Die Hauptspeisen wurden gebracht. Die Vorspeisenteller waren mit den Gläsern weggetragen worden. Die 3 Kellner gaben ihr Synchronballett mit den Dampfdeckeln. Hielten sie am Griff. Hoben sie zur gleichen Zeit ab. Marina redete währenddessen. Als sie sagte, dass Amalia eine Schande sei, sagte der maitre d’:»Charcoal grilled chateaubriand with pommes soufflées. And for you, Madam, a garden salad with shrimp. Bon appetit. «Sie aßen dann schweigend. Gregory schenkte den Wein selber nach. Diesmal kam niemand gelaufen, ihm die Flasche aus der Hand zu reißen. Gregory murmelte etwas von» lepers«. Sie waren vollkommen isoliert. Da. In der Ecke.
Sie aß vor sich hin. Sie war hungrig. Sie würde heute nicht so schnell wieder etwas zu essen bekommen. Sie schaute auf ihren Teller. Sie fühlte, wie Marina sie verachtete. Ihr war ein bisschen kühl. Sie war nicht so perfekt für die Klimaanlage angezogen wie Marina. Sie wollte fragen, ob Marina im Haus bei sich eine Klimaanlage eingebaut habe. Ihr war das Haus plötzlich gegenwärtig. Aber winterlich. So wie es im Winter gewesen war. Sie legte das Besteck hin. Sie mochte nicht mehr essen. Sie durfte sich nicht ablenken lassen. Sie musste sich den Text der e-mails vorsagen. Sie musste den Abstand zwischen dieser Wirklichkeit und jener der e-mails im Auge behalten. Sie trank Wein. Der Wein schmeckte ausgezeichnet. Sie nahm noch einen Schluck. Kühl füllte der Wein den Mund aus. Einen Augenblick nur der gefüllte Mund. Der Mund vollgestopft mit Geschmack. Dann schaute sie wieder auf und sah Gregory, wie er auf sie sah. Wehmütig. Gregory schaute wehmütig auf sie. Ihr Blick schreckte ihn auf. Er trank sein Glas aus. Stellte es hin. Griff nach der Flasche. Goss sich das Glas voll. Schüttelte den Kopf. Bedauernd.
«You don’t get it. Really. Darling. You think you look cute and everything is fine and dandy. I tell you. That is not so. What you and your kind don’t get. The dragons were never defeated. You know. And do you know why this is the case. Do you know?«Marina legte ihre Hand auf Gregorys Arm. Er solle nicht schreien. Gregory schüttelte Marinas Hand ab. Gregory fuchtelte nach dem Kellner. Der alte Kellner kam wieder heran. Ob sie noch eine Flasche Wein wollten. Oder die Karte. Fürs Dessert. Gregory verneinte. Nein. Er brauche einen Zahnstocher. A toothpick.
Der Mann ging davon. Gregory trank den Wein aus. Marina saß in sich zusammengesunken. Sie war blass. Nervös. Der Kellner brachte Zahnstocher. Sie lagen einzeln in Cellophan verpackt auf einem Silbertellerchen. Gregory schälte einen Zahnstocher aus der Verpackung und begann seine Zahnzwischenräume zu bearbeiten. Systematisch. Die Welt würde nicht besser werden. Die Welt könne nicht besser werden, sagte er, während er in seinem Mund stocherte. Und die Helden. Die Guten. Die könnten auch nichts daran ändern. Denn. Und er beugte sich weit in die Mitte des Tischs. Marina sagte, sie wolle nichts von Gregorys Weisheiten wissen. Sie gehe eine Zigarette rauchen. Sie nahm ihre Tasche und stand auf. Gregory schaute ihr nach. Sie sei schon eine tolle Person, sagte er. Er sprach wieder Deutsch. Er schaute sie an.»Amy. Amy. «sagte er. Er habe alles unternommen, es ihr begreiflich zu machen.
«Once upon a time when the dragons ruled the world, sacrifices were sacrifices. «Gregory schaute über sie hinweg. Er sprach verträumt. Nachdenklich.
