Sie stand in einem kleinen Raum. Im Ohr knackte es. Ob sie sie verstünde, fragte Hazel. Sie drehte sich nach der Stimme um. Kameras in allen Zimmerecken. Es war kühl im Zimmer. Kalt. Hell. Sehr hell. Die ganze Decke nur Licht. Die Wände. Der Boden. Weißer Bodenbelag. Der Mann war auf einer Liege in der Mitte des Raums festgeschnallt. Er lag auf dem Rücken. Ein Ledergurt über der Brust. Einer über den Hüften. Die Hände. Sie ging hin. Seine Hände waren in Handschuhen. Fäustlingen. Über der Brust gekreuzt. Die Liege zu schmal. Kein Platz, die Hände neben den Körper zu legen. Seine Füße waren in Socken. Weißwattig. Der Mann hatte eine Unterhose an. Es war eine dicke Windel. Es stank. Der Mann lag da. Er hatte die Augen zu. Sie stand über ihm. Im Ohr sagte Hazel, sie solle den Mann ansprechen. Sie sagte» Hello. «und» You.«. Eine Männerstimme sagte, sie könne ruhig in der Sprache sprechen, in der sie zu sprechen gewohnt sei. Also sagte sie:»Sie. Hallo. Sie. Ich soll Sie ansprechen. «Der Mann auf der Liege reagierte nicht. Sie richtete sich auf und schaute sich um. Sie sagte zu der Kamera in der Ecke neben der Tür, der Mann reagiere nicht. Sie müsse lauter sein. Sie müsse den Mann dazu bringen, ihr zuzuhören. Sie schaute auf den Mann hinunter. Es bewegten sich nicht einmal seine Augenlider. Die Haut rund um die Augen dunkelbraun im hellen Braunbeige seiner Haut. Keine Haare. Der Mann hatte keine Haare. Der Kopf glatt. Im Gesicht stoppelige Barthaare.»Geben Sie ein Zeichen. Show us that you hear me. «sagte sie. Der Mann reagierte nicht.»Hey. «rief Hazel in ihrem Ohr.»Action.«»It stinks. «sagte sie. Hazel fragte» So?«. Sie schaute den Mann an. Seine Rippen zeichneten sich scharf unter der Haut ab. Die Haut braun. Hellbraun. Ledrig.»Tell him a story and make him think he is in heaven. «sagte der Techniker ihr ins Ohr.»In whatever language you choose.«
Sie ging zur Tür. Die Tür hatte keine Klinke. Die Tür war eine weiße Platte. Weißgestrichenes Metall. Alles war weiß. Das Licht. Die Kameras in den Ecken. Es zog sie hinauf. Das Licht und die Linsen der Kameras zogen ihr Gehirn in die Höhe. An die Decke. Sie stand vor der Tür und machte die Augen zu. Die Helligkeit blieb.
«Amy. «hörte sie Hazel.»I am not very good at this. «sagte sie. Sie sprach mit der Kamera in der Ecke über der Tür.»Obviously.«»And obviously that is not the point here. «sagte Hazel zurück. Fröhlich. Es kam ihr fröhlich vor, und sie wandte sich von der Kamera ab. Sie ging an den Liegenden heran.»Jetzt bin ich in Ihre Scheiße hineingezogen. «sagte sie. Sie ging wieder weg. Sie ging zurück. «Verstehen Sie. «Sie sagte das. Dann rief sie es.»Verstehen Sie das. «Dann beugte sie sich über den Mann und schrie ihm das ins Gesicht.
Sie richtete sich auf und wandte sich an die Kamera in der rechten Ecke von der Tür. Sie wartete auf eine Reaktion. Sie schob das Mikrophon im Ohr zurecht. Ein dumpfes Gefühl. Das stille Mikrophon in der Stille. Plötzlich kam ihr der Mann bekannt vor. Sie schaute ihn aufmerksam an. Aber im Liegen. Leute sahen im Liegen so anders aus. Sie ging wieder zur Tür. Sie ging an die Wand gegenüber der Tür. Ihr Gehen. Sie konnte davon nichts hören. Sie schaute auf ihre Füße hinunter. Der weiche Bodenbelag. Die Wand hinauf. Sie dachte kurz, wie sie auf diesem Bodenbelag an der Wand weitergehen sollte und dann, auf der Decke stehend, das Licht unter sich haben würde. Man konnte diesen Raum sicher drehen. Wahrscheinlich war das einer von diesen Räumen, in denen auch Erdbeben simuliert werden konnten. Sie konnte sich vorstellen, wie der Raum gekippt wurde. Gerüttelt. Herumgeworfen. Wie sie dabei auf diesen Mann fallen würde. Der war ja festgeschnallt. Dem würde nichts passieren. Der würde dann von der Decke hängen. Aber wie sollte sie die Drehung überstehen. Sie musste wenigstens wissen, in welche Richtung gedreht werden würde. Damit sie in diese Richtung gehend ihr Gewicht verlagern konnte. Sie lehnte sich gegen die Wand neben der Tür. Falls das mit der Drehung passieren sollte. Oder der Raum geschüttelt würde. Es konnte ja sein, dass die Tür aufging. Durch die Veränderungen. Und dann war sie gleich bei der Tür. Was wäre das für eine Tragödie, wenn sie da gerade an der anderen Wand herumkroch und nicht an die offene Tür kommen konnte.
