man an ihr gehandelt hatte. Sie sollte sich hassen dafür. Sie sollte sich zuerst dafür hassen. Sie sollte sich für diese Wehrlosigkeit hassen. Für diese Dummheit. Ignoranz. Und wenn sie das konnte, dann sollte sie anfangen, die zu hassen, die ihr Böses angetan hatten. Ihr war elend. Sie war in einem Loyalitätskonflikt. Middle class luxuries. Middle class misery. Sie hatte Angst, alles zu verlieren. Sie hatte Angst davor, hart zu werden. Sie sollte sich das zugeben. Sie hob ihre Tasche vom Boden auf. Sie ging zur Rezeptionistin. Sie wollte hinaus. Sie musste hinaus. Ins Freie. Sie musste weg. Sie musste nachdenken.

Quietschende Bremsen. Draußen. Sie drehte sich zur Tür herum. Ein silbergrauer Kleintransporter. Sie ging zur Tür zurück. Sie sah nur Silhouetten in dem Wagen. Das Telefon der Rezeptionistin läutete. Sie nahm ab. Redete kurz. Die Glastür glitt auf. Sie ging hinaus. Die Schiebetür des Transporters stand offen. Sie ging hin. Hazel saß hinten und winkte ihr. Deutete ihr, sie solle einsteigen. Sie kletterte in den Wagen. Kam neben Hazel zu sitzen. Ein Mann schob die Tür wieder zu. Der Fahrer fuhr rückwärts aus der Zufahrt zu Gebäude G hinaus. Fuhr am Hauptgebäude vorbei die Straße weiter.

Hazel hatte einen grauen overall an. Alle hatten solche overalls an. Es waren noch 4 Männer im Auto. Athletische Typen. Kurze Haare. Alle schauten nach vorne. In sich gekehrt. Niemand sprach. Sie saß hinten neben Hazel. Sie fand keinen Anfang für Fragen. Sie schaute auch nach vorne.

Sie fuhren in den Gefängniskomplex hinein. Das Haupttor. Eine Straße zwischen Gebäuden. Heller Beton. Hohe, schmale Fenster. Hohe Mauern. Die Wachtürme. Ein Tor. Wieder Straße. Noch ein Tor. Vor den Toren musste angehalten werden. Dann gingen die Tore auf. Es war niemand zu sehen. Die Fensterscheiben neben den Einfahrten getöntes Glas. Nach dem dritten Tor fuhren sie in eine Garage hinunter. Alle sprangen aus dem Wagen. Gingen zu einem Lift. Im Lift sagte Hazeclass="underline" »This is Amy. She is a trainee from Germany. «Die anderen nickten. Sie fuhren nur kurz hinauf. Erdgeschoss. Eine Halle. Sie gingen hinaus. Lagerhallen. Container. Ein Mann hatte einen Hund mit. Sie hatte den Hund nicht bemerkt. Das Tier lief an diesen Mann geschmiegt. Der Mann hatte keinen einzigen Befehl gegeben. Bisher. Stumm gingen sie. Schauten nach vorne. Vor einer Halle blieben sie alle stehen. Hazel deutete ihr zu warten.

Sie blieben draußen. Es war heiß. Kein Schatten. Die Sonne noch hoch. Der Boden betoniert. Die Halle eine Metallkonstruktion. Der Mann stand in der Sonne. Sonnenbrillen. Der Hund an seiner Seite. Bewegungslos. Ruhig. Militärstiefel. Hoch hinaufgeschnürt. Mit solchen Schuhen stand man so ruhig. Sie schaute weg. Wegen der Sonnenbrille wusste sie nicht, ob der Mann sie ansah. Wohin er schaute. Flugzeuge zogen am Himmel vorbei. Man konnte Autos hören. Lastwagen. Rundherum keine hohen Gebäude mehr. Der Himmel weit. Sie bemühte sich, so ruhig zu stehen wie der Mann. Professionell. Das schien professionell zu sein.

Plötzlich war aus der Halle Lärm zu hören. Es begann mit einzelnen Ausrufen. Dann wurde Geschrei daraus. Lautes Geschrei. Und immer noch lauter. Sie schaute ihre Schuhe an. Hellblaue Timberlands. Rauleder. Sie wünschte sich, die braunen Timberlands gekauft zu haben. Das Geschrei hielt an. Sie hatte zu schwitzen begonnen. Das Geschrei kam näher an die Tür. Bewegte sich wieder weg. Sie konnte nicht mehr ruhig stehen. Eine Tür an der Seite ging auf. Ein anderer Mann im grauen overall winkte heraus. Der Mann mit dem Hund ging zur Tür. Sie schaute den Mann in der Tür fragend an. Der reagierte nicht. Sie machte einen Schritt hinter dem Mann mit dem Hund her. Dann wandte sie sich wieder weg und stand still. Sie hörte die Tür zufallen. Das Geschrei war erstorben. Dann setzte es wieder ein. Hörte mit einem Schlag auf. Der Hund bellte. Ein einzelner Schrei. Ein langgezogener Schrei. Das Geschrei bisher war wütend gewesen. Eindringend. Der einzelne Schrei. Der Hund bellte wild. Sie konnte sonst nichts hören. Der Hund knurrte und bellte. Wütend. Laut. Gefährlich. Ein Kommando. Der Hund war still. Ein Winseln. Nach langem ging die Tür vorne auf. Hazel kam heraus. Sie richtete sich die Haare. Strich sich die Haare zurecht. Sie war rot im Gesicht. Der overall verrutscht. Sie richtete den Gürtel im Gehen. Sie lächelte. Amy solle jetzt mitkommen. Das wäre nur eine Unterstützungsaktion gewesen. Wenn jemand gestresst werden musste, da müssten alle mithelfen. Aber der Hund. Der mache immer den Trick. Hazel ging voraus. Sie gingen um die Halle herum. Container waren gestapelt. Beige Container. Kleine Stiegen führten zu den oberen Containern hinauf. Die Stiegen waren rot gestrichen. Die Türklinken waren rot. Sie kamen zu einer Baracke. Eine langgezogene Betonbaracke. Nur ein Stockwerk. Hazel führte sie in dieses Gebäude. Hier war alles grün. Grüne Stahltüren. Die Wände grasgrün. Ein schmaler Gang diese Türen entlang. Kameras an den Türen. In den Ecken.

Hazel machte eine Tür auf. Ein Mann kam heraus. Das sei die Person, fragte er Hazel.»Ja. «sagte Hazel. Das sei Amy. Amy wandte sich ihr zu. Sie bekäme jetzt einen Knopf fürs Ohr. Wie im Film, fragte sie. Ja, sagte der Mann. Wie im Film. Er reichte ihr das Mikrophon. Sie steckte es ins linke Ohr. Der Mann grinste. Niemand wolle im rechten Ohr etwas hören. Sie verstand ihn nicht gut. Er sprach einen Dialekt. Ihr Englisch war dafür nicht gut genug. Sie sagte das auch.»My english …«Hazel unterbrach sie. Nein. Nein. Ihr Englisch wäre fabulous. Auf jeden Fall würde es reichen. Hazel steckte ihr den Akku zum Mikrophon in die Brusttasche ihrer Bluse. Schön, dass Amy eine weiße Bluse trüge. Hazel nahm ihr ihre Tasche ab. Dann schob sie sie durch eine Tür hinten in einen Raum. Die Tür ging zu.