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Behandle Heiliges als heilig. Und falls dich Zweifel überkommen, dann vergiss nicht: Wir sind in solchen Augenblicken nicht allein – beide Beteiligten fühlen das Gleiche.

Öffne ohne Furcht das Kästchen deiner geheimen Phantasien. Der Mut des einen wird die Kühnheit des anderen anstacheln.

Wahre Liebende können so den Garten der Schönheit betreten, ohne sich vor Bloßstellung fürchten zu müssen. Sie werden nicht mehr einfach zwei Körper und zwei Seelen sein, die einander gefunden haben, sondern eine einzige Quelle, aus der das wahre Wasser des Lebens fließt.

Die Sterne werden auf ihre nackten Körper herabscheinen, und sie werden sich nicht schämen. Vögel werden über sie hinwegfliegen, und die Liebenden werden singen wie sie. Wilde Tiere werden sich ihnen vorsichtig nähern, denn was sie zu sehen bekommen, ist noch wilder, als sie es sind. Und sie werden respektvoll den Kopf senken.

Und die Zeit wird aufhören zu sein. Denn im Land der Lust, die aus wahrer Liebe entstand, ist alles unendlich.«

Und einer der Kämpfer, der,

obwohl er sich innerlich auf den

Tod am nächsten Tag vorbereitete,

in den Hof gekommen war,

um zu hören, was der Kopte zu

sagen hatte, meinte:

»Obwohl wir die Einheit wollten,

wurden wir gespalten. Die Städte,

die auf dem Weg der eindringenden

Heere liegen, haben unter den

Folgen eines Krieges gelitten, den

sie nicht gewollt haben. Was sollen

die Überlebenden ihren Kindern

sagen?«

Und der Kopte antwortete:

»Wir werden allein geboren und sterben allein. Aber solange wir auf der Erde sind, müssen wir zu unserem gemeinsamen Glauben stehen.

Die Gemeinschaft ist das Leben: Sie macht uns fähig zu überleben. Das war schon so, als wir die Höhlen bewohnten, und ist auch heute noch so.

Achte jene, die mit dir zusammen gelernt haben. Achte jene, die deine Lehrer waren. Wenn die Zeit gekommen ist, dann erzähle deine Geschichte, und werde du zum Lehrer – so können die Gemeinschaft und die Traditionen fortbestehen.

Wer Freude und Niedergeschlagenheit nicht mit den anderen Menschen teilt, wird niemals seine eigenen Fähigkeiten und Fehler erkennen.

Also sei immer wachsam, was die Gefahr betrifft, die alle Gemeinschaften bedroht: Menschen neigen dazu, sich alle gleich zu verhalten, wobei ihnen die eigene Unvollkommenheit, ihre Ängste und Vorurteile als Richtschnur dienen.

Sie glauben, um akzeptiert zu werden, müssten sie allen gefallen. Doch damit zahlen sie einen hohen Preis.

Und es ist kein Liebesbeweis für die Gemeinschaft. Es ist ein Beweis fehlender Selbstliebe.

Nur der wird geliebt und geachtet, der sich selber liebt und achtet. Versuche nie, allen zu gefallen, oder du wirst die Achtung aller verlieren.

Suche dir Verbündete und Freunde unter Leuten, die überzeugt sind von dem, was sie tun und wer sie sind.

Ich sage nicht: Suche dir jemanden, von dem du annimmst, dass er ist wie du. Ich sage: Suche jemanden, der anders denkt und den du niemals davon überzeugen kannst, dass du recht hast.

Denn die Freundschaft ist eine der vielen Gesichter der Liebe, und die Liebe lässt sich nicht von Meinungen bestimmen. Sie akzeptiert den Gefährten vorbehaltlos, denn jeder wächst auf seine Weise.

Die Freundschaft ist ein Akt des Glaubens an einen anderen Menschen und kein Akt der Selbstaufgabe.

Versuche nicht, von jemandem um jeden Preis geliebt zu werden, denn die Liebe hat keinen Preis.

Nicht diejenigen sind deine Freunde, die dir schmeicheln und sagen: ›Es gibt in ganz Jerusalem niemanden, der besser, großzügiger, fähiger ist als du.‹

Es sind jene, die nicht darauf warten, dass etwas geschieht, um dann zu entscheiden, wie sie sich verhalten sollen. Sie entscheiden sich, während sie handeln, im Wissen um das damit verbundene Risiko.