Sie stieß sich von der Wand ab. Es täte ihr leid, sagte sie auf das Gesicht des Manns hinunter. Sie hätte keine Ahnung, was hier abliefe. Sie wäre so hilflos wie er. Ja. Sie gäbe zu, sie wäre nicht festgeschnallt. Aber in gewisser Weise doch. Es täte ihr alles schrecklich leid. Sie habe sich das alles anders vorgestellt. Sie habe immer gehört, dass es nicht anders ginge. Dass es nur so ginge. Sie wäre bereit, seine Unschuld zu glauben. Aber es hätte diese Attentate gegeben. Es gäbe sie. Das müsste er zugeben. Diese Attentate. Die wären eine Tatsache. Und dass er nun verdächtigt würde. Das wäre eine Folge dieser Tatsachen. Tatsachen, die viel Leid gebracht hätten. Und wenn Leid wiederum keine Folgen hätte, dann gäbe es nur noch die Tatsachen. Und wie solle das gehen. Die einen machten Attentate, und die anderen ließen sie machen. Wenn es um dieses extreme Leid ginge. Wenn Arme und Beine oder das Leben verlorengingen. Dann könne man das nicht so einfach geschehen lassen. Das müsste er doch verstehen.
Sie hatte vor sich hin geredet. Ohne Pause. Ohne Unterbrechung. Sie hatte vor sich hin gestrudelt. Nur ihre Stimme war immer höher geworden. Der Mann zeigte keine Reaktion.
Wenn sie nur glauben könnte, dass er es nicht machen würde. Dass er nicht seinen Gegner festschnallen würde und jedes sinnlichen Reizes berauben. Wenn sie das nur glauben könnte, sie würde ihn befreien. Sie würde hier toben und schreien und alles tun, dass sie herausgeholt werden würde. Sie wäre die Großnichte einer Aktionärin. Sie könne nicht so einfach verschwinden. Sie sprach ruhig. Langsam. Deutlich. Sie sagte das wieder auf Englisch. Damit es alle mitverstehen konnten. Sie stockte. Ging wieder an die Tür.
«Go on. «Hazels Stimme. Sachlich.»He is coming around and you don’t have to do anything. Your voice alone is hurt enough.«
Sie stellte sich wieder an die Liege. Ihr Kopf war leer. Sie wusste nichts zu sagen. Ihr Mund war trocken. Die Kehle rau. Die Wiener Sängerknaben fielen ihr ein. So, wie sie zur Kamera hinaufschaute. Wie sie den Kopf gehoben hatte. So sangen die. Sie legte die Hände auf dem Rücken ineinander und schaute in die Kamera. Ja. So standen die und sangen. Ihr fiel aber kein Lied ein.
«Es waren einmal zwei Kinder. Ihr Name war Hänsel und Gretel. Die lebten mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter im Wald. Eines Nachts sagte die Stiefmutter zum Vater. Du. Mann. Wir müssen die Kinder in den Wald führen und dort aussetzen. Wir haben kein Essen mehr. Der Vater wollte das nicht zulassen, aber die Stiefmutter überzeugte ihn. Am nächsten Morgen gaben die Eltern den Kindern das letzte Stück Brot.«
Die Augenlider des Manns flatterten auf. Er behielt sie geschlossen. Aber auch sein Mund bewegte sich. Er krächzte. Fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Die zu befeuchten.
Sie begann zu schreien. Sie begann zu schreien. Sie lief zur Tür und schlug gegen die Tür.
«Think that this is the man who abandoned your mother. Think this is the man who treated your grandmother so badly. Think he is all the men who abandon pregnant women and hurt their children so much. «Hazel flüsterte in ihrem Ohr.
Sie hatte Angst vor diesem Mann. Wenn er sie ansah. Sie wollte nicht von ihm gesehen werden. Das war alles Wahnsinn. Sie schrie nach Hazel. Nach dem Techniker. Im Ohr war kein Laut. Plötzlich war da kein Ton mehr. Die hatten sie abgeschaltet. Vergessen. Eine Welle Hass. Sie hasste diesen Mann. Sie stellte sich wieder an seine Seite. Sie trat gegen die Beine der Liege. Der war schuld an allem. Sie riss an den Gurten. Sie trat gegen die Liege. Sie schlug gegen die Wände. Sie hätte diesem Mann weh tun wollen. Sie konnte fühlen, wie sie auf ihn einstach. Sie fühlte, wie die Stiche durch seine Haut. In den Körper. Wie sie immer wieder. Der nächste Stich vom Solarplexus her befohlen. Ein Drang zuzustechen. Zuzuschlagen. Reißen. Immer noch etwas hinzufügen. Geräte dafür. Messer. Nadeln. Am liebsten Nadeln. Nein. Doch Messer. Stanley-Messer. Jeder Stich den nächsten auslösend. Schnitte. Sie fand sich das sagen. Sie zischte diesem Mann zu, wie sie ihn zerfleischen wollte. Zerschneiden. Wie sie ihm die Augen. Den Mund. Wie sie ihm das Gesicht. Zerstören. In die Ohren. Das besonders. In die Ohren. Die hier nichts hörten. In dieser Stille. Was für ein Vergnügen, genau in so einer Stille das Gehör zu zerstören. Sie fand sich wieder ruhig. Sie stand an die Tür gelehnt und sprach vor sich hin. Sinnierend. Wie richtig es wäre, in der Stille so eine ewige Stille, und wenn sie schon so allein gelassen waren. Sollten sie dann nicht etwas Sinnvolles daraus machen.