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»Es tut mir ja leid!« verteidigte sich Serena. »Ich wollte es nicht sagen. Es... es ist mir einfach so herausgerutscht. Und außerdem ist es die Wahrheit«, fügte sie in leicht trotzigem Ton hinzu. »Was?« fragte Ben.

»Daß mein Vater einen größeren Sommerpalast hatte«, antwortete Serena. »Wenn das da schon das größte Wunder eurer Welt ist, möchte ich die kleineren gar nicht sehen. «

»Immerhin habenwires bisher noch nicht geschafft, uns selbst auszurotten«, antwortete Ben. »Und so ganz nebenbei wenn es uns primitive Halbaffen nicht gäbe, würdest du jetzt noch in deinem Glassarg auf dem Meeresboden liegen und Schneewittchen spielen. «»Primitivhabe ich nicht gesagt«, erwiderte Serena spitz. »Und außerdem -«

»Schluß!« sagte Trautman scharf. »Sie kommen zurück. «

Serena und Ben wechselten noch ein paar zornige Blicke, hielten aber gehorsam den Mund. Lady Grandersmith war mittlerweile wieder in Hörweite. Mike drehte sich zu ihr herum

-und erlebte eine weitere, nicht besonders angenehme Überraschung. Lady Grandersmith und Hasim waren nicht allein. Ihr Führer kam mit ihnen -aber im ersten Moment war Mike nicht sicher, wer wer war. Der andere Mann glich Hasim nämlich aufs Haar -genauer gesagt, bis auf die letzte Faser seines schwarzen Kaftans. Die beiden waren vollkommen identisch gekleidet, gleich groß, von der gleichen Statur, und sie bewegten sich sogar im selben Rhythmus.

»Hoppla«, sagte Ben. »Wer ist das? Der dritte im Bunde?«

Lady Grandersmith lachte leise. »Ich hätte es anders ausgedrückt, aber du hast Recht. Hasim und Yasal gehören zum selben Stamm wie er. Deshalb war es auch so einfach für mich, diese Privatführung für euch zu organisieren. «

»Gibt's davon noch mehr?« fragte Ben. Diesmal lachte Lady Grandersmith nicht. »Ja«, antwortete sie ernst. »Und du solltest deine Zunge ein bißchen hüten, junger Mann. Sie sprechen zwar unsere Sprache nicht, aber ich kann dir versichern, daß sie sie ausgezeichnet verstehen. Und sie sind ein sehr stolzes Volk. « »Sie?« fragte Ben.

»Al Achawwiya al sauda'«, antwortete Lady Grandersmith. »Das wolltest du doch hören, oder?« Ben war klug genug, nicht darauf zu antworten. Lady Grandersmith' Stimme war sehr scharf gewesen. Ihre anfangs so gute Stimmung war ohnehin schon fast verflogen, und Lady Grandersmith' Antwort auf Bensnicht besonders höfliche Frage hatte noch ein Übriges dazugetan.

Natürlich ist sie nicht ernst gemeint, dachte Mike. Ganz bestimmt nicht. Nein, auf gar keinen Fall. Al Achawwiya al sauda' waren nichts als eine Legende. Basta. Auch wenn Yasal, Hasim und dieser dritte unheimliche Mann in Schwarz ganz genau so aussahen, wie er sich jemanden vorgestellt hätte, der sich den dunklen Mächten und dem Teufel verschrieben hatte... Sie setzten ihren Weg sehr schweigsam fort, und die sonderbare Stimmung, die er bei ihrer Ankunft verspürt hatte, ergriff allmählich wieder Besitz von ihm. Vielleicht lag es tatsächlich an der Nähe der Pyramiden. Mike war nicht abergläubisch, aber hier spürte er, daß es wohl wirklich so etwas wie heilige Orte gab, und dieser hier gehörte eindeutig dazu. Plötzlich stockte Serena mitten im Schritt. »Was ist denndas?«hauchte sie. Mikes Blick folgte dem ihrer ungläubig aufgerissenen Augen. Nicht weit vor ihnen erhob sich eine kolossale Steinfigur auf einem riesigen Sockel. In der mittlerweile hereingebrochenen Nacht war sie nicht mehr als ein schwarzer Umriß vor einem nicht ganz so schwarzen Hintergrund, aber Mike wußte natürlich trotzdem sofort, worum es sich handelte. »Die Sphinx«, sagte er.

