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Sie saß da. Sie wollte sich zuerst beruhigen. Sie wollte ganz ruhig sein. Was war ihre Situation. Welche Maßnahmen. Ruhe und Sammlung. Wie kam sie hier hinaus. Ohne Schaden. Sie war in diesem Umkleideraum. Sie musste den langen, schmalen Gang zur Tür zum Hauptaufgang gehen. Von da den Gang zur Rezeption. Von da auf den Parkplatz. Sie brauchte also den Autoschlüssel und dann die Sicherheitskarte für die Ausfahrt. Das System da war nicht so neu. Damit kannte sie sich aus. Das konnte nicht von Gertrud aus so einfach verändert werden. Die Sperre einer Karte bedurfte einer Kette von Kommandos, und es war nicht zu erwarten, dass alle an ihren Computern saßen. Gregory hatte wahrscheinlich direkten Zugriff. Aber Gregory hatte sicherlich nicht den Mantel genommen. Das schaute nach Cindy aus. Oder diese Frau. Natürlich. Diese Frau. Es war alles nur ein einfacher Kameradschaftsdiebstahl. Workplace security. Kein Wunder. 18 Prozent aller Diebstähle geschahen am Arbeitsplatz. Sie musste sich nicht weiter aufregen. Es war alles normal. Aber weg wollte sie trotzdem. Und was hatte Gregory gemeint. Sie hatte nichts unterschrieben. Sie konnte sich nicht erinnern. Sie hatte den Test unterschrieben. Sie hatte am Ende dieser vielen Seiten unterschrieben. Aber das war doch nur für diesen Test gewesen. Das war doch nur die Bestätigung, dass sie es gewesen war, die diese Tests ausgefüllt hatte. Ein schönes Muster war das geworden. Kreuzstichseiten. Handarbeitsstunde. Von links nach rechts und wieder von vorne. Solche Tests. Die stimmten doch ohnehin immer. Und was wollten die. Sie war die uneheliche Tochter einer Drogensüchtigen. Das musste man immer wissen, wenn man mit ihr zu tun hatte. Sie verleugnete die Betsimammi nicht. Aber wenn das nun die Unterschrift gewesen war. Wenn sie sich wirklich verpflichtet hatte. Dann musste Gregory sie eben entpflichten. Gregory sollte mittlerweile wissen, was er von ihr wollte. Cindy war verärgert genug. Das hatte funktioniert und musste nicht weitergespielt werden. Gregory konnte ja ins Hotel kommen und mit ihr reden. Sie würde da jetzt abhauen.

Sie zog den Schlüssel ab. Sie brauchte ja die Karte am Schlüsselband. Sie steckte das Band mit den Schlüsseln in das Außenfach der Tasche, damit sie gleich danach greifen konnte. Wo war der Autoschlüssel. Sie suchte in der Tasche. Sie fand die Klinke von der kleinen Tür. Wie absurd. Und in welchem Zustand war dieses Trainingszentrum. Klinken, die man in der Tasche herumtragen konnte. Sie fand den Autoschlüssel und nahm ihn so in die Faust, dass sie jemandem damit wenigstens eine kleine Verletzung zufügen konnte. Das hatte sie nicht bei Allsecura gelernt. Das war in einem Selbstverteidigungskurs für Frauen und Mädchen von der Hochschülerschaft gewesen. Lange her.

Sie stand auf und konnte stehen. Das war erstaunlich. Sie hatte erwartet, dass sie schwanken würde, und kam deshalb aus dem Gleichgewicht. Sie fing sich an der Wand und tastete sich zur Tür. Ihr war kalt. Ihre Hände waren kalt und ungelenk. Die Beine steif von der Kälte. An der Tür hielt sie inne und schob die Tür nur einen Spalt auf. Sie schaute um die Ecke. Der Gang leer. Sie trat hinaus und ging den Gang zur Tür hinunter. Sie trat mit den Zehenspitzen auf, damit die Absätze ihrer Stiefel nicht klapperten. Von draußen das gleißende Licht des Schnees.

