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Mike fuhr aus seinen Gedanken hoch, als er Juans Stimme hörte, und war mit einem einzigen Schritt neben dem jungen Spanier. Juan stand in gespannter Haltung vor dem Kontrollpult und blickte auf eines der zahllosen Instrumente herab, die darauf blinkten und blitzten. Auch Mike warf einen raschen Blick über die Kontrollen, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. »Der Kerl wird uns noch alle umbringen«, grollte Ben. Genau in diesem Moment fuhr wieder dieses unheimliche, mahlende Geräusch durch den Schiffsrumpf, das Mike bis ins Innerste erschauern ließ. Er wußte zwar, daß es sinnlos war, aber er wandte sich trotzdem an Hasim: »Sei doch endlich vernünftig«, sagte er. »Das Schiff hält die Belastung nicht aus, merkst du das denn nicht selbst? Wir werden auseinanderbrechen, lange ehe wir den Meeresgrund erreichen. « Hasim starrte ihn an und schwieg, und dieses Schweigen machte Mike plötzlich wütend. »Ist es das, was du willst?« fragte er in fast schreiendem Ton. »Uns alle umbringen? Das hättet ihr leichter haben können!« »Laß es gut sein, Mike«, sagte Trautman besänftigend. »Damit erreichst du nichts. «

Das wußte Mike selbst. Aber es erleichterte ihn, endlich laut auszusprechen, was ihnen allen seit Tagen ununterbrochen durch den Kopf ging. Bei ihren Unterhaltungen gab es praktisch kein anderes Thema mehr. »Aber das wird euch alles nichts nutzen, weißt du?« fuhr er erregt fort. »Wenn die NAUTILUS zerstört ist, dann kommt ihr niemals an euren Schatz oder was auch immer im Wrack der TITANIC verborgen liegt. Hast du daran vielleicht schon einmal gedacht?« Er rechnete nicht mit einer Antwort -Hasim hatte noch nie auf irgend etwas geantwortet - und war darum um so überraschter, als der Beduine doch reagierte. Zuerst blickte er Mike nur eindringlich aus seinen unheimlichen Augen an, aber dann löste er sich plötzlich von seinem Platz neben der Tür und ging mit langsamen Schritten auf das Steuerpult zu. »He!« sagte Ben. »Was hat er denn jetzt wieder vor?« »Das frage ich mich auch«, murmelte Trautman. Er war aufgestanden und sah Hasim erwartungsvoll entgegen.

Hasim ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken, sondern ging einfach weiter, so daß Trautman wohl oder übel beiseite treten mußte, um ihm Platz zu machen. Hasim beugte sich über die Instrumente, blickte eine ganze Weile schweigend darauf hinab und streckte schließlich die Hand aus. Seine Finger glitten wie flinke schwarze Schatten über Schalter und Knöpfe, fast schneller, als das Auge ihnen zu folgen vermochte. »Was macht er denn da?« fragte Ben entsetzt. »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, murmelte Trautman. »Aber es gefälltmirnicht. « »Wir ändern den Kurs«, sagte Juan von der anderen Seite des Steuerpultes her. »Und wir sinken schneller. « Mike blickte zum Fenster. Das mehr als metergroße Bullauge, durch das man direkt aus dem Salon des Schiffes ins Meer hinausblicken konnte, zeigte nichts als Schwärze, denn in dieser Wassertiefe gab es natürlich kein Sonnenlicht mehr, aber er glaubte trotzdem zu sehen, wie sich unter der NAUTILUS ein gewaltiger Abgrund auftat wie das aufgerissene Maul eines riesigen Tiefseedrachens, in das sie geradewegs hineinfuhren.

»Wir sinken viel zu tief!« sagte Trautman, nachdem er rasch zu Juan gegangen war und einen Blick auf die Instrumente geworfen hatte. »Das hält das Schiff nicht aus! Nicht einmal unter normalen Umständen!« Er fuhr herum und wandte sich direkt an Hasim. »Hör auf damit!« sagte er. »Wir müssen langsamer sinken, hörst du?«

Hasim reagierte nicht, sondern fuhr fort, Hebel und Tasten zu betätigen, Schalter umzulegen und an Kontrollrädchen zu drehen, so schnell und geschickt, als hätte er sein Lebtag lang

nichts anderes getan. Mike begriff erst nach einigen Sekunden,

was das bedeutete.