Es sind Menschen, die so frei sind, dass sie auch umkehren und neue Wege beschreiten, wenn die Umstände es erfordern. Anschließend erzählen sie dann von ihren Abenteuern und lassen damit ihr Dorf oder ihre Stadt an ihren Erfahrungen teilhaben.

Wenn sie einem gefährlichen, falschen Weg gefolgt sind, werden sie dir niemals sagen: ›Tu das ja nicht!‹, sondern nur: ›Ich bin einem gefährlichen, falschen Weg gefolgt.‹

Denn sie achten deine Freiheit genauso wie du die ihre.

Und meide auch jene, die dir nur in traurigen Augenblicken mit Trostworten zur Seite stehen. Denn was sie damit eigentlich ausdrücken, ist: ›Ich bin stärker als du. Ich bin klüger als du. Ich hätte diesen Schritt nie getan.‹

Halte dich lieber an jene, die in glücklichen Stunden bei dir sind. Denn ihre Seelen kennen weder Eifersucht noch Neid, nur Freude darüber, dich glücklich zu sehen.

Meide jene, die sich für stärker halten. Denn in Wahrheit sind sie schwächer als du.

Halte dich vielmehr an jene, die sich ihrer Verletzlichkeit nicht schämen. Denn sie sind selbstbewusst und wissen, dass jeder irgendwann einmal strauchelt, und sehen das nicht als Zeichen von Schwäche, sondern als Ausdruck von Menschlichkeit.

Meide jene, die viel reden, bevor sie handeln, jene, die niemals einen Schritt getan haben, ohne vorher sicher zu sein, dafür gelobt zu werden.

Halte dich vielmehr an jene, die dir, wenn du dich irrtest, niemals gesagt haben: ›Ich hätte das anders gemacht.‹ Denn wenn sie etwas nicht getan haben, können sie darüber auch kein Urteil fällen.

Halte dich vielmehr an jene, die nur eine einzige Tür zu öffnen versuchen: diejenige ihres Herzens. Und die niemals ohne Erlaubnis in deine Seele eindringen und die niemals diese geöffnete Tür ausnutzen werden, um einen tödlichen Pfeil auf dich abzuschießen.

Freundschaft ist wie ein Fluss, der die Felsen umfließt, sich Tälern und Bergen anpasst, manchmal zum See wird, bis die Niederung gefüllt ist und er seinen Weg fortsetzen kann.

Denn so wie ein Fluss nicht vergisst, dass das Meer sein Ziel ist, wird die Freundschaft nicht vergessen, dass ihre einzige Daseinsberechtigung ist, den Freunden Liebe zu zeigen.

Meide jene, die sagen: ›Halt, hier geht’s nicht weiter.‹ Denn jene begreifen nicht, dass nicht einmal das Leben noch der Tod ein Ende sind, sondern nur Etappen der Ewigkeit.

Halte dich vielmehr an jene, die sagen: ›Auch wenn alles gut ist, müssen wir weitergehen.‹ Denn sie wissen, dass man immer bis hinter den bekannten Horizont gehen muss.

Meide jene, die sich zusammensetzen, um ernsthaft und voller Geltungsbedürfnis die Entscheidungen zu diskutieren, die die Gemeinschaft treffen müsste. Sie verstehen etwas von Politik, glänzen vor den anderen und versuchen, Klugheit zu zeigen. Aber sie begreifen nicht, dass es unmöglich ist, auch nur die Kontrolle darüber zu behalten, ob ein einziges Haar ausfällt. Disziplin ist wichtig, aber es müssen Türen und Fenster offen gehalten werden für die Intuition und das Unerwartete.

Tue dich mit jenen zusammen, die singen, Geschichten erzählen, das Leben genießen und freudig blicken. Denn die Freude ist ansteckend, und es gelingt ihr immer, eine Lösung zu finden, wo Logik nur die Erklärung eines Fehlers liefern kann.

Halte dich stattdessen lieber an jene, die zulassen, dass das Licht der Liebe sich ungehindert offenbart, ohne zu werten, ohne Hoffnung auf Belohnung und ohne Angst, missverstanden zu werden.