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»Das war knapp«, keuchte er. »Noch eine Minute länger, und ich wäre erstickt. Mein Sauerstofftank ist vollkommen leer. «

»Meiner auch«, sagte Singh. Auch er hatte den Helm abgenommen, wenn auch wesentlich langsamer als Mike.

»Unsere Freunde stellen unser Glück ganz schön auf die Probe«, sagte Mike übellaunig. »Knapp vorbei ist zwar auch daneben, aber irgendwie habe ich keine Lust, ständig zu beten, daß es gerade noch einmal gutgehen könnte. «

Singh sah ihn auf sonderbare Weise an. »Ich glaube nicht, daß das etwas mit Glück zu tun hat«, sagte er. Mike schwieg. Wahrscheinlich hatte Singh Recht. Sie warteten, bis das Wasser völlig abgeflossen war, dann öffneten sie die obere Luke, kletterten vollends ins Schiff zurück und begannen, aus den Anzügen zu steigen. Nach einigen Augenblicken erschien Hasim und half ihnen. Mike ließ es widerspruchslos geschehen, obwohl ihm die Nähe des Beduinen jetzt mehr denn je unangenehm war. Aber er war viel zu erschöpft, um Einspruch zu erheben, und außerdem waren seine Finger so steifgefroren, daß er Mühe hatte, sie überhaupt noch zu bewegen, geschweige denn, richtig zu benutzen. Erst jetzt, als sie wieder im Schiff waren, spürte er wirklich, wie kalt das Wasser gewesen war.

Als sie in den Laderaum zurückkehrten, erlebte er eine weitere Überraschung. Hasim war während ihrer Abwesenheit nicht untätig gewesen. Er hatte die zwölf Behälter, die sie aus der TITANIC geborgen hatten, in den Laderaum geschafft und verstaut, und jetzt sah Mike endlich, welche Bewandtnis es mit der sonderbaren Wabenkonstruktion hatte, die die beiden Brüder in den letzten Tagen hier unten aufgestellt hatten: Sie entsprachen genau der Form der Kokons. Die seltsamen Behälter paßten so genau in die Gestelle, daß sie wahrscheinlich eine geschlossene Wand zu beiden Seiten bilden würden, wenn sie alle an Bord waren. Mikes Mut sank jedoch, als er sah, wie viele dieser Waben noch leer waren. Drüben, im Bauch der TITANIC, war die Zahl der Behälter unmöglich zu schätzen gewesen, aber jetzt sah er, daß es tatsächlich noch Hunderte sein mußten, und er fragte sich wieder, was sie wohl enthielten.

»Keine Toten?« fragte Ben ungläubig. »Ganz bestimmt kein einziger?«

Mike schloß zitternd die Hände um die Tasse mit brühheißem Tee, die Trautman ihm gebracht hatte. Seine Finger waren noch immer taub, aber die Wärme tat gut, und er fror jetzt nicht mehr ganz so erbärmlich wie vorhin.

»Nein, nicht einen«, antwortete er. »Ich bin froh, daß wir keinen gefunden haben. Nach vier Jahren bieten sie bestimmt keinen sehr schönen Anblick. « »Darum geht es nicht«, sagte Trautman. Er schüttelte den Kopf, setzte sich neben Ben und sah Mike sehr ernst an. »Ben hat recht, weißt du? Irgend etwas stimmt hier nicht. «

Was für eine scharfsinnige Bemerkung, dachte Mike, hütete sich aber, diesen Gedanken laut auszusprechen. »Und ihr habt keine Ahnung, was in diesen Bündeln ist?« fragte Juan.

Mike schüttelte den Kopf. »Nein. Und ich werde auch bestimmt nicht nachsehen, wenn du darauf anspielst. Yasal hätte Singh fast den Arm abgerissen, als er eines der Dinger auch nur angefaßt hat. « »Mike übertreibt«, sagte Singh und trank einen Schluck Tee. »Aber er hat trotzdem Recht -was immer in diesen Behältern ist, es muß für die Schwarze Bruderschaft von großem Wert sein. Ich glaube nicht, daß sie uns gestatten, einen davon zu öffnen. « »Und es wäre auch nicht empfehlenswert, es heimlich zu tun«, fügte Mike mit einem Blick in Bens Richtung hinzu. »Ganz davon abgesehen, daß es dir kaum gelingen dürfte. «

Ben machte ein beleidigtes Gesicht. »Du unterschätzt mich mal wieder, scheint mir. «