»Er... er kennt sich mit den Kontrollinstrumenten aus!« sagte er verblüfft. »Seht doch! Er weiß ganz genau, wie man die NAUTILUS steuert!« Trautman blinzelte. »Du hast recht«, gestand er. »Und weißt du was? Ich habe das Gefühl, er weiß es sehr viel besser, als ich es jemals wußte. « »Das ändert aber nichts daran, daß er auf dem besten Weg ist, uns umzubringen«, grollte Ben. »Wir müssen den Kerl aufhalten!«

Er trat auf Hasim zu und versuchte ihn von den Instrumenten wegzuziehen. Mike hielt instinktiv den Atem an; nach allem, was er bisher mit den beiden Beduinen erlebt hatte, rechnete er felsenfest damit, Ben in der nächsten Sekunde durch die Luft fliegen zu sehen. Aber Hasim reagierte überhaupt nicht. Er stand einfach da und arbeitete weiter am Pult, und Ben zerrte vergeblich an seinem schwarzen Gewand. Ebensogut hätte er wahrscheinlich auch versuchen können, mit bloßen Händen das Kontrollpult aus dem Boden zu reißen.

»Zweitausend Meter!« sagte Juan nervös. »Wir sinken wie ein Stein. «

Wieder sah Mike zum Fenster. Die Dunkelheit dort draußen war unverändert.

»Er bringt uns um!« rief Ben. »Wir müssen etwas tun! Helft mir!«

Mittlerweile war auch Singh zu ihnen gekommen, der sich auf Bens Ausruf hin dem Beduinen zuwandte. Diesmal sah Hasim kurz hoch, konzentrierte sich dann aber wieder auf seine Tätigkeit. Mike machte eine besänftigende Geste in Singhs Richtung. Ganz davon abgesehen, daß sie alle zusammen wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen wären, Hasim zu überwältigen, hatte er plötzlich das Gefühl, daß Ben sich täuschte. »Laßt ihn«, sagte er.

Ben riß ungläubig die Augen auf. »Laßt ihn?« wiederholte er in fassungslosem Ton. »Was sollen wir ihn lassen? Uns umzubringen? Bist du übergeschnappt? Wenn du unbedingt Selbstmord begehen willst, hole ich dir ein Gewehr!«

»Mike hat recht«, sagte nun auch Trautman. Er deutete auf Hasim. »Sieh doch, Ben. Er weiß ganz genau, was er tut. Möglicherweise -weiß er besser als ich, was dieses Schiff wirklich aushält. «

Mike war das kurze Stocken in Trautmans Worten keineswegs verborgen geblieben, aber insgeheim stimmte er ihm zu.

»Zweitausendzweihundert Meter«, sagte Juan gepreßt. »Und vom Meeresgrund keine Spur. «

Trautman starrte noch immer den Beduinen an. Mike konnte ihn sehr gut verstehen. Auch ihm erging es nicht viel anders. Wenn das, was er beobachtete, wirklich das bedeutete, was er glaubte... »Was dann?« fragte Ben.

Mike blinzelte. Erst jetzt wurde ihm klar, daß er den letzten Gedanken laut ausgesprochen hatte. »Was bedeutet es?« bohrte Ben.

»Kommst du nicht von selbst drauf, Schlaumeier?« fragte Chris.

»Nein, komme ich nicht, Zwerg«, gab Ben giftig zurück. »Warum erklärst du's mir nicht, wenn du so viel schlauer bist als ich. «

Mike warf Chris einen beruhigenden Blick zu, ehe er antwortete. Bens Feindseligkeit überging er. Sie hatten alle Angst. Es war weiß Gott nicht das erste Mal, daß sie in einer gefährlichen Situation waren, aber bisher hatten sie sich wenigstenswehrenkönnen. Viel schlimmer als die Furcht war das Gefühl der Hilflosigkeit. Sie waren Hasim auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. »Es bedeutet, daß sie vielleicht gar keine Menschen sind«, sagte er. »Nicht so wie wir, jedenfalls. « »Wie?« machte Ben.

»Überleg doch mal!« fuhr Mike fort. »Sie nennen sich selbst die Hüter der Cheopspyramide, und die ist ein paar tausend Jahre alt. Aber wer sagt dir denn, daß sie nicht noch viel älter sind! Vielleicht so alt wie dieses Schiff oder noch älter. « »Du meinst...diese beiden?«

Eigentlich wollte Mike mit einem klaren Ja antworten -aber dann kam ihm das doch selbst zu unglaublich vor. Er schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Aber die Schwarze Bruderschaft. Vielleicht sind sie wirklich keine Menschen, sondern... sondern Nachfahren der Atlanter. «