«Und die Drachen setzten die Priester ein, ihnen die Opfer zu bereiten. But the dragons were a theatrical bunch and they liked to have a real big ceremony. Die Aufgabe der Priester war es deswegen, die Bedeutung der Drachen durch die Zeremonien zu erhöhen. So. If you weren’t born a dragon, the next best thing was to become a priest. Why was that. Die Drachen waren mit den Opfern nie so ganz zufrieden. Nie wurde der Durst nach Jungfrauen so vollkommen gelöscht. Und warum. Weil die Priester in der Nacht vor dem Opfer die Jungfrauen verführten. Die Priester entjungferten die Jungfrauen und wurden immer mehr wie die Drachen. Sie bekamen ja das Jungfernblut. Die Drachen bekamen nie ihre Jungfrauen und wurden immer schwächer und schwächer und brauchten immer mehr und mehr davon. Sie wussten ja nicht, dass sie noch nie das Blut einer Jungfrau bekommen hatten, weil sie die Priester immer schon in den Tempeln verführt hatten. Die Menschen, die wussten von dem allen nichts. Erst als die Drachen dann alle Jungfrauen für sich haben wollten, um ihre Kräfte zu erhalten, da wurden die Menschen wütend und begannen den Kampf gegen die Drachen. Die Priester waren klug und führten den Kampf gegen die Drachen an. Heute sind die Drachen an den Rand der Welt gedrängt. Aber die Priester führen den Kampf gegen sie weiter. Times changed and nowadays a virgin can join this battle on the side of the priest so she won’t be sacrificed. You see. You may join. It is your decision. But if you don’t, they still might throw you over the wall and leave you to the dragons.«
Die Priester. Die Priester hätten zu allen Zeiten die Welt betrogen und die Jungfrauen in der Nacht vergewaltigt, bevor sie den Drachen geopfert werden sollten. Zu allen Zeiten. Also auch heute. Das sei alles nicht zu Ende. Deshalb würde es ja nie zu Ende sein können. Mit der Gewalt. Er aber werde sie retten. Sie solle keine dieser Jungfrauen sein, sondern selbst eine Priesterin. Geschützt vor aller Gewalt und allem Missbrauch, weil sie selbst eine Priesterin geworden sei. In eine Priesterin verwandelt. Er habe sich nichts mehr gewünscht, als dass Amy seine Heldin werden sollte. Eine Priesterin. Selber eine Priesterin. Aber dazu musste man Macht wollen. Man musste die Macht lieben. Und Amy. Sie müsse das wollen. Sie müsse das richtig und wahrhaftig wollen. Sonst sei sie dann ja doch nur eine Provinzprinzessin, die sich nichts zutraue. Das mit der Macht. Da müsse man sicher sein. In sich sicher. Das wäre lernbar. Das könnte erlernt werden. Amy habe ja Anstalten gemacht. Willen dazu gezeigt. Die Geschichte in Kötzting da. Mit ihrem Spielbuben. Wie hieß der. Da hätte sie doch grandios reagiert. Danach wäre allerdings nichts mehr gekommen. Warum denn. Aber. Gregory beugte sich über den Tisch. Er griff nach ihrer Hand. Legte seine Hand über ihre. Sie würden das schon meistern. Managen. Sie beide. Gemeinsam. Er drückte ihre Hand und ließ los. Setzte sich auf die Bank zurück. Stocherte in seinen Zähnen. Er könne sich doch nicht so getäuscht haben.
Sie starrte auf ihren Teller. Sie schaute zu, wie der Teller weggezogen wurde. Der Platzteller. Wie ihre Brotbrösel mit einem silbernen Tischbesen weggekehrt wurden.
Gregory legte seinen Zahnstocher auf das Silbertellerchen zurück. Gregory richtete sich auf und deutete dem maitre d’ vorne, dass er die Rechnung haben wolle. Sie beugte sich vor und nahm den Zahnstocher. Vorsichtig. Nur an den Enden. Sie nestelte ein Papiertaschentuch aus ihrer Tasche. Legte den Zahnstocher darauf. Wickelte ihn in das Papiertaschentuch. Dann nahm sie ihre Stoffserviette. Sie wickelte den Zahnstocher im Papiertaschentuch in die Stoffserviette. Steckte das Bündel in ihre Tasche. Gregory starrte sie an. Sie schaute zurück. Prüfend. Sie konnte fühlen, wie sie ihn prüfend ansah. Gregory wollte gerade nach ihrer Tasche greifen. Er war aufgesprungen und griff über den Tisch nach ihrer Tasche. Sie hielt die Tasche an sich gedrückt. Marina kam zurück. Der maitre d’ mit ihr. Sie redeten miteinander. Marina setzte sich.
Eine Stoffserviette käme noch auf die Rechnung, sagte sie zum maitre d’ gewandt. Der schaute erstaunt. Dann schüttelte er den Kopf und legte das Lederetui mit der Rechnung auf den Tisch. Gregory steckte eine Kreditkarte hinein. Der Mann nahm das Etui und ging. Marina saß am Rand der Bank. Sie sah müde aus. Tiefe Ringe unter den Augen. Ihr Alter offenkundig. Es sei noch heißer draußen. Sie hätte in die Bar gehen können, aber sie genieße es, wie ein Dieb draußen zu stehen und zu rauchen. Sie hätte die nettesten Kontakte gemacht. So. In ihrem Alter ein outcast zu sein. Und. Sie wandte sich an Gregory. Er könne als Double von Strauss-Kahn auftreten.