»Sie ist zu groß«, antwortete Serena. Diese Antwort verwirrte Mike, während sie Lady Grandersmith wieder einmal zu einem amüsierten Lachen Anlaß gab. »Natürlich ist sie so groß«, sagte sie. »Schließlich ist es nur eine Sagengestalt. Sie bewacht die Pyramiden, weißt du?«

Mike konnte regelrecht sehen, wie Serena zu einer Antwort ansetzte und sich dann im letzten Moment zusammenriß. Schweigend gingen sie weiter, aber während sie die Sphinx passierten, hing Serenas Blick weiter wie gebannt an der gigantischen Figur. »Und sieistzu groß«, sagte sie -diesmal aber wohlweislich so leise, daß nur Mike die Worte hören konnte. »Wie meinst du das?« fragte er ebenso leise. »Woher willst du wissen, wie groß eine Sphinx ist? Niemand hat sie je gesehen. «

»Doch«, antwortete Serena ernst. »Ich. Zwei davon haben den Palast meines Vaters bewacht. « »Wie bitte?« keuchte Mike. »Du willst sagen, daß -« Er bemerkte sofort, daß er zu laut gesprochen hatte und Lady Grandersmith ihm und Serena einen schiefen Blick zuwarf. So schluckte er den Rest seiner Frage hinunter. Aber er nahm sich fest vor, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wieder darauf zurückzukommen. Offensichtlich gab es noch eine Menge, was Serena ihm und den anderen über ihre Welt nicht erzählt hatte. Als sie am Fuß der großen Pyramide angekommen waren, blieb Lady Grandersmith stehen und wechselte einige kurze Worte in einer fremden Sprache mit ihrem Führer, worauf dieser nickte und mit raschen Schritten in der Dunkelheit verschwand. Mike registrierte mitÜberraschung, daß die Worte nicht im Geringsten nach Arabisch geklungen hatten. »Er holt nur eine Lampe«, sagte Lady Grandersmith und warf einen prüfenden Blick in die Runde, wobei sie vor allem Serena besonders aufmerksam musterte. »Ihr habt alle festes Schuhwerk angezogen, hoffe ich doch?« Darum hatte sie sie eigens gebeten, bevor sie losgefahren waren. Alle nickten, aber Ben konnte sich nicht verkneifen, zu fragen: »Wozu eigentlich? Ich dachte, wir gehenhinein. «Er deutete mit einer weitausholenden Geste auf die Pyramide.

»Das tun wir auch, junger Mann«, antwortete Lady Grandersmith. »Aber ein bißchen klettern müssen wir schon.

Der Eingang liegt leider nicht ebenerdig, sondern ein Stück

darüber. «

Bens Gesicht verdüsterte sich, und auch Mike war über die Aussicht, an der Pyramide hinaufzuklettern, alles andere als begeistert. Auch wenn die übereinanderliegenden Blöcke so etwas wie eine Treppe bildeten, so doch eine mit sehr hohen Stufen. Auch nur ein kleines Stück darauf emporzusteigen würde zu einer ziemlichen Anstrengung werden.

Trautmans Gedanken schienen wohl ganz ähnlich zu sein, denn er sagte: »Sind Sie sicher, daß das notwendig ist, Lady Grandersmith? Ich meine, es ist bereits dunkel, und so eine Kletterpartie ist nicht ungefährlich... « »Aber, Mister Trautman!« sagte Lady Grandersmith kopfschüttelnd. Ihre Stimme klang spöttisch. »Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Sie und die Kinder auf ihren Reisen nicht schon Schlimmeres geschafft haben?«

Trautman blinzelte. Das war nun die direkteste Anspielung, die Lady Grandersmith machte; eigentlich schon eine fast unverblümte Frage. Mike fragte sich, wieviel Lady Grandersmith eigentlich über sie wußte -und ob sie wirklich die harmlose Dame war, für die sie sie alle bisher gehalten hatten. Er wünschte sich, sie hätten Astaroth mitgenommen, aber leider hatte Trautman darauf bestanden, daß der Kater im Haus zurückblieb. »Außerdem lohnt sich die kleine Mühe«, fuhr Lady Grandersmith fort, als Trautman nicht antwortete. »Sie werden etwas zu sehen bekommen, von dessen Existenz die normalen Touristen nicht einmal etwas ahnen. «