Mike blickte ihn mit übertriebener Feindseligkeit an. »Schnüffelst du schon wieder in meinen Gedanken herum?« fragte er scharf.
Ich schnüffle nicht,antwortete Astaroth beleidigt.Hunde schnüffeln. Katzen ziehen Erkundigungen ein und sammeln Informationen!
»Blödsinn!« antwortete Mike ärgerlich. »Das ist dasselbe! Du solltest allmählich wissen, daß ich es hasse, wenn du meine Gedanken liest!«Aber das weiß ich doch,antwortete Astaroth ungerührt.Schließlich denkst du es oft genug.Mike gab auf. Er hatte nicht nur wenig Lust, sich mit einem Kater zu streiten, es war auch vollkommen sinnlos, zumindest, wenn dieser Kater Astaroth hieß.Stimmt.
Mike zog es vor, diese Bemerkung zu ignorieren, drehte sich vollends um und ging mit schnellen Schritten an Astaroth vorbei zur Tür.
Als er das Hotelzimmer verließ, wäre er um ein Haar mit einer Gestalt zusammengeprallt, die unmittelbar vor der Tür stand. Mike fuhr erschrocken zurück und setzte zu einer geharnischten Bemerkung an, aber dann sah er, um wen es sich handelte, und statt wütend zu werden, starrte er sie verblüfft an. Es war eine vielleicht vierzigjährige, schlanke Frau, die sehr elegant gekleidet war und einen großen Hut mit einem hauchdünnen Schleier trug. Sie stand so dicht -und in eindeutiger Haltung! vor seiner Zimmertür, daß gar kein Zweifel daran bestehen konnte, daß sie gelauscht hatte; etwas, worauf Mike normalerweise ziemlich ärgerlich reagiert hätte. Vielleicht lag es an dem beengten Leben, das sie notgedrungen auf der NAUTILUS führen mußten, aber ihnen allen war ihre Privatsphäre heilig. Ungefragt darin einzudringen oder einen anderen gar zu belauschen, das wäre Mike und den übrigen Besatzungsmitgliedern der NAUTILUS niemals in den Sinn gekommen. Wenn sie nicht gerade Astaroth hießen...
He! Das ist eine Verleumdung! Ich habe noch nie jemanden -Halt die Klappe, Astaroth,sagte Mike auf dieselbe lautlose Art, auf die die Stimme des Katers in seinem Kopf erscholl. Zugleich konzentrierte er sich wieder auf sein Gegenüber. Die Frau machte ein ziemlich verlegenes Gesicht. Es war Lady Grandersmith, die wie er und die anderen hier im Hotel wohnte, und sie hatten sich bereits am ersten Tag ihres Aufenthaltes kennengelernt. Mike wußte, daß sie eine verwitwete englische Adelige war, die sich den größten Teil des Jahres auf Reisen befand und gerne und eifrig von ihren Abenteuern erzählte. Außerdem war sie einer der nettesten Menschen, die Mike seit langer Zeit kennengelernt hatte. Daß sie so unhöflich sein sollte, an einer fremden Tür zu lauschen, erschien Mike fast unvorstellbar. Und doch hatte sie eindeutig ganz genau das getan. »Hallo, Mike«, sagte sie. »Ich... ich war gerade auf dem Weg nach unten. Es ist Zeit für den Lunch. Ich dachte mir, wir essen vielleicht zusammen? Wir könnten unser Gespräch von gestern abend fortsetzen. Wie ist es -begleitest du mich?« Lady Grandersmith reckte den Hals, um über Mikes Kopf hinweg einen Blick in sein Zimmer werfen zu können. »Ist Serena nicht da?« »Ihr Zimmer liegt auf der anderen Seite«, sagte Mike knapp und deutete über den Hotelflur. »Oh, sicher, wie konnte ich das nur vergessen. « Lady Grandersmith hatte sich allmählich wieder in der Gewalt. »Ich dachte nur, ich hätte Stimmen gehört. «
»Ich... habe mit Astaroth gesprochen«, antwortete Mike ausweichend. Er fragte sich immer noch, warum Lady Grandersmith an seiner Zimmertür gelauscht haben mochte bestimmt nicht, um Serena und ihn zum Essen abzuholen.
Vielleicht sehe ich auch nur Gespenster, dachte er ärgerlich. Sie ist nichts als eine freundliche, harmlose Frau, die wahrscheinlich Anschluß sucht, weil sie einsam ist. Hör auf, in jedermann einen Spion zu sehen!
Das war ein Problem, mit dem er in letzter Zeit sowieso immer mehr zu kämpfen hatte. Seit sie das Erbe seines Vaters angetreten hatten und mit der NAUTILUS auf große Fahrt gegangen waren, befanden sie sich praktisch ununterbrochen auf der Flucht - mal vor Winterfeld, mal vor der englischen Marine, mal vor prähistorischen Ungeheuern aus Serenas Vergangenheit; und vor allem davor, entdeckt zu werden. Die NAUTILUS war viel zu gefährlich, um in falsche Hände zu geraten, und die Erfahrung hatte Mike und die anderen gelehrt, daß sie kaum einem Menschen wirklich trauen konnten. Trotzdem mußte er aufpassen. Jedem Menschen zu mißtrauen, das war auf die Dauer sicher ebenso falsch, wie zu vertrauensselig zu sein. Er entschuldigte sich in Gedanken bei Lady Grandersmith und zwang sich zu einem Lächeln.
»Ich komme gern mit. Serena ist in der Stadt und kauft ein. Aber sie muß bald zurückkommen. « »Dann können wir ja gemeinsam auf sie warten«, schlug Lady Grandersmith vor. »Nimm deinen kleinen Freund ruhig mit. «
Sie deutete auf Astaroth, der schräg hinter Mike saß und sie beide aus seinem einzigen Auge aufmerksam musterte. Auf seinem Katergesicht zeigte sich keine Regung, aber seine Ohren zuckten leicht, und Lady Grandersmith erwies sich als ausgezeichnete Beobachterin, denn sie sagte: »Ich glaube, das hat er verstanden. «Worauf du dich verlassen kannst,sagte Astaroth. Mike beeilte sich, Lady Grandersmith zu antworten. »Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist«, sagte er. »Nach seinem letzten Ausflug in die Küche war der Hotelmanager ziemlich verärgert. Wir mußten ihm versprechen, Astaroth nur noch hier im Zimmer zu halten. «
He, he!protestierte Astaroth. Daswar alles ganz anders! Ich habe die Küche dieses Etablissements lediglich vom Ungeziefer gesäubert. Sie wimmelte nämlich von Mäusen! Und so was nennt sich VierSterne-Hotel!Mike konnte sich gerade noch im letzten Moment beherrschen, um Astaroth nicht laut zu verbessern. Der Kater hatte tatsächlich einige Mäuse in der