»Nein«, sagte Singh. »Aberduunterschätzt Yasal und Hasim, Ben. Die beiden sind... « Er suchte einen Moment lang nach Worten, zuckte schließlich mit den Achseln und trank einen weiteren Schluck Tee, ehe er fortfuhr: »Auf jeden Fall nicht das, wofür wir sie bisher gehalten haben. «

»Wofürhabtihr sie denn gehalten?« wollte Chris wissen. Darauf antwortete niemand, aber Mike mußte plötzlich wieder an das denken, was Astaroth über den Fahrer des Lastwagens gesagt hatte -bei dem es sich ja um niemand anderen als Sulan, den dritten der Schwarzen Bruderschaft gehandelt hatte.Es war, als ob er überhaupt nicht gedacht hätte.

Das war natürlich vollkommener Unsinn -es gab kein lebendes Wesen, dasnicht dachte -,aber die bloße Erinnerung daran jagte Mike trotzdem schon wieder einen kalten Schauer über den Rücken. »Wahrscheinlich handelt es sich auch bei dem Schatz um etwas völlig anderes, als wir bisher angenommen haben«, knüpfte Trautman nach einer Weile an Singhs Worte an. »Ich möchte zu gerne wissen, was es ist. Nicht aus Neugier«, fügte er verteidigend hinzu, als Mike ihn fast betroffen ansah. »Aber es könnte sein, daß es sehr wichtig für uns wird. « »Wieso?«

»Noch sind wir nicht zurück«, gab Trautman zu bedenken. »Selbst wenn wir Tag und Nacht arbeiten, brauchen wir wahrscheinlich Tage, um alle Behälter zu verladen, wenn es wirklich so viele sind, wie ihr sagt. Und dann kommt noch die Rückfahrt. « Er schüttelte seufzend den Kopf. »Ich will ja nicht unken, aber ich habe Zweifel, daß wir es schaffen. Und ihr wißt, was passiert, wenn wir die Frist nicht einhalten. « Seltsamerweise beunruhigte Mike diese Vorstellung kaum. Nach alledem, was er heute mit Yasal und seinem Bruder erlebt hatte, war er ziemlich sicher, daß die beiden auch dies einkalkuliert hatten. »Wieviel Zeit haben wir noch?« fragte er. »Fünf Tage«, antwortete Trautmari. »Warum?« »Fünf Tage. Das wäre der... « Mike rechnete rasch in Gedanken nach. »Sechzehnte Februar, richtig?« »Stimmt«, antwortete Trautman. »Weshalb fragst du?« »Ohne besonderen Grund«, antwortete Mike. »Ich habe überlegt, ob an diesem Datum etwas Besonderes ist. « Da war eine Erinnerung, irgendwo tief in seinem Gedächtnis vergraben. Zu tief, um sie zu erkennen, aber nicht tief genug, um sie ganz zu vergessen. Irgend etwas, was irgend jemand gesagt hatte und das ihm plötzlich wichtig erschien. Aber was nur? »Oder war?« fragte Chris.

Mike sah ihn aus aufgerissenen Augen an. »Das ist es!« sagte er. »Erinnert ihr euch an das, was Lady Grandersmith gesagt hat?Wir können nicht noch einmal zweihundertfünfzig Jahre warten!Ich habe es für einen Versprecher gehalten, aber vielleicht war es gar keiner, sondern etwas, was ihr herausgerutscht ist, ohne daß sie es selbst wollte. «

»Zweihundertfünfzig Jahre?« Juan sah ihn kopfschüttelnd an. »Du willst doch nicht etwa behaupten, daß Yasal und die beiden anderen zweihundertfünfzig Jahre alt sein sollen? Warum nicht gleich fünfhundert?«

Er versuchte zu lachen. »Das ist unmöglich. Niemand wird so alt. «

»Jemand, der ohne Atemgerät eine Stunde unter Wasser Spazierengehen kann, vielleicht doch«, sagte Mike. Er zuckte mit den Schultern. »Wer weiß. Wir sollten jedenfalls einmal nachschlagen, was am sechzehnten Februar vor zweihundertfünfzig Jahren war. « »Das werden wir tun«, sagte Trautman. »Aber du nicht. Du gehst jetzt in deine Koje und schläfst dich gründlich aus. « Er machte eine entschiedene Handbewegung, als Mike protestieren wollte. »Keine Widerrede. Schau in den Spiegel, wenn du mir nicht glaubst. Du bist vollkommen erschöpft und total durchgefroren. Juan und ich werden als nächste mit Yasal zur TITANIC hinübergehen,