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Einen Kampf oder alles, was wir zu besitzen glaubten, zu verlieren, mag uns betrüben. Aber wenn diese Augenblicke der Traurigkeit vorübergegangen sind, entdecken wir die unbekannte Kraft, die in jedem von uns wohnt, eine überraschende Kraft, die unsere Selbstachtung steigert.

Wir blicken in die Runde und sagen uns selber: ›Ich habe überlebt.‹ Und das erfüllt uns mit Freude.

Nur jene, die diese Kraft nicht kennen, sagen: ›Ich habe verloren.‹ Und verzagen.

Andere, die ihre Niederlage wurmt und das, was die Sieger über sie erzählen, erlauben sich, ein paar Tränen zu vergießen, ohne allerdings in Selbstmitleid zu zerfließen. Sie wissen, dass der Kampf nur unterbrochen ist und sie in diesem Augenblick im Nachteil sind.

Sie hören ihr Herz schlagen und bemerken, dass sie angespannt sind und Angst haben. Doch dann schauen sie auf ihr Leben zurück und entdecken, dass trotz der Angst, die sie spüren, der Glaube ihnen Kraft gibt weiterzumachen.

Sie versuchen herauszufinden, was sie falsch gemacht haben und was richtig. Sie nutzen den Augenblick, in dem sie am Boden liegen, um auszuruhen, ihre Wunden zu pflegen, neue Strategien zu entwickeln und sich besser zu rüsten.

Und es kommt der Tag, an dem ihnen ein neuer Kampf bevorsteht. Die Angst ist zwar immer noch da, aber sie dürfen nicht untätig bleiben, sonst bleiben sie am Boden liegen. Darum stehen sie wieder auf und stellen sich dem Gegner.

Diesmal müssen sie siegen, da sie keine weitere schmerzliche Niederlage hinnehmen wollen.

Und wenn sie nicht dieses Mal siegen, dann eben das nächste oder übernächste Mal. Das Schlimmste ist, zu fallen und nicht wieder auf die Füße zu kommen.

Besiegt ist nur, wer aufgibt. Alle anderen sind siegreich.

Und es wird der Tag kommen, an dem die schwierigen Augenblicke nur noch Geschichten sind, die wir einander stolz erzählen. Und alle werden ehrfürchtig lauschen und drei wichtige Dinge lernen:

Geduld – um den richtigen Augenblick zum Handeln abwarten zu können.

Klugheit – um eine zweite Chance nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.

Und stolz auf die eigenen Narben zu sein.

Die Narben sind wie mit dem Eisen in unsere Haut gebrannte Auszeichnungen, und sie werden deinen Feinden Angst einflößen und ihnen zeigen, dass der Mensch, der vor ihnen steht, kampferprobt ist. Häufig führt das dazu, dass die Feinde das Gespräch suchen und den Kampf meiden.

Narben sprechen eine deutlichere Sprache als das Schwert, dessen Klinge sie hervorgerufen hat.«

»Und was ist mit den Besiegten?«,

wollte ein Kaufmann wissen, als er

sah, dass der Kopte zum Ende

gekommen war.

Und dieser antwortete:

»Wer besiegt wurde, ist nicht gescheitert.

Besiegt werden bedeutet, dass wir einen bestimmten Kampf oder einen Krieg verlieren. Das Gefühl, gescheitert zu sein, aber nimmt uns jeden Kampfesmut.

Wir fühlen uns als Versager, wenn wir etwas nicht erringen, was wir uns glühend wünschen. Doch das Gefühl, versagt zu haben, nimmt uns die Fähigkeit zu träumen. Nach dem Motto: Wünsche dir nichts, und du wirst niemals leiden.

Die Niederlage endet in dem Augenblick, in dem wir uns einem neuen Kampf stellen. Das Gefühl zu versagen endet nie: Es ist die Wahl einer Lebensform.

Eine Niederlage erleiden diejenigen, die trotz aller Angst weiterhin voller Begeisterung und Glauben leben.

Eine Niederlage erleiden die Tapferen. Nur ihnen wird die Ehre zuteil, zu verlieren und zu gewinnen.

Dass die Niederlage zum Leben gehört, wissen wir alle. Ich stehe nicht hier, um das zu sagen. Nur die Besiegten kennen die Liebe. Denn wir alle fechten im Namen der Liebe unsere ersten Kämpfe aus – und verlieren sie meistens.