Die Stimmen waren schon von weitem zu hören. Jemand schlug gegen die Tür. Rüttelte. Jemand war ärgerlich. Dann hörte sie Gregory. Wie es kommen könne, dass eine Tür nicht zu öffnen wäre. Gregory sagte das wie immer in diesem gelangweilten Ton, in diesem langsamen Englisch. How can it be possible. Eine Männerstimme grunzte, und es wurde wieder gerüttelt. Sie kramte die Klinke aus der Tasche. Von ihrer Seite der Tür musste sie nur einfach aufmachen. Auf der anderen Seite mussten sie an dem Zapfen drehen, auf den die Klinke aufgesetzt gehörte und daran festgemacht wurde. Sie begann ihr Gesicht auf das strahlende Lächeln vorzubereiten, mit dem sie die Tür aufmachen wollte. Sie wollte strahlend in der Tür stehen und fragen, was denn los sei. Unschuldig und naiv. Sie hätte gerne noch einen Blick in den Spiegel geworfen. Man musste schon sehr gut aussehen für so einen Auftritt. Da sollte nichts um die Nase glänzen. Oder die Locken nicht perfekt duftig um das Gesicht liegen. Jemand trat gegen die Tür, und sie drehte um und lief den Gang zurück. Sie hatte Angst. Sie hatte Angst und lief davon.

Sie rannte. Sie hatte die Tasche über die Schulter gehängt und lief mit den Händen in der Höhe. In Panik. Die Tasche schlug gegen den Rücken. Sie lief auf die Tür am Ende des Gangs nach dem Turnsaal und nach dem Umkleideraum zu. Die Tür, die diesen Gang abschloss. Sie stoppte. Machte noch zwei schnelle Schritte. Blieb stehen. Drehte sich um. Lehnte sich gegen die Tür und schaute nach der anderen den langen Gang hinunter und fiel durch die Tür.

Sie fiel nach hinten. Sie konnte sich gerade noch am Türstock festhalten, um nicht der Länge nach nach hinten zu fallen. Ihr eigener Schwung drehte sie herum, und sie stolperte in eine Dunkelheit. Sie umfasste ihre Tasche und tappte in das Dunkel. Es roch nach Kälte und Metall. Benzin. Sie schaute zurück. Der Gang lag leer da. Sie konnte hier nichts mehr hören. Sie schob diese Tür zu. Leise. Der Boden war weich. Im Schuppen beim Onkel Schottola. Im Garten. Da war der Boden so. Gestampfter Boden. Einen Augenblick war es vollkommen dunkel. Sie stand da. Lehnte gegen die Tür. Licht. Es wurde Licht. Langsam zeigte sich Licht in Ritzen vor ihr. Ein viereckiger Umriss und zwei Querstreifen. Das Licht wurde klarer und dann schrill. Eine andere Tür. Sie ging dahin. In zwei Schritten musste sie da sein. Es war aber nichts vor ihr. Sie hielt die Hände vor sich. Immer noch ein Schritt und noch ein Schritt. Irgendwie war das ewig. Die Hände vor sich. Die Hände angespannt klingelnd in der Erwartung, auf etwas zu stoßen. Sie starrte auf die Lichtritzen, und namenloser Terror überfiel sie. Sie wollte weg. Weit weg. Endgültig weg. Nichts mit alledem. Sie wollte sich herausducken aus dem, was da um sie herum war. Sie begriff nichts. Sie hatte nichts begriffen. Sollte sie beseitigt werden. Es war eindeutig. Es war klar. Es war logisch. Sie sollte hier verschwinden. Sie war von der Marina hierherversetzt worden, um nie wieder zurückzukommen. Einen Augenblick. Die Ironie. Weil die Wiedergutmachung plötzlich und dieses Bild ausgelöst werden hatte müssen und sie nun alle reich geworden waren. Sie würde also an der Wiedergutmachung sterben. Weil die Marina das alles für sich behalten wollte. Und für Selina. Das Marina-Töchterl. Vielleicht. Aber eigentlich für Marina. Damit sie bei solchen Cocktails herumstehen konnte und in den Komitees mitarbeiten, in denen sie die richtigen Leute treffen musste. Und die richtigen Leute sie. Weil sie genug Geld einsetzte. Die Marina kaufte sich diese Augenblicke.