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Aus Murnau hinaus war es einfach. Das Klinikum gleich an der Ausfahrtstraße. Sie wunderte sich dann doch. Sie hatte gedacht, es ginge eher nach Westen. Die Autobahn war aber in Richtung Osten angezeigt. Nach rechts. 5 km. Sie fuhr durch die sanften Hügel zwischen den Vorgebirgen. Wiesen. Wälder. Felder. Häuschen. Wiesen. Felder. Viele Häuschen. Ortschaften. Alles grün. So knapp vor dem Herbst alles dunkelgrün. Hinter Gartenzäunen Geranien. Rosen. Späte Hortensien. Die ersten Dahlien. Die Farben im Vorbeifahren aufblitzend. Dann wieder grün. Die Straße in langen Kurven.

Die Autobahn. Der Verkehr dicht. Es ging auf Mittag zu. Sie musste sich rechts einordnen. Dieser alte Range Rover verbrauchte so viel Benzin. Wenn sie mit den anderen mithalten wollte und auch so schnell fahren. Sie ließ sich überholen. Nur von Lastwagen nicht. Sie konnte sich nicht umsehen. Die Landschaft betrachten. Sie musste das Fahren ernst nehmen. Es ging nicht, sich auf die rechte Spur zu setzen und dahinzufahren. Der Lastverkehr. Die Lastwagen scherten aus. Überholten. Die Autos. Sehr schnell. Es wurde gehupt. Geblinkt. Die niederösterreichische Nummer. Sie war eine Ösi hier. Hier nahmen sie den Ausdruck ihrer Überlegenheit ernst und hupten und zeigten ihr alles Mögliche an. Sie wollte Ruhe haben. In Ruhe fahren. Aber es wurde immer schwieriger. Vor München dann immer wieder Staus. Alarmgeblinke. Stillstand. Wieder Gehupe und Geblinke. Stop and go. Schritttempo. Warum war sie nicht über Salzburg gefahren. Warum hatte sie nicht die Verkehrsnachrichten abgefragt. Sie ließ sich voranschieben. Sendling. Sie folgte dem Flughafenzeichen. Tunnel. Abbiegespuren, von denen sie nur mit Mühe in die Fahrspur zurückgelassen wurde. Die Münchner da nicht freundlicher als die Wiener. Spurenwechsel war eine schwere Sünde. Wieder Hupen. Gefuchtel. Der Vogel wurde ihr gezeigt. Der Finger. Alle waren hungrig. Wahrscheinlich. Sie begann, ihre Buttersemmel zu essen. Hörte Radio. Bayern 3. Oldies. Langweilig geglättet. Mittlere Gefühlslagen fürs defensive Autofahren. Sie mampfte ihre Semmel. Rutschte über den Mittleren Ring. München. Die Wohnhäuser grau mit grünen Fenstern. Geordnet. Alles sehr geordnet. Nichts zu hoch. In München. Das hatte sie immer gedacht. In München konnte man ein ordentliches Leben leben. Ein ordentliches Leben und immer auf der Schwelle zu einem neuen Leben, das dann nie begonnen wurde. Immer neue Beziehungen in Aussicht. Hier nahm man sich ernst genug, und gute Vorsätze und die neueste Mode. Ein bisschen staubig sah es aus. Nach der Jahrhunderthitze dieses Sommers. Aber die Jahrhunderthitze hatte stabile hohe Luftschichten bedeutet. Kein Plutonium aus Fukushima in den höchsten Höhen verschoben und dann über München herunter. Obwohl sicher alle Münchner ihre Jodtabletten zu Hause hatten und auf die Anweisungen warteten. Im Fernsehen. Genaue Anweisungen und noch einmal davongekommen. Auch darin geordnet. Gediegen geordnet.

Auf der Autobahn dann wieder. Die Autobahn ein Tunnel. Die Autobahn zwischen Mauern in die Stadt eingelassen. Die Autos. Die Lastwagen. Die Reisebusse. Der Himmel autobahnbreit darüber. Aber Schilder. Die riesigen Schilder, die sie sich gewünscht hatte. In diesem Auto saß sie so hoch oben. Fühlte sie sich hoch oben. Sie fuhr unter den Schildern knapper durch und musste lachen. Sie wusste gar nicht, wie hoch dieses Auto war. Es schien ihr manchmal. In den Tunneln. Es schien ihr, als streife sie oben die Decke. Sie sollte die Höhenbegrenzungen besser beachten. Ihr handy läutete. Sie schaute auf das display. Der Onkel. Sie würde ihn zurückrufen. Er würde wissen wollen, wie es ihrem Freund ging. Aber das wusste sie ja selber noch gar nicht. Wie die Reparaturen anschlugen. Wie Ginos Knie reagierte. Gino hatte ihr das vorgemacht, wie der Professor am Bett stand und sein Werk einschätzte. Wenn es gutging, dann war die Operation gelungen. Wenn es nicht so gutging, dann war Ginos Knie kompliziert. Gino fand, dass es nicht anders war als beim Friseur. Da waren ja auch die Haare schuld, wenn es nicht so wurde wie gewünscht. Und ja. Richtig. Sie musste sich eine Friseurin suchen. Ihre Frau Maria. Die war nach Tulln gezogen. Wegen eines Manns, hatte die Salonbesitzerin gesagt. Kopfschüttelnd. Die Frau Maria arbeitete nicht mehr als Friseurin. Anscheinend. Sonst hätte sie ja nach Tulln fahren können. Die Frau Maria war verschwunden. Nach Tulln. Alle Leute verschwanden.

Nach dem Flughafen keine Mauern mehr am Rand der Autobahn. Bäume und Zäune und das flache Land. Ja. Das hatte sie richtig in Erinnerung gehabt. Eine gerade Strecke durch eine flache Landschaft. Am Horizont. Großbetriebe. Atomkraftwerke. An der Autobahn aber Felder. Weithin. Und keine Tankstelle. Keine Raststätte. Sollte sie abfahren. Sie kannte diesen Tankanzeiger nicht gut genug. Was hieß es bei diesem Auto, wenn der Zeiger so lange über dem roten Feld hing. Über der Reserve. Sie fuhr an Landshut vorbei. Sie wollte nicht unterbrechen. Einen Widerwillen dagegen. Einen Widerwillen, von der Autobahn hinunterzufahren. Auf die Landstraße. An diese Stadt heran. Sich umschauen. Es war nicht einmal ein Autohof angezeigt. Sie fuhr. Schaute nur mehr auf die Tankanzeige. Der Zeiger bewegte sich nicht. Sie fuhr dann doch auf den nächsten Parkplatz und rief beim Onkel Schottola an. Sie ließ den Motor laufen. Sie hatte plötzlich die Vorstellung, nicht mehr starten zu können. Der Onkel lachte über ihre Sorgen. Das mit dem Tanken. Das müsste sie mitrechnen. Also. Wie viel wäre sie denn gefahren. Wann hätte sie denn das letzte Mal getankt. Wie weit müsse sie noch kommen. Sie habe mehr als genug bis Deggendorf. Er schaue das im Internet mit. Das müsste reichen. Und sie wisse ja. Diesel. Diesel tanken. Aber das wisse sie ja. Hätte sie ja oft genug gemacht. Er müsse sich das vorsagen, wenn er ihren Kia auftanke. Benzin, müsse er sich vorsagen. Benzin und nicht Diesel. Aber beim großen Wagen ginge das gar nicht anders. Dieses Modell hätte eine Tanköffnung, in die nur ein Dieseltankstutzen passe. Aber sie sollte trotzdem daran denken. Sonst wäre es mit diesem Auto vorbei. So alt wie das schon wäre. Wie es ihr denn ginge. Die Tante Trude und er. Sie säßen auf dem Balkon und schauten auf die bucklige Welt hinunter. Ihnen ginge es gut, und die Tante Trude habe ein ganzes Kipferl zum Frühstück essen können. Was aber mache sie auf dieser Autobahn. Eigentlich.

Sie fahre, ihre Sachen zu holen. Sie habe noch Sachen in Kötzting und bei Allsecura. Sie habe sich gedacht, dass sie Zeit hätte. Der Gino wäre nämlich erst später wieder besuchbar. Nach dieser Operation. Seine Mutter sei bei ihm. Für sie. Es wäre mehr um die Fahrt nach Murnau gegangen. Dass sie die alle nach Murnau führe. An diese Klinik. Weil die Mutter von Gino kein Auto hatte. Am Abend wollte sie aber wieder dort sein. Sie war am handy erreichbar. Und ciao.

Sie fuhr weiter. Nach Deggendorf auf der B20. Beim Tanken an einer OMV-Tankstelle. Der Tank war noch zu einem Viertel voll gewesen. Sie musste lachen. In dieses Auto gingen 100 Liter hinein. Sie hätte sich wirklich keine Sorgen machen müssen. Sie kaufte Cola und Wasser und fuhr weiter.