Ich stehe hier, um euch auch von jenen zu erzählen, die niemals besiegt wurden.

Es sind jene, die nie gekämpft haben.

Sie haben erfolgreich Verletzungen, Erniedrigungen, das Gefühl von Hilflosigkeit vermieden und jene bitteren Augenblicke, in denen Krieger an der Existenz Gottes zu zweifeln beginnen.

Auch wenn sie sich voller Stolz rühmen können: ›Ich habe nie eine Schlacht verloren‹, können sie sich doch andererseits auch nie sagen: ›Ich habe eine Schlacht gewonnen.‹

Doch das ist ihnen gleichgültig. Sie leben in einer Welt, in der sie scheinbar nichts berühren kann. Sie verschließen die Augen vor Ungerechtigkeit und Leid und wiegen sich in Sicherheit, weil sie sich den alltäglichen Herausforderungen jener nicht stellen müssen, die sich über die eigenen Grenzen hinauswagen.

Sie haben nie ein ›Leb wohl‹ gehört. Aber auch kein ›Da bin ich wieder – umarme mich so, wie jemand, der glaubte, mich verloren zu haben, und mich doch wiedergefunden hat‹.

Die ewig Unbesiegten wirken fröhlich und überlegen, so, als besäßen sie eine Wahrheit, für die sie nie einen Finger gerührt haben. Wie die Hyänen fressen sie nur, was der Löwe übriggelassen hat.

Sie lehren ihre Kinder: ›Lasst euch nicht auf Kämpfe ein, ihr könnt nur verlieren. Behaltet eure Zweifel für euch, und ihr werdet niemals Probleme haben. Greift euch jemand an, tut so, als wäre es nicht geschehen, und lasst euch nicht dazu herab, den Angriff zu erwidern. Es gibt schließlich wichtigere Dinge im Leben.‹

Aber nachts, wenn sie in der Stille allein sind, kämpfen sie imaginäre Schlachten, in denen es um unerfüllte Träume geht, um Ungerechtigkeiten, die sie vorgaben, übersehen zu haben, um Augenblicke von Feigheit, die sie vor allen (nur vor sich selber nicht) verbergen konnten, und um die Liebe, die mit einem Strahlen im Blick ihren Weg kreuzte – jene Liebe, die ihnen von Gott bestimmt war, die sie aber anzusprechen nicht den Mut hatten.

Und sie geloben: ›Morgen wird alles anders.‹

Aber der Morgen kommt und mit ihm die lähmende Frage: ›Und wenn es nicht klappt?‹

Also tun sie nichts.

Wehe denen, die nie besiegt wurden! Sie werden im Leben niemals Sieger sein.«

»Sprich zu uns über das Alleinsein«,

bat eine junge Frau, die kurz vor

ihrer Hochzeit mit einem der reichsten

Männer der Stadt stand und jetzt

gezwungen war zu fliehen.

Und der Kopte antwortete:

»Wenn du nicht allein sein kannst, wird die Liebe nicht lange an deiner Seite verweilen.

Denn auch die Liebe braucht Ruhezeiten, damit sie durch den Himmel reisen und sich auf andere Weise offenbaren kann.

Keine Pflanze und kein Tier überlebt, wenn sie nie allein gelassen werden. Auch das Feld muss hin und wieder allein gelassen werden, damit es fruchtbar bleibt. Kein Kind wird etwas über das Leben lernen, keine Arbeit sich entwickeln und verändern können, wenn ihnen Alleinsein verwehrt wird.

Alleinsein bedeutet nicht die Abwesenheit von Liebe, sondern deren Ergänzung.

Alleinsein heißt nicht, dass man ohne Begleitung ist, sondern es meint den Augenblick, in dem unsere Seele zu uns sprechen und uns helfen kann, Entscheidungen für unser Leben zu treffen.

Daher sind diejenigen gesegnet, die gut mit sich selbst allein sein können und die sich nicht voller Angst in Arbeit vergraben oder mit Zerstreuungen abzulenken versuchen.

Denn wer niemals allein ist, kennt sich selbst nicht.

Und wer sich selbst nicht kennt, fürchtet die Leere.

Doch diese Leere gibt es nicht. Eine ungeheuer große Welt verbirgt sich in unserer Seele und wartet darauf, entdeckt zu werden. Sie ist da mit ihrer ganzen unverbrauchten Kraft, doch sie ist so neu und so mächtig, dass wir uns nicht eingestehen wollen, dass es sie